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Einnahmen

Veröffentlicht:
29.08.2019
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Guten Tag liebes Expertenteam

ich gelange mit folgender Frage im Bezug auf den Kanton Bern bezüglich der Deklaration ALLER Einnahmen an Sie.

Im Handbuch steht es werden alle Einnahmen angerechnet, also auch Steuerrückerstattungen.

Eine Klientin wurde im 2017 zu hoch veranlagt und hat anfangs 2019 eine Rückerstattung in Höhe von rund Fr. 800 erhalten. Sie bezieht seit Mitte 2018 Sozialhilfe. Sie gibt an, dass sie sich die Steuerraten vom Munde abgespart habe, da sie Angst hatte betrieben zu werden. Sie habe auch so den Kindern z.B. keine Winterschuhe gekauft. Ausserdem habe sie mit den Kindern keine Freizeitaktivitäten unternommen, usw. Klientin ist psychisch sehr belastet, sie leidet unter eine posttraumatischen Belastungsstörung und ein Kind wurde mittlerweile platziert. Sie wäre 2017/2018 krankheitsbedingt nicht in der Lage gewesen, beim Steueramt eine Neueinschätzung zu verlangen. Sie ist insbesondere in der Regelung der finanziellen Angelegenheiten eingeschränkt.

Kann man im Rahmen vom Ermessen ihr den Betrag belassen?

Besten Dank für Ihre Einschätzung.

Mit freundlichen Grüssen

Sabine Bauer  

Frage beantwortet am

Anja Loosli Brendebach

Expert*in Sozialhilferecht

Sehr geehrte Frau Bauer

Vielen Dank für Ihre Frage. Ich beantworte diese gerne wie folgt:

Gemäss dem Sozialhilfehandbuch des Kantons Bern sind aufgrund des Bedarfdeckungsprinzips sämtliche Einnahmen anzurechnen. Dies entspricht dem Subsidiaritätsprinzip (§ 9 SHG BE). Im Handbuch wird weiter ausgeführt, dass auch Nachzahlungen, die sich auf eine Zeit vor Unterstützung beziehen, anzurechnen sind, da keine zeitliche Kongruenz notwendig ist.

Dies bedeutet, dass die Steuerrückvergütung, welche während der Unterstützung erfolgt ist, grundsätzlich als Einnahme anzurechnen ist, auch wenn sie für eine Zeitperiode vor Unterstützung erfolgt.

Im Handbuch wird weiter aufgeführt, dass die gesetzlichen Regelungen und das Handbuch im Normalfall anzuwenden sind, damit eine rechtsgleiche und transparante Praxis garantiert werden kann. In Ausnahmefällen - wenn besondere Gründe vorliegen - darf und soll der Sozialdienst aber von den Regelungen des Handbuchs abweichen. Die Abweichung muss sachlich begründet sein, die grundlegenden rechtsstaatlichen Prinzipien beachten (z.B. Willkürverbot) und im Dossier schriftlich festgehalten werden. Ermessen ist aber kein Freipass für eine Unterstützungspraxis "nach Beliegen".

Es stellt sich deshalb die Frage, ob vorliegend ein besonderer Grund vorliegt, um von der Regelung im Handbuch abzuweichen. Meiner Meinung nach ist eine Abweichung dann gerechtfertigt, wenn eine Klientin/ein Klient in der fraglichen Zeit für die Bestreitung des Lebensunterhalts ein Darlehen aufgenommen hat, das nun zurückbezahlt werden muss oder sonst offene Schulden hat (z.B. Rechnungen nicht bezahlt). In diesem Fall kann und müsste von der Anrechnung der Steuerrückzahlung als Einnahme abgesehen werden. Wenn die Neuveranlagung aus gesundheitlichen Gründen nicht geltend gemacht werden konnte, ist offen, wann denn die Steuerbehörden darüber entschieden hätten. Es ist jedoch davon auszugehen, dass vorliegend die Klientin das Geld für den Lebensunterhalt ausgegeben hätte. Allerdings ist dieser Lebensunterhalt (wie z.B. auch Kleider und Schuhe) von 2017 nicht mehr aktuell. Der aktuelle Lebensunterhalt wird von der Sozialhilfe gedeckt. Dafür benötigt die Klientin keine zusätzlichen finanziellen Mittel.

Zusammenfassend bin ich deshalb der Meinung, dass auf die Anrechnung der Steuerrückerstattung als Einnahmen dann verzichtet werden kann, wenn die Klientin noch offene Schulden aus der fraglichen Zeit oder ein nun rückzahlbares Darlehen zur Bestreitung des Lebensunterhalts aufgenommen hat. Ausschliesslich aufgrund der schlechten gesundheitlichen Verfassung erachte ich die Nichtanrechnung dagegen als sehr heikel. Wichtig ist auf jeden Fall, dass Sie begründen, weshalb Sie nicht anrechnen wollen.

Ich hoffe, Ihnen mit dieser Antwort weiterhelfen zu können.

Freundliche Grüsse

Anja Loosli Brendebach

Guten Tag Frau Loosli

da fehlt leider die Antwort.

Beste Grüsse

Sabine Bauer