Frau S. wurde als allenestehend durch das Sozialamt unterstützt. Heute ist sie verheiratet und hat zwei Kinder. Die Steuerfaktoren weisen ein gemeinsames mit dem Ehemann Vermögen von über Fr.100'000.00 in Wertschriften aus. Das gemeinsame Einkommen weist ein Betrag etwas unter dem Grenzwert für die Rückerstattung aus.
Wird das gesamte Vermögen des Ehepaars in Bezug auf Rückertattung in Betracht gezogen, bzw. kann eine Rückerstattung aus dem Vermögen verfügt werden? Wie muss man vorgehen, wenn Frau S, Einwände bringt, dass das Vermögen Ihrem Ehemann gehört oder noch vor der Ehe gehörte?
Frage beantwortet am
Ruth Schnyder
Expert*in Sozialhilferecht
Guten Morgen
Gerne beantworte ich Ihre Anfrage. Nach Art. 18 SHG / SG erstattet finanzielle Sozialhilfe zurück, die jemand für sich, für Familienangehörige, für eingetragene PartnerInnen oder für ein Kind bezogen hat, wenn sich seine finanzielle Lage gebessert hat und die Rückerstattung zumutbar ist. Art. 18 SHG / SG sagt in seinen übrigen Bestimmungen jedoch nichts dazu, wann von einer finanziell gebesserten Lage auszugehen ist, ebensowenig, wann die Rückerstattung zumutbar ist. Dem KOS-Handbuch sind Rahmenbedingungen zu entnehmen, welche unter anderem die Zumutbarkeit der Rückerstattung umschreiben (E.2.1 KOS-Handbuch «Prüfung der Zumutbarkeit und Berechnung der Rückerstattung»). Dem TISG-Handbuch ist nichts Weiteres zu übernehmen. Demgegenüber ist der Beilage zum KOS-Handbuch «Einkommens- und Vermögensgrenzen» zu entnehmen, bei welchem Einkommen und Vermögen von einer Prüfung abzusehen ist. Bei Ehepaaren ohne Kinder beläuft sich diese Grenze beim Einkommen bei Fr. 46'000 Nettoeinkommen bzw. 40'000 steuerbares Einkommen und beim Vermögen auf Fr. 8'000. Diese Regelung stellt eine erhebliche Abweichung von den SKOS-Richtlinien dar, welche einerseits von weit höheren Vermögensfreigrenzen ausgehen (Ehepaare Fr. 50'000) und andererseits von einer Rückerstattung aufgrund von Erwerbseinkommen abraten (vgl. SKOS-RL E.2.1). Insoweit kann festgehalten werden, dass im geschilderten Fall eine Rückerstattung angezeigt wäre, wenn nur von der Höhe des Vermögens auszugehen wäre. Keine explizite Aussage findet sich jedoch zu Ihrer Frage, ob die finanziellen Verhältnisse beider Ehegatten zu berücksichtigen sind, wenn es sich um voreheliche Sozialhilfeschulden nur des einen handelt. Art. 18 SHG / SG bezieht sich im Wortlaut auf «seine finanzielle Lage», die sich gebessert haben muss.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass Ehegatten nach Art. 166 ZGB nur für die laufenden Bedürfnisse der ehelichen Gemeinschaft haften, und unter bestimmten Voraussetzungen für weitere Bedürfnisse der ehelichen Gemeinschaft. Insoweit besteht über die solidarische Haftung der Ehegatten keine Möglichkeit, das Einkommen und Vermögen des anderen Ehegatten für voreheliche Schulden direkt zu belangen.
Aufgrund der ehelichen Beistands- und Unterhaltspflicht von Art. 159 und 163 ZGB hat sich aber zweifellos die finanzielle Lage der ehemaligen Klientin verbessert. Guido Wizent hat sich in seinem Aufsatz zum Thema Sozialhilferechtliche Rückerstattung gegenüber dem Klientel (Jusletter 19.3.2018; siehe Beilage) kritisch mit der Berücksichtigung der Mittel des neuen (nicht mitunterstützten) Ehepartners auseinandergesetzt (vgl. Rz. 53 a.a.O.) und zu Recht darauf hingewiesen, dass eine zwangsweise Vollstreckung bei einer allfälligen Berücksichtigung des ehelichen Betrags zur freien Verfügung nicht möglich ist. Ausserdem kollidiere die Berücksichtigung des Vermögens des Ehepartners mit der höchstpersönlichen Natur des individuellen Rechts auf Sozialhilfe. Wizent plädiert dafür, dass eine Berücksichtigung nur zulässig sei, wenn die Rückerstattungsbestimmung dies explizit so formuliere (a.a.O), was vorliegend nicht der Fall wäre. Gleichwohl gibt es kantonale Rechtsprechung, die die Berücksichtigung auch ohne explizite gesetzliche Grundlage bejahen, worauf Wizent in der Fussnote 44 hinweist einschliesslich kritischer Würdigung.
Aus meiner Sicht könnte ein gangbarer Weg die Praxishilfe zur Berechnung der Verwandtenunterstützung der SKOS-RL (April 2021) aufzeigen: Im Kontext der Verwandtenunterstützungspflicht für ein volljähriges Stiefkind, darf höchstens das vom leiblichen Elternteil selber erzielte Einkommen beansprucht werden. Das Einkommen und Vermögen des Stiefelternteils ist jedoch indirekt relevant, weil es darüber entscheidet, ob der pflichtige Elternteil in günstigen Verhältnissen lebt (vgl. Ziff. 6.2 f.). Übertragen auf die vorliegende Fragestellung würde dies bedeuten, dass für die Frage der gebesserten finanziellen Verhältnisse die finanziellen Verhältnisse beider Ehegatten berücksichtigt würden, Rückerstattungssubstrat würde aber nur das Einkommen und Vermögen der ehemaligen Klientin bilden.
Im vorliegenden Fall verhält es sich nun aber so, dass nur auf dem Weg des Vermögens des Ehegattens eine (indirekte) Rückerstattungspflicht entstehen kann, da Ihren Angaben zufolge das eheliche Einkommen unter der massgebenden Grenze liegt. Dass das Vermögen der Ehegatten für den Unterhalt der ehelichen Gemeinschaft subsidiär zum Einkommen eingesetzt wird, ist mit Art. 163 ZGB vereinbar (vgl. BGE 134 III 581 E. 3.3). Demnach wäre zu prüfen, inwieweit das Vermögen des Ehegatten herangezogen werden kann, um den Lebensbedarf der Ehegatten zu decken. Wenn sodann sein Vermögen für den ehelichen Unterhalt eingesetzt werden kann, dieser Betrag von seinem Vermögen abgezogen wird (auf dem Weg der Kapitalisierung gemessen an der Lebenserwartung) und dann das eheliche Vermögen nach wie vor über der Freigrenze liegt, dann könnte auf das Vermögen der Klientin (und nur in dieser Höhe) gegriffen werden. Besitzt sie aber kein Vermögen, besteht zum Vornhinein kein Rückerstattungssubstrat und die Rückerstattungspflicht aufgrund verbesserter Lage käme nicht in Betracht.
Die unter Berücksichtigung der Regeln der Verwandtenunterstützungspflicht aufgezeigte Herangehensweise, ist eine Möglichkeit, die Rückerstattungspflicht zu prüfen. Bei einer kurzen Durchsicht der Rechtsprechung konnte kein entsprechendes Urteil gefunden werden. Immerhin kann in allgemeiner Weise auf die Rechtsprechung, welche im Aufsatz Wizent zitiert wird, verwiesen werden, die jedoch kritisch zu betrachten ist (siehe sein Kommentar).
Ich hoffe, Ihnen damit Ihre Frage beantwortet zu haben.
Freundliche Grüsse
Ruth Schnyder