Ich habe eine Klientin, die zusammen mit ihrem Sohn (ca. 2jährig) durch die wirtschaftliche Sozialhilfe unterstützt wird. Ihr Ex-Partner und Vater des gemeinsamen Sohnes lebt jeweils die halbe Woche bei ihnen, damit sie Zeit als Familie verbringen können. Die Situation ist aber undurchsichtig. Er ist beispielsweise offiziell bei ihr gemeldet. Der Vertrag für sein WG-Zimmer am anderen Ort ist sehr knapp gehalten. Es ist eher eine Bestätigung, dass er auch dort wohnt, unterschrieben von einem Freund von ihm. Für mich ist daher auch unklar, ob das Paar noch zusammen ist oder nicht.
Meine Frage ist nun, wie das im Sozialhilfebudget berücksichtigt werden soll.
Gilt das Ex-Paar als Konkubinat da sie einen gemeinsamen Sohn haben und ich kann somit einen ½ Konkubinatsbeitrag einrechnen. Oder soll ich einen ½ Haushaltsführungsbeitrag einberechnen.
Frage beantwortet am
Anja Loosli
Expert*in Sozialhilferecht
Guten Tag
Ich bedanke mich für Ihre Frage und beantworte diese gerne wie folgt:
Vorauszuschicken gilt es, dass es sowohl zivilrechtlich (Art. 23 ZGB) wie auch sozialhilferechtlich (Art. 4 ZUG) nur einen Wohnsitz gibt. Dies hat zur Folge, dass der Vater des Kindes entweder als mit der Mutter und dem Kind als zusammenlebend oder nicht zusammenlebend gelten muss und er nicht als halb mit seiner Familie zusammenlebend gelten kann.
Stellt sich der Sachverhalt so dar, dass der Vater des Kindes als mit dem Kind und dessen Mutter als zusammenlebend gelten kann, müssen für die Anrechnung eines Konkubinatsbeitrags weitere Kriterien erfüllt sein: Es muss ein Konkubinat bestehen. Ein solches besteht nach SKOS-RL D.4.4 vermutungsweise, wenn die Partner seit mindestens zwei Jahren in einer Beziehung zusammenleben oder wenn sie weniger als zwei Jahre zusammenleben aber ein gemeinsames Kind haben. Nach dem Sozialhilfehandbuch BKSE sind Voraussetzung für ein Konkubinat ein gemeinsamer Haushalt sowie die übereinstimmende Absicht, eine Partnerschaft zu führen – mit entsprechender materieller und/oder tatsächlicher Unterstützung.
Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, ist eine Frage des Sachverhalts. Im Verwaltungsverfahren gilt üblicherweise der Untersuchungsgrundsatz. Dies bedeutet, dass der rechtserhebliche Sachverhalt von Amtes wegen abzuklären ist. Die Untersuchungsmaxime wird durch die Partizipationsrechte, aber auch durch die Auskunfts- und Meldepflichten flankiert. Die Bedürftigen müssen in das Verfahren einbezogen werden und haben zugleich die Pflicht, über rechtserhebliche Ereignisse Auskunft zu geben (Guido Wizent, Sozialhilferecht, Zürich/St. Gallen 2020, N 1078 ff.).
Im vorliegenden Fall gibt es ein gemeinsames Kind. Es geht somit um ein allfälliges stabiles Konkubinat mit entsprechenden finanziellen Folgen (Konkubinatsbeitrag). Nicht zwingend notwendig erscheint für die Erfüllung der Voraussetzung des Konkubinats, dass die Eltern des Kindes sich als Paar fühlen (siehe auch VD.2014.245). Allerdings darf es sich nicht nur um ein loses Gemeinschaftsverhältnis handeln. Stets massgebend ist eine Gesamtschau der Verhältnisse (z.B. Anlass für das Zusammenziehen, Art und Weise der Freizeitgestaltung, gemeinsame Ferien, finanzielle Unabhängigkeit, gemeinsame Haushaltsführung usw.).
So wie Sie den Sachverhalt schildern, scheint mir dieser nicht abschliessend geklärt zu sein, um die Frage zu beantworten, ob der Vater des Kindes seinen Lebensmittelpunkt beim Kind und der Mutter hat und ob die Beziehung insgesamt so intensiv ist, dass von einem Konkubinat mit entsprechenden finanziellen Folgen ausgegangen werden darf. In einem ersten Schritt gilt es meiner Ansicht nach zu klären, wo der Wohnsitz des Vaters ist (Gibt es tatsächlich eine Unterkunft, in der der Vater während ungefähr der Hälfte der Woche wohnt? Falls ja, wo hat er seine persönlichen Effekten? Wo hat er seine engsten Beziehungen? Wo wäscht er seine Kleider? Hält er sich an einem Ort mehr auf als am anderen? Was gibt der Vater gegenüber Dritten als Wohnort an?). Kommt man zum Schluss, dass der Wohnsitz (Lebensmittelpunkt) beim Kind und der Mutter liegt, ist zu prüfen, wie die Lebensführung ist (Wie sind die räumlichen Verhältnisse? Teilen die Eltern ein Bett oder haben sie separate Betten? Haushalten und kochen die Mutter und der Vater gemeinsam? Wird die Freizeit gemeinsam verbracht? Usw.).
Kommt man insgesamt zum Schluss, dass ein stabiles Konkubinat besteht, gilt es in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob der Vater seinen Bedarf und den des gemeinsamen Kindes mit seinen finanziellen Mitteln decken kann. In diesem Fall wird das Kind aus der Unterstützungseinheit mit der Mutter hinausgelöst und nicht mehr unterstützt. Bleibt ein Restbetrag übrig, ist dieser der Mutter als Konkubinatsbeitrag anzurechnen. Kann der Vater seinen Bedarf und den des Kindes nicht decken, bleibt das Kind in der Unterstützungseinheit der Mutter und der Konkubinatsbeitrag ist gestützt auf das einfache SKOS-Budget zu berechnen (siehe erweitertes SKOS-Budget).
Ist die Mutter oder der Vater nicht bereit, die finanziellen Verhältnisse des Vaters offen zu legen, können die Unterstützungsleistungen wegen Zweifeln an der Bedürftigkeit eingestellt werden (SKOS-RL F.3).
Lässt sich der Sachverhalt nicht restlos klären, kann ein Konkubinat aber nicht eindeutig ausgeschlossen werden, darf die Sozialhilfe von einem Konkubinat ausgehen. Die Klientin kann dann das Gegenteil beweisen.
Freundliche Grüsse