Das Kinder einer Sozialhilfeempfängerin ist unter der Woche in einem Kinderheim stationiert. Für die Transportkosten der Hin- und Zurückfahrt vor dem Wochenende und nach dem Wochenende erhält die Mutter vom ALBA eine Entschädigung von 0.45 Rp/Km. Der Sozialdienst zahlt für die Transportkosten lediglich 0.15 Rp/Km und verlangt nun, dass die Differenz von 0.35 Rp/Km im Budget als Einnahmen angerechnet werden. Der Grundbedarf des Kindes ist nicht im Budget der Mutter aufgeführt.
- Kann diese Einnahme als Zweckgebunden betrachtet werden und ist deshalb nicht als Einnahme im Budget einzurechnene?
- Müsste die Entschädigung nicht als Zusatzleistung für das Kind betrachtet werden und darf somit nicht im Budget der Mutter berücksichtig werden?
Herzlichen Dank für Ihre Einschätzung!
Freundlicher Gruss
Frage beantwortet am
Anja Loosli
Expert*in Sozialhilferecht
Sehr geehrte Frau Müller
Vielen Dank für Ihre Frage. Um sie korrekt beantworten zu können, muss ich zurückfragen:
- Wer ist ALBA? Gestützt auf welche Grundlage bezahlt ALBA Fr. 0.45/km für die Fahrt? Ist das vertraglich geregelt?
- Aus welchem Grund ist das Kind im Kinderheim stationiert? Aus gesundheitlichen Gründen?
- Verstehe ich es richtig? Das Kind ist nicht bedürftig? Mit welchen Einkommensquellen wird sein Bedarf gedeckt?
Ich bedanke mich für Ihre Unterstützung.
Freundliche Grüsse
Anja Loosli Brendebach
Liebe Frau Lossli
Vielen Dank für Ihre Rückfragen.
Mit dem ALBA ist das Alters- und Behindertenamt des Kantons Bern gemeint. Für mich ist die Abkürzung so geläufig, dass mir nicht in den Sinn gekommen ist, dass dies für Sie vielleicht nicht so ist.
Die Entschädigung von 0.45 Rp/Km ist in der Direktionsverordnung über die Entschädigung der Transporte von Kindern und Jugendlichen im Bereich Sonderpädagogik (BSG 432.281.3) Artikel 2 Abs. 1 geregelt.
Das Kind fand in der ehemaligen Schule keinen Anschluss. Es gab Probleme mit Mitschülern sowie mit Lehrern. Aus diesem Grund wurde versucht, in der näheren Umgebung eine Schule mit den nötigen Unterstützungsmassnahmen zu finden, sodass das Kind nach der Schule wieder hätte nach Hause gehen können. Leider war zu diesem Zeitpunkt in den entsprechenden Schulen kein Schulplatz frei. Letztendlich wurde ein Platz gefunden, welcher es dem Kind jedoch nicht ermöglicht, nach der Schule nach Hause zu gehen. Deshalb ein stationärer Aufenthalt. Das Kind ist zudem verbeiständet. Die Beiständin hat letztendlich den Entscheid für den stationären Aufenthalt getroffen.
Zu Ihrer Frage nach der Bedürftigkeit des Kindes konnte mir die Mutter lediglich mitteilen, dass Sie nicht genau wisse wie der stationäre Aufenthalt finanziert ist. Sie selbst erhalte pro Monat 60.00 CHF für Kleider, Hygieneartikel etc. und eben die 0.15 Rp/Km-Entschädigung für die Transporte. Falls Sie weiterführende Informationen benötigen, werde ich die Mutter fragen, ob ich mit der Beiständin Kontakt aufnehmen kann.
Vielen Dank für Ihre Rückmeldung.
Freundlicher Gruss
Actio Bern
Frage beantwortet am
Anja Loosli
Expert*in Sozialhilferecht
Sehr geehrte Frau Müller
Ich bedanke mich herzlich für Ihre Unterstützung. Ich kann Ihre Frage aufgrund Ihrer Rückmeldung folgendermassen beantworten:
Es ist zwar richtig, dass in der Sozialhilfe das Prinzip der Subsidiarität gilt (Art. 9 Sozialhilfegesetz Bern, SHG, BGS 860.1; Lit. A.2 SKOS-Richtlinien). Und es ist auch richtig, dass gestützt darauf sämtliche Einnahmen im Unterstützungsbudget zu berücksichtigen sind (Lit. D.1 SKOS-Richtlinien).
Den Einnahmen ist aber der Bedarf gegenüber zu stellen. Dazu gehören neben Grundbedarf und Gesundheitskosten auch situationsbedingte Leistungen. Unter diese fallen in gewissen Fällen auch allfällige Ausgaben für Motorfahrzeuge. So ist denn im Handbuch BKSE unter dem Titel «Motorfahrzeuge» in Ziff. 2.1 festgehalten, dass in den Fällen, in denen die Benützung eines privaten Motorfahrzeuges als zulässig erachtet wird, die Sozialhilfe Beiträge an die Kosten für den Betrieb und den Unterhalt eines Motorfahrzeuges übernimmt. Dabei werden für Kosten für den Benzinverbrauch ins Unterstützungsbudget Fr. 0.15/km eingesetzt. Daneben werden auf Antrag der Klienten und nach Prüfung der Verhältnismässigkeit separat auch die Auslagen für die Versicherung, Steuern usw. vergütet. Allenfalls können gar Reparaturkosten übernommen werden.
Dies bedeutet für die verschiedenen möglichen Sachverhaltskonstellationsmöglichkeiten folgende Lösungen:
1. Akzeptiert die Sozialhilfe die Fahrten als notwendig mit dem Motorfahrzeug/Auto (dies scheint mir allenfalls gegeben zu sein, weil sie doch bereit ist, Fr. 0,15/km als Ausgaben zu berücksichtigen), dann müsste sie die Kosten – auf Antrag auch Versicherung, Steuern usw. – übernehmen, wenn das Kind ebenfalls von der Sozialhilfe finanziell unterstützt wird. Indem ALBA die Kosten übernimmt, übernimmt ein Dritter Kosten, die die Sozialhilfe bezahlen müsste und die mit Versicherung und Steuern höher sind als Fr. 0,15/km. In diesem Fall wäre die Anrechnung des Fr. 0,15/km übersteigenden Betrags nicht zulässig. Allenfalls könnte die Sozialhilfe Einnahmen anrechnen, sobald mit der Kilometerentschädigung die Versicherungskosten usw. abbezahlt sind. Diese Lösung fände ich aber äusserst kleinlich.
Dies gilt auch dann, wenn das Auto nicht der Klientin/Mutter sondern einer Drittperson gehören sollte, die die Kosten für Versicherung, Steuern usw. übernimmt.
Anders ist es in diesem Fall nur, wenn die Sozialhilfe der Klientin/Mutter die Kosten für Steuern, Versicherung usw. bezahlt. In diesem Fall kann es angemessen sein, dass der die Benzinkosten übersteigende Teil der Kilometerentschädigung als Einnahmen angerechnet wird, da die Klientin/Mutter diese Ausgaben nicht tätigen muss. Dennoch fände ich auch diese Lösung kleinlich, da Fr 0,45/km keine luxuriöse Entschädigung darstellen.
2. Akzeptiert die Sozialhilfe die Fahrten als notwendig mit dem Motorfahrzeug/Auto, wird das Kind aber nicht von der Sozialhilfe finanziell unterstützt, dann müsste die Sozialhilfe die Fahrtkosten zwar nicht übernehmen, sie dürfte die Einnahmen aber dennoch nur in der Höhe berücksichtigen, die die Ausgaben übersteigt bzw. sie müsste eben die Steuern, Versicherung und allfällige Reparaturkosten als Ausgaben berücksichtigen.
3. Akzeptiert die Sozialhilfe die Fahrten nicht als notwendig, dann dürfte sie wohl alle Einnahmen anrechnen, die die Fahrtkosten des öffentlichen Verkehrs übersteigen. In diesem Fall würde ich der Klientin/Mutter aber raten, eine anfechtbare Verfügung zu verlangen und darzulegen, dass ihr Kind nur mit dem Auto transportiert werden kann.
Ich hoffe, Ihnen mit dieser Antwort weiterhelfen zu können.
Freundliche Grüsse
Anja Loosli Brendebach
Liebe Frau Loosli
Vielen Herzlichen Dank für die ausführliche Darlegung!
Freundlicher Gruss
Actio Bern