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Div Fragen zur SH & Hilflosenentschädigung

Veröffentlicht:
07.02.2019
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Hallo
Habe neulich eine Klientin mit einem Thema gehabt, das wenigert zu unserem Profil passt. Trotzdem nehme ich gewisse Fragen auf und würde ihr diese gern per Sozialinfo.ch beantworten können. Sie ist 58 jährig und arbeitslos sowie seit 2 J. ausgesteuert. Sie hat 2 Kids, im erwachsenen Alter und betreuut aktuell ihren Vater, der umfangreiche Hilfe brauche (Einkaufen, Termine wahrnehmen, Kochen u.a.). Der Vater zahlt ihr aktuell den Lebensunterhalt. Sozialhilfe sei ein grosses Tabuthema für denselben, nicht aber für die Klientin, die sich aber bisher noch nicht angemeldet habe.

  1. Kann die Sozialhilfe von ihr Renten zur Rückbezahlung derselben verlangen, sofern sie sich dort anmelde? Sie will sich evtl. mit 62 pensionieren lassen, ist dies ein Einflussfaktor?
  2. Wie viel ist die Unterstützungsleistung bei der Wohnung? Sie lebe mit ihrem Partner zusammen und fragt sich, ob nun der Tarif für 2 Personen angewendet wird bei der Unterstützung – oder gilt dieser nur, wenn beide Personen Sozialhilfe beziehen?
  3. Kann ihr Vater die 3a Säule weiterbezahlen resp. kann sie diese auf ihn umschreiben? Wenn das nicht geht, will die Sozialhilfe das ganze Geld und die Klientin würde dasselbe gerne – da sie wenige Jahre vor der Rente sei – nicht verlieren. Gibt es Möglichkeiten?
  4. Soll sie sich vom 86 jährigen Vater anstellen lassen, der Pflege usw. braucht? Laut Sozialhilfe sei das nicht sinnvoll, der Vater verliere sein Vermögen resp. habe dann kein Anspruch auf EL? Ist das so?
  5. Hilflosenentschädigung: Soll sich der Vater dort anmelden?
  6. Ist die Hilflosenentschädigung abhängig vom Vermögen?
    Vielen Dank für Ihre Antworten
    Hr. v.May

Frage beantwortet am

Anja Loosli Brendebach

Expert*in Sozialhilferecht

Sehr geehrter Herr von May
Vielen Dank für Ihre Fragen, die ich gerne wie folgt beantworte:

  1. Kann die Sozialhilfe ab Auszahlung einer Altersrente aufgrund dieser die Rückerstattung von Sozialhilfeleistungen verlangen?
    Nach § 20 Abs. 1 des Sozialhilfe- und Präventionsgesetzes (SPG, BGS 851.200) ist rückerstattungspflichtig, wer materielle Hilfe bezogen hat, wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse so weit gebessert haben, dass eine Rückerstattung ganz oder teilweise zugemutet werden kann. Nach § 20 Abs. 1 SPV (BGS 851.211) liegen bessere wirtschaftliche Verhältnisse vor, wenn Vermögen vorhanden ist, Vermögen gebildet wird (es gilt ein Vermögensfreibetrag von CHF 5‘000.--, § 20 Abs. 2 SPV) oder Vermögen gebildet werden könnte. Die Rückerstattung aus Einkommen erfolgt auf der Basis des sozialen Exizenzminimums (Grundbedarf für den Lebensunterhalt, Wohnkosten, situationsbedingte Leistungen) zuzüglich Einkommensfreibetrag gemäss § 20a und Integrationszulage gemäss § 20b mit einem Zuschlag von 20% und erweitert um die Auslagen für Steuern, Unterhaltsverpflichtungen und Darlehenstilgung.
    Dies bedeutet, dass die Sozialhilfe die Rückzahlung nicht alleine aufgrund der Altersrente verlangen darf sondern nur dann, wenn alle Rentenleistungen (inkl. 2. Säule) und Vermögen aus Säule 3a so hoch sind, dass die Rückerstattung zugemutet werden kann, d.h. entweder Geld bereits angespart wurde oder angespart werden könnte. Übersteigen die Renten die obgenannte Rückerstattungsberechnung nicht oder nur minimal, sind die Voraussetzungen für eine Rückerstattung nicht gegeben. Wie dies im konkreten Fall aussieht, kann ich jedoch nicht beantworten, weil ich nicht weiss, wie hoch der Anspruch auf alle möglichen Renten ist.
  2. Wie hoch ist der Anspruch für Wohnkosten (Konkubinat)
    In § 10 Abs. 1 der SPV werden für die Bemessung der materiellen Hilfe die Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS-Richtlinien) für massgeblich erklärt, soweit das SPG bzw. dessen Ausführungserlasse keine Abweichungen enthalten. Nach Kapitel B.3 der SKOS-Richtlinien sind die Wohnkosten nach den örtlichen Verhältnissen anzurechnen. Es wird empfohlen, nach Haushaltsgrösse abgestufte Obergrenzen für die Wohnkosten festzulegen. Dieser Gundsatz wird im Handbuch Soziales (Ziff. 6.2.2 des Handbuchs) wiederholt. In § 15b SPV wird sodann bestimmt, dass die Gemeinden als Richtwert des in der Sozialhilfe maximal zu übernehmenden Wohnungsmietzinses Mietzinsrichtlinien festlegen.
    Da ich nicht weiss, in welcher Gemeinde Ihre Klientin wohnt, kann ich Ihnen deshalb leider keine genaue Zahl nennen. Jedoch kann ich Ihnen sagen, dass der Mietzins gestützt auf den 2-Personenhaushalt festgelegt werden wird. Sie wird also einen geringeren Betrag erhalten, als wenn sie alleine leben würde.
    Ergänzend gilt es hiezu auszuführen, dass Ihre Klientin mit ihrem Partner nach Sozialhilferecht in einem Konkubinat (dauerhafte Lebensgemeinschaft unter demselben Dach zwischen zwei unverheirateten Personen) lebt. Bei diesen Personen werden nach § 12 Abs. 1 die finanziellen Mittel des Partners ganz oder teilweise angerechnet, sofern nicht glaubhaft gemacht werden kann, dass die Beziehung keinen eheähnlichen Charakter aufweist. Eheähnlich ist eine Gemeinschaft nach § 12 Abs. 2 SPV dann, wenn der gemeinsame Haushalt mindestens 2 Jahre besteht, gemeinsame Kinder da sind oder aufgrund anderer Umstände eine enge und dauerhafte Beziehung anzunehmen ist. Mit anderen Worten: bei diesem Sachverhalt wird ein sogenannter Konkubinatsbeitrag als Einnahme angerechnet. Besteht die Wohngemeinschaft weniger lang als 2 Jahre und sind auch die übrigen Voraussetzungen nicht gegeben, so wird die Anrechnung einer sog. Haushaltsentschädigung geprüft (§ 13 SPV).
    Weiter wird der Grundbedarf nach dem Kopfteilungsprinzip berechnet. Ihre Klientin wird nur ½ Anteil eines 2-Personenhaushlats erhalten
  3. Ist die Einbezahlung in die Säule 3a durch den Vater weiterhin möglich, ohne dass dieser Betrag als Einnahmen angerechnet wird?
    Gemäss Handbuch Soziales des Kantons Aargau sind Freizügigkeitsguthaben der Säule 3a zusammen mit dem AHV-Vorbezug herauszulösen. Die Anzehrung wird nicht früher verlangt. Es gilt allerdings zu überlegen, ob die freiwilligen Leistungen des Vaters in die Säule 3a Ihrer Klientin als Einnahmen angerechnet würden. Dies ist gemäss Handbuch Soziales des Kantons Aargau immer dann der Fall, wenn sie nicht in relativ bescheidenem Umfang erfolgen, nicht ausdrücklich zusätzlich zu den Sozialhilfeleistungen erbracht werden und sie der Dritte bei der Anrechnung nicht einstellen würde.
    Aus dem Sachverhalt kann ich nicht entnehmen, wie viel der Vater jährlich in die Säule 3a Ihrer Klientin einbezahlt. Da jedoch jeder Fall bezgl. relativ bescheidenem Umfang einzeln zu beurteilen ist, kann ich Ihnen keine abschliessende Antwort geben. Ich gehe aufgrund der Rechtsprechung jedoch stark davon aus, dass der jährliche Maximalbetrag von CHF 6‘768.-- im Jahre 2018 und CHF 6‘826.-- im Jahre 2019 nicht als relativ bescheiden gilt.
  4. Macht eine Anstellung durch den Vater Sinn?
    Für diese Antwort scheint mir der Blickwinkel massgebend. Meiner Ansicht nach macht die Anstellung durch den Vater insofern Sinn, als Ihre Klientin dann Sozialversicherungsbeiträge erhält und damit mehr Beiträge geleistet hat, was sich auf die Höhe der AHV-Altersrente auswirkt. Reicht der Lohn nicht aus, um den Lebensunterhalt zu bestreiten, kann sie ergänzend Sozialhilfe beantragen und erhält auf ihrem Einkommen einen Freibetrag und damit faktisch mehr Sozialhilfeleistungen als Personen, die kein Einkommen haben (Kapitel E.1.2 SKOS-Richtlinien). Man kann aber auch der Meinung sein, dass dadurch die Sozialhilfeleistungen tiefer ausfallen werden (um das Einkommen abzüglich Freibetrag) und der Vater zudem seine finanziellen Mittel damit allenfalls strapaziert. Dann macht eine Anstellung keinen Sinn.
  5. Soll der Vater bei der AHV/IV eine Hilflosenentschädigung beantragen?
    Diese Frage ist eine sozialversicherungsrechtliche Frage. Ich bin darin nicht Expertin. Gemäss Art. 43bis des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) hat Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung Bezüger von Altersrenten oder Ergänzungsleistungen mit Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt in der Schweiz, die in schwerem, mittlerem oder leichtem Grad hilflos nach Art. 9 des Bundesgesetzes über den allgemeinen Teil der Sozialversicherungen (ATSG) sind. Nach Art. 9 ATSG gilt eine Person dann als hilflos, wenn wegen der Beeinträchtigung der Gesundheit für alltägliche Lebensverrichtungen dauernd auf die Hilfe Dritter oder der persönlichen Überwachung angewiesen ist.
    Sind diese Voraussetzungen nach Meinung Ihrer Klientin gegeben, macht eine Anmeldung meiner Meinung nach Sinn.
  6. Ist die Höhe der Hilflosenentschädigung abhängig vom Vermögen?
    Die Höhe der Hilflosenentschädigung ist meiner Meinung nach nicht abhängig vom Vermögen.
    Ich hoffe, Ihnen mit diesen Angaben geholfen zu haben.
    Freundliche Grüsse
    Anja Loosli Brendebach