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Datenschutz

Veröffentlicht:
17.01.2020
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Kindes- und Erwachsenenschutz

Sehr geehrte Frau Anderer

Im Rahmen unserer Auseinandersetzung mit dem Datenschutzkonzept ist folgende Frage aufgetreten:

In unserer Institution leben bis zu 15 Kinder und Jugendliche auf drei Stockwerken. In der Regel sind die Kinder über mehrere Jahre mit einer Kindsschutzmassnahme bei uns platziert. Gemäss Datenschutzkonzept haben die einzelnen Klienten kein Recht Informationen über andere Klienten zu erhalten die den Datenschutz betreffen (Ausser der urteilsfähige Klient oder die gesetzliche Vertretung stimmen zu).

Gleichzeitig streben wir eine transparente Kultur an, die offensichtliche Schwierigkeiten thematisiert. Einzelne Themen sind offensichtlich z.B. Schulverweigerung und Zwangshandlungen. Wir bewegen uns in einem schwierigen Spannungsfeld zwischen offener Kultur und Schweigepflicht.

Welche Informationen dürfen Klienten die gemeinsam unter einem Dach über viele Jahre leben von einander erhalten?

Vielen Dank im Voraus.

 

Freundliche Grüsse

 

J.P

Frage beantwortet am

Urs Vogel

Expert*in Kindes- und Erwachsenenschutz

Erwägungen

Jedes Zusammenleben von Menschen bringt es mit sich, dass die beteiligten Personen bedingt durch den konkreten Alltag Einblick in die Persönlichkeit, die Stärken und Schwächen, die Charakterzüge und andere persönlichkeitsbezogene Aspekte erhalten. Gerade in sozialpädagogischen Institutionen, die den Auftrag haben, Kinder und Jugendliche zu selbstständigen und eigenverantwortlichen Personen (Ziel der «Mündigkeit») zu erziehen und in diesem Prozess zu begleiten, ist die Auseinandersetzung mit den spezifischen Eigenheiten der einzelnen Kind/Jugendlichen ein zentraler Bestandteil der Arbeit. Innerhalb der jeweiligen Wohngruppen spielen zudem gruppenbezogene Prozesse einen wichtige Rolle. Das erfordert grundsätzlich die Bereitschaft eines jeden Einzelnen, sich zu öffnen, um an diesen Prozessen teilnehmen zu können. Zudem müssen gewisse individuelle Problemstellungen innerhalb der Gruppe/Institution transparent gemacht werden, damit die anderen adäquat darauf regieren und allfällige daraus resultierende Probleme einordnen können.

Wie Sie bereits selber bemerken, besteht somit ein Spannungsfeld zwischen Privatsphäre und innerhalb des Haushaltes/Institution bekannter Tatsachen über die einzelnen Mitglieder dieses Haushaltes. Eine klare Antwort respektive Bezeichnung von spezifischen Informationen, die für alle Mitglieder des Haushaltes/Institution zugänglich gemacht werden können, ist nicht möglich, sondern muss im Einzelfall unter Berücksichtigung der Aufgabe der Institution, der Art und Weise der sozialpädagogischen oder therapeutischen Ausrichtung und Arbeitsweise sowie der konkreten Situation beurteilt und entschieden werden.

Mit der Platzierung eines Kindes/Jugendlichen in einer Institution werden die Rahmenbedingungen, nach welchen Kriterien und Grundsätzen die Erziehungsarbeit geleistet wird, von den Platzierungsverantwortlichen (Eltern, KESB) anerkannt und implizit das Einverständnis erteilt, entsprechend dem sozialpädagogischen oder therapeutischen Konzept nach fachlichen Kriterien die konkrete Erziehungsarbeit zu gestalten. Damit verbunden auch die Bekanntgabe allfälliger Informationen, die für die Umsetzung der konzeptionell vorgesehenen Erziehungsarbeit notwendig sind. Umfasst das Erziehungssetting Arbeit mit Gruppen und den damit spezifisch verbundenen Auseinandersetzungen (Gruppensitzungen, Gruppentherapien, Auseinandersetzungen über das gemeinsame Gestalten des Alltages, Gruppenaktivitäten etc.), so ist der absolut geschützte Persönlichkeitskreis viel enger zu fassen (sind also mehr Informationen zulässig) als z.B. in einem Lehrlingswohnheimen, in welchen in der Regel kein Betreuungssetting besteht, und damit auch keine Notwendigkeit die spezifischen individuellen Problemstellungen Einzelner den anderen bekannt zu geben.

Es ist somit eine fachliche Beurteilung und Entscheidung, was für die Zielerreichung im Erziehungsalltag an Informationen über die einzelne Person in der Gruppe zulässig ist oder nicht. Vorab ist zu beurteilen, ob das angestrebte Ziel nicht auf andere Art und Weise als durch die Bekanntgabe von persönlichkeitsrelevanten besonders schützenswerten Informationen möglich ist. Ist dies nicht der Fall empfiehlt es sich in der Praxis, wenn heikle persönlichkeitsbezogene Informationen aus Sicht der Fachpersonen transparent gemacht werden müssen, dies mit der betroffenen Person vorzubesprechen und gemeinsam zu planen, wie die Information erfolgt und wie allenfalls mit entsprechenden Reaktionen umgegangen wird. Zudem ist bei der entsprechenden Information abzuwägen, welche Informationen in welchem Detaillierungsgrad notwendig sind, damit das angestrebte Ziel der fachlich angestrebten Auseinandersetzung innerhalb der Gruppe/Institution erreicht werden kann.

Ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesen Ausführungen Hinweise zum Umgang mit dieser Thematik geben konnte, auch wenn die Antwort aufgrund der sehr allgemein gestellten Frage auch sehr allgemein ausfällt.

Kulmerau, 20. Januar 2020/Urs Vogel