Als Folge der Coronakrise musste eine Klientin unseres Sozialdienstes ihre Firma (Cafeteria) aufgeben. Sie meldete sich nach Geschäftsauflösung bei RAV und Unia an, um ALG zu erhalten. Nun verlangt die Unia die Löschung der Firma aus dem Handelsregister. Die ALV sagt, sie wird erst ab Zeitpunkt der Löschung Arbeitslosengelder auszahlen. Die Klientin meint, sie könne die Löschung der Firma nicht beantragen, solange Schulden bestehen. Da sie nicht liquid ist, kann sie sich zur Zeit jedoch weder die Begleichung ihrer Schulden noch einen Privatkonkurs bezahlen. Die Klientin bezieht zur Zeit Sozialhilfe zur Bevorschussung der ALG.
Frage beantwortet am
Daniel Schilliger
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Guten Tag
Personen in einer arbeitgeberähnlichen Stellung haben gemäss Art. 31 Abs. 3 AVIG keinen Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung der ALV. Deshalb sollen Sie auch keinen Anspruch auf eine Arbeitslosentschädigung haben, solange sie noch auf das Unternehmen Einfluss nehmen können, auch wenn dies nicht explizit so im Gesetz (Art. 8 AVIG) vermerkt ist (BGE 123 V 234). Hintergrund dieser Regelung ist die, dass selbständige Personen oder solche, die zwar angestellt sind, aber massgeblichen Einfluss auf eine Firma haben, ein unternehmerisches Risiko tragen. Sie profitieren davon, in dem sie sich selber bei gutem Geschäftsgang hohe Boni etc. auszahlen können. Entsprechend sollen sie bei schlechtem Geschäftsgang das Betriebsrisiko auch selber tragen und nicht an die ALV auslagern können.
Dabei geht es nicht um einen konkreten Missbrauchsvorwurf oder -verdacht. Es reicht, dass diese Personen wegen ihrer Stellung die Möglichkeit haben den Geschäftsgang erheblich zu beeinflussen.
Das betrifft unter anderem Personen, die nach AHVG als unselbstständig Erwerbende Lohn erzielen (z. B. in AG, GmbH oder Genossenschaft) und einen massgebenden Einfluss auf die Entscheidfindung des Betriebes haben.
Bei einer GmbH ergibt sich der massgebliche Einfluss eines Gesellschafters oder einer Gesellschafterin (mit oder ohne Geschäftsführerfunktion) bereits aus der Gesellschafterstellung an sich (BGE 145 V 200). Daher verfügt die ALK in diesen Fällen den Ausschluss ohne weitere Prüfung (AVIG Praxis B17).
Damit eine versicherte Person Anspruch auf ALE hat, muss ihr Ausscheiden aus der Firma bzw. die Aufgabe der arbeitgeberähnlichen Stellung definitiv sein. Dieses Ausscheiden muss anhand eindeutiger Kriterien beurteilt werden können, welche keinen Zweifel am definitiven Austritt aus der Firma übrig lassen (AVIG Praxis B 25). Dass eine GmbH seit einiger Zeit keinen Umsatz mehr erzielt oder vorübergehend stillgelegt wird, hindert die versicherte Person nicht daran, die Firma allenfalls zu reaktivieren. Auch die Absichtsäusserung, die Unternehmung zu liquidieren, ist nichts definitives (EVG C 235/03).
Gemäss B27 AVIG Praxis wird der Eintrag im Handelsregister von der Rechtsprechung als wichtiges und einfach zu handhabendes Kriterium berücksichtigt, um eine arbeitgeberähnliche Stellung zu beurteilen. Grundsätzlich wird erst mit der Löschung des Eintrags der arbeitgeberähnlichen Person im Handelsregister (SHAB-Publikation) für Dritte in verlässlicher Weise kundgetan, dass die Person definitiv aus der Firma ausgetreten ist bzw. die arbeitgeberähnliche Stellung endgültig aufgegeben hat. Das gilt aber nicht absolut: Widersprechen die tatsächlichen Gegebenheiten eindeutig und nachweislich dem HR-Eintrag, ist von den tatsächlichen Gegebeheiten auszugehen. Kann z. B. der tatsächliche Rücktritt in zeitlicher Hinsicht anhand eines Beschlusses der Generalversammlung (Rücktritt aus dem Ver-waltungsrat) oder einer notariellen Urkunde (z. B. Übertragung der GmbH-Stammanteile an Drittperson) nachgewiesen werden, ist bereits dieser Zeitpunkt für das definitive Ausscheiden entscheidend.
Zusammenfassendwird die ALE ab dem Zeitpunkt ausgerichtet, aber dem zweifelsfrei keine Einflussnahme auf den Betrieb und auch kein Reaktivieren des Betriebes mehr möglich ist. die Löschung des HR-Eintrages kann hier ein wichtiges Beweismittel sein, ist aber nicht zwingend, wenn es andere eindeutige Beweisemittel gibt.
freundlicher Gruss
Daniel Schilliger