Sehr geehrte Damen und Herren
Ausgangslage:
Es handelt sich um ein Ehepaar, wo die Ehefrau eine Liegenschaft in die Ehe gebracht hat (Eigengut). Der Ehemann verfügt über kein Eigengut, jedoch über hohe Schulden, u.a. Sozialhilfeschulden.
Das Ehepaar untersteht der Errungenschaftsbeteiligung. Während der Ehe wurde die Liegenschaft der Ehefrau (das Ehepaar bewohnte diese mehrere Jahre lang eigenständig) verkauft (ca. CHF 500'000,- Verkaufserlös).
Beide sind nun IV-Rentner (vor dem Hausverkauf war es nur sie, er war von der wirtsch. Sozialhilfe abhängig) und über 60 J. alt (sie 63 J. und er 60 J.).
Beide leben gesundheitsbedingt in einem Altersheim (separate Zimmer); mit Aussicht auf nachhaltigen Verbleib dort. Beide sind verbeiständet (ohne Einschränkung der Handlungsfähigkeit).
Die EL-Stelle stellt sich nun auf den Standpunkt, die Ehefrau (bzw. ihr Beistand) müsse den Verkaufserlös ihres Eigenguts, im Rahmen ihrer ehelichen Unterhaltspflicht, auch für die anfallenden Altersheimrechnungen des Ehemannes verwenden, womit sie beide im Moment keinen Anspruch auf die EL hätten. Bis zum Zeitpunkt des Hausverkaufes wurden die enormen Sozialhilfeschulden (ca. CHF 130'000.00) des Ehemannes bei der EL immer als Schulden akzeptiert, durch dies gab es einen EL-Anspruch.
Aufgrund des Verkaufes stellte sich die EL auf den Standpunkt, dass hier WEL Rz 3444.02 zur Anwendung kommen müsse.
Wobei aber der Ehemann aufgrund des Verkaufs eben nicht in finanziell günstigere Verhältnisse gelangt, nur seine Ehefrau, und die Sozialhilfe keine Rückerstattung von ihm verlangen kann.
WEL Rz 3444.02 Rechtmässig bezogene Sozialhilfeleistungen, die nicht mit rückwirkend ausgerichteten Leistungen Dritter verrechnet werden können, müssen zurückerstattet werden, wenn die ehemals unterstützte Person in günstige finanzielle Verhältnisse gelangt. Die bezogenen Leistungen sind ab dem Zeitpunkt als Schulden in der EL-Berechnung zu berücksichtigen, in dem die Voraussetzungen für die Rückerstattung erfüllt sind und die Rückforderung von der zuständigen Sozialhilfebehörde rechtskräftig verfügt worden ist.
Meine Fragen:
- Darf die EL-Stelle das Eigengut der Ehefrau im Rahmen des ehelichen Vermögens dem Ehemann als Vermögen anrechnen, womit sein Anspruch auf die EL verneint wird? Darf sie dies auch rückwirkend machen?
- Darf die wirtsch. Sozialhilfe die Schulden des Ehemannes nun von der Ehefrau zurückfordern?
Ich danke Ihnen für Ihre geschätzte Antwort und bitte Sie um Angaben der entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen, bzw. der Rechtsprechung, zu Ihren Antworten.
Mit freundlichen Grüssen
Frage beantwortet am
Peter Mösch Payot
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Guten Tag!
Gerne beantworte ich Ihre Anfrage:
Zuerst zur generellen rechtlichen Einschätzung des EL-Anspruchs
Bzgl. den Ergänzungsleistungen gilt Folgendes.
Beide Ehegatten haben über ihre je eigene IV-Rente einen eigenständigen Anspruch auf EL. Sie wohnen beide in einem Heim.
Für die Berechnung gilt dabei Art. 9 Abs. 3 ELG:
Daraus ergibt sich, dass bei Ehepaaren, von denen ein Ehegatte oder beide in einem Heim oder Spital leben, die jährliche Ergänzungsleistung für jeden Ehegatten gesondert berechnet werden.
Für die Details der Berechnung der EL beider Ehegatten in dieser Konstellation kommt Art. 4 und Art. 5 ELV zur Anwendung. Vgl. dazu auch Rz 3142.01ff. WEL (zu finden unter: https://sozialversicherungen.admin.ch/de/d/6930#versions=19)
Art. 5 ELV besagt, dass die anerkannten Ausgaben demjenigen Ehegatten zugerechnet, den sie betreffen. Das betrifft hier vor allem die Heimtaxen, der Beitrag für persönlichen Bedarf und die Krankenkassenprämien. Sollte es daneben um Ausgaben beide Ehegatten gehen, so werden sie je hälftig angerechnet.
Für die anrechenbaren Einnahmen und die Freibeträge enthält Art. 4 ELV folgende hier relevante Regeln:
- Die anrechenbaren Einnahmen der beiden Ehegatten werden im Prinzip zusammengerechnet. Der Totalbetrag wird anschliessend hälftig auf die Ehegatten aufgeteilt.
- Von der Zusammenrechnung und hälftigen Aufteilung sind aber einige Aspekte ausgenommen. Das heisst, dass bei folgenden Einnahmen je spezfisch dem Ehegatten angerechnet werden, den sie betreffen:
- Leistungen der Kranken- und Unfallversicherung an den Heim- oder Spitalaufenthalt;
- Hilflosenentschädigungen, die nach Artikel 15b angerechnet werden können;
- der Mietwert der von einem Ehegatten bewohnten Liegenschaft;
- der Vermögensverzehr.
Für die Freibeträge beim Vermögen gelten die Werte für Ehepaare (Art. 4 Abs. 2 ELV).
Im vorliegenden Fall ist nun entscheidend, wie das Vermögen bestimmt wird, dessen Verzehr dann je bei den Ehegatten spezifisch als Einnahme angerechnet wird.
Tatsächlich ist diese Frage weder im ELG, noch im ELV, auch nicht in der Wegleitung EL (WEL, Rz. 3142.01 ff. WEL) explizit geregelt. Auch die Literatur (etwa Carigiet/Koch) schweigt sich dazu aus.
Das Fallbeispiel 13.2. in der WEL geht ohne weitere Begründung wohl davon aus, dass das gesamte eheliche Vermögen in toto verwendet wird und davon dann der Freibetrag für Ehepaare im Sinne von Art. 4 Abs. 2 ELV abgezogen wird.
Nach der mir bekannten Praxis folgern aber einige EL-Stellen/Ausgleichskassen aus Art. 4 Abs. 4 lit. d ELV, wonacht der Vermögensverzehr spezifisch als Einnahme zu berücksichtigen ist, dass auch die Berechnung des Vermögens (als Grundlage für den Verzehr) spezifisch pro Ehegatte zu erfolgen hat. Das heisst, dass je das Vermögen berücksichtigt wird, das zum Eigengut gehört (was z.B. in die Ehe eingebracht wurde. Das Vermögen der Errungenschaft ist je die Hälfte bei jedem Ehegatten zu berücksichtigen.
Ich halte dies für nachvollziehbar; dazu passt allerdings nicht, dass Art. 4 Abs. 2 ELV die Vermögens-Freibeträge für Ehegatten für anwendbar erklärt.
Die Sache ist also nicht ganz klar, und es wäre sicherlich nicht falsch, sie in einem geeigneten Fall einer richterlichen, bzw. höchstrichterlichen Klärung zuzuführen.
Bezogen auf Sozialhilfeschulden ist zu beachten, dass diese gemäss der aktuellen Wegleitung grundsätzlich bei der Bestimmung des Vermögens in der EL zu berücksichtigen sind, also zur Bestimmung des Nettovermögens abzuziehen sind, wenn die Voraussetzungen für die Rückerstattung erfüllt sind und eine entsprechende rechtskräftige Verfügung vorliegt (vgl. WEL Rz. 3444.02; siehe dazu auch BGer 9C 365/2018 vom 12. September 2018, der insoweit auch in weitergehenden Fällen, wo die Schuld klar ist, aber noch nicht verfügt wurde, ebenfalls eine Berücksichtigung für die Bestimmung des Nettovermögens in der EL vorsieht).
Wenn nun das Vermögen bei Ehegatten in der Konstellation, wo beide im Heim sind, gemeinsam berücksichtigt wird (wofür das Fallbeispiel 13.2 in der WEL und die Berücksichtigung der Freibeträge für Ehegatten gemäss Art. 4 Abs. 2 ELV sprechen), so müsste konsequenterweise auch die Sozialhilfeschuld Berücksichtigung finden bei der Bestimmung des Nettovermögens, dessen Verzehr dann auf beide Ehegatten aufgeteilt wird.
Wenn aber, wie aus meiner Sicht überzeugender, das Vermögen individuell bestimmt würde, so stellt sich die Frage, bei wem die Sozialhilfeschuld zu berücksichtigen ist. Insoweit ist zu beachten, dass sozialhilferechtliche Schulden wegen späteren günstigeren Verhältnissen meist auch die Hilfe betreffen kann, die für den Ehegatten gewährt wurde (vgl. etwa für den Kanton Zürich § 27 Abs. 2 SHG). Meist ist also entscheidend, ob man verheiratet war während dem Bezug der Sozialhilfe (ev. eines getrennt lebenden Ehegatten) Je nach Art und Verfügung der Sozialhilfeschuld kann es also unterschiedlich sein, wer diesbezüglich Schuldner ist: Es müsste also die Sozialhilfeverfügung darauf hin untersucht werden, wer als Schuldner genannt ist, und ob tatsächlich die Voraussetzugnen für die Rückerstattung gegeben sind. Wenn die Schuld beide Ehegatten betrifft, wäre sie EL-rechlich wohl zumindest je hälftig bei jedem Ehegatten zu berücksichtigen (analog Errungenschaft), zumindest wenn die Voraussetzung im Sinne von WEL Rz. 3444.02 gegeben ist und die Schuld verfügt wurde.
Mit Blick auf den konkreten Fragen heisst dies, dass die EL, falls sie das Vermögen hier global berücksichtigt, sowohl das Vermögen aus dem Eigengut der Ehefrau, als auch die Sozialhilfeschulden vorab bei der Berechnung berücksichtigen kann. Folgt sie hingegen der anderen Praxis, das Vermögen je individuell zu bestimmen, so wäre Vermögen aus dem Eigengut nur bei der Ehefrau berücksichtigbar und wirtschaftlich relevante Schulden bei dem Ehegatten, bei dem sie bestehen, bzw. bei beiden je hälftig, wenn sie gemeinsam bestehen.
Beide Praxen kommen vor. Soweit im vorliegenden Fall die für Ihre Klient:in unverteilhafte Praxis gewählt wurde, rate ich auf der Basis der oben unter A genannten Argumente eine Verfügung zu verlangen und eine Einsprache zu prüfen, ev. auch den Weiterzug vor eine gerichtliche Instanz
Für die zweite Frage der Rückforderung der Sozialhilfe ist alleine das anwendbare Sozialhilfegesetz relevant. Eine Rückforderung muss auf den jeweiligen kantonalen Bestimmungen beruhen. Je nach kantonalen Regeln kann eine Rückforderung einer Sozialhilfeschuld auch Ehegatten betreffen. Meist vor allem in den Fällen, wo während des Bezuges der Sozialhilfe eine Ehe (z.B. getrennt) noch bestand. Dafür sind aber die anwendbaren kantonalen Bestimmungen genauer zu analysieren. Formal wäre auf jeden Fall eine Verfügung oder eine gesetzlich basierter verwaltungsrechtlicher Vertrag notwendig, damit eine entsprechende Schuld entstehen kann.
Ich hoffe, das dient.