Guten Tag Herr Pärli
Mein Klient/meine Klientin hat von seinem/ihrem letzten Arbeitgeber eine Anzeige betreffend Schwarzarbeit, Diebstahl und Hehlerei erhalten. Im Weiteren hat der/die Klient/in diverse Schulden bei Krankenkasse und noch weiteren Instanzen.
Der/die Klient/in hat einen B-Ausweis, berechtigt für Arbeit und ist aus einem EU/EFTA-Staat.
Der/die Klient/in hat eine Arbeit in Solothurn gefunden (Arbeitsvertrag noch nicht unterschrieben) und zieht deshalb vor nach oder in den Kanton Solothurn zu ziehen.
Uns stellen sich zwei Fragen:
Darf der/die Klient/in mit den beschrieben Umständen den Wohnkanton wechseln und darf der/die Klient/in die Arbeit in einem anderen Kanton aufnehmen?
Falls nicht, was kann das Klientel unternehmen, damit er den Kantonswechsel machen könnte?
Da wir über die beschriebene Situation unsicher sind, wären wir froh für Ihre schriftliche Rückmeldung idealerweise mit Artikeln.
Vielen lieben Dank für Ihre Bemühungen und Rückmeldung.
Frage beantwortet am
Kurt Pärli
Expert*in Arbeitsrecht
Guten Tag
Gerne nehme ich mit etwas Verspätung Stellung zu der von Ihnen aufgeworfenen Fragen. Vorab halte ich fest, dass es sich hier um ausländerrechtliche Fragen handelt und nicht in meinen Kernkompetenz fallen.
Sie erwähnen, Ihr Klient sei EU-Bürger und sei in ausländerrechtlichen Hinsicht Inhaber eines B-Ausweises. Die Aufenthaltsbewilligung B kann von der zuständigen kantonalen Behörde widerrufen werden, wenn ein Widerufsgrund nach Art. 62 Ausländer- und Integrationsgesetz (AIG) vorliegt.
Die Bestimmung lautet:
Art. 62 Widerruf von Bewilligungen und anderen Verfügungen
1 Die zuständige Behörde kann Bewilligungen, ausgenommen die Niederlassungsbewilligung, und andere Verfügungen nach diesem Gesetz widerrufen, wenn die Ausländerin oder der Ausländer:
a. oder ihr oder sein Vertreter im Bewilligungsverfahren falsche Angaben macht oder wesentliche Tatsachen verschwiegen hat;
b. zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde oder gegen sie eine strafrechtliche Massnahme im Sinne der Artikel 59–61 oder 64 StGB angeordnet wurde;
c. erheblich oder wiederholt gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Schweiz oder im Ausland verstossen hat oder diese gefährdet oder die innere oder die äussere Sicherheit gefährdet;
d. eine mit der Verfügung verbundene Bedingung nicht einhält;
e. oder eine Person, für die sie oder er zu sorgen hat, auf Sozialhilfe angewiesen ist;
f. in rechtsmissbräuchlicher Weise versucht hat, das Schweizer Bürgerrecht zu erschleichen, oder ihr oder ihm dieses aufgrund einer rechtskräftigen Verfügung im Rahmen einer Nichtigerklärung gemäss Artikel 36 des Bürgerrechtsgesetzes vom 20. Juni 2014 entzogen worden ist;
g. eine Integrationsvereinbarung ohne entschuldbaren Grund nicht einhält.
2 Unzulässig ist ein Widerruf, der nur damit begründet wird, dass ein Delikt begangen wurde, für das ein Strafgericht bereits eine Strafe oder Massnahme verhängt, jedoch von einer Landesverweisung abgesehen hat.
***
Sie erwähnen eine Anzeige des Arbeitgebers im Zusammenhang mit der letzten Stelle. Gemäss Ihren Angaben liegt noch keine Verurteilung vor. Je nach Schwere des Deliktes kann die Behörden die Aufenthaltsbewilligung entziehen. aber wie erwähnt, erst nach einer strafrechtlichen Verurteilung. Solange keine anderen Widerrufsgründe vorliegen, wird der B-Ausweis nicht entzogen.
Sie fragen, ob die laufenden Verfahren einen Einfluss haben auf das Recht, den Kanton zu wechseln bzw. ein neues Arbeitsverhältnis einzugehen.
Als EU-Bürger mit B-Ausweis besteht ein Anspruch auf Stellen- und Berufswechsel auch zur Aufnahme einer selbstständigen Erwerbstätigkeit. Der entsprechende Ausweis gilt für das ganze Gebiet der Schweiz. Bei einem Kantonswechsel ist indes erforderlich, dass sich die betreffende Person innerhalb von 14 Tagen nach Wohnsitzverletzung bei der Einwohnergemeinde meldet.
Für weitere Informationen konsultieren Sie die folgenden Webseiten: http://www.sem.admin.ch (FQA - Fragen zur Personenfreizügigkeit, Unterkapitel Stellen- oder Wohnortswechsel.
Genügen Ihnen diese Auskünfte? Mit Dank für die Kenntnisnahme und freundlichen Grüssen - Kurt Pärli