Die Klientin, Gebdatum 06.05.1959, bezieht gemäss Bescheinigung eine ganze IV-Rente, dabei wurde auf der Bescheinigung folgender Vermerk angebracht:
IV-Grad beträgt: 60 %
Da die Versicherte ab 1.8.2015 ebenfalls Anspruch auf eine Witwenrente hat, hat sie ab diesem Zeitpunkt Anspruch auf eine ganze IV-Rente.
Infolge Geldknappheit wurde aufgrund der ganzen IV-Rente das Gesuch um Bezug des Geldes auf dem Freizügigkeitskonto gestellt. Dieses wurde vom Vorsorgeträger abgelehnt mit der Begründung, dass der Anspruch auf Auszahlung der Freizügigkeitsleistung nur geltend gemacht werden könne, wenn dem Vorsorgenehmer eine volle IV-Rente ausgerichtet würde. Dies sei aber erst ab einem IV-Grad von 70 % der Fall. Somit könne das Guthaben nicht bezogen werden.
Frage:
Ist diese Aussage korrekt, oder macht es Sinn hier zu insistieren, wobei es sich um Privatrecht handelt, und das Guthaben auf dem Prozessweg eingeholt werden müsste.
Frage beantwortet am
Peter Mösch Payot
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Sehr geehrte Frau Müller
Die Frage, ob und inwieweit bei Leistungen der IV Freizügigkeitsleistungen vor dem Erreichen der Altersgrenze bezogen werden können richtet sich nach dem Frezügigkeitsgesetz (FZG) und der Freizügigkeitsverordnung (FZV).
Für den Fall der Invalidität gilt, dass entweder für diesen Fall Versicherungsleistungen in einer Vorsorgepolice vorgesehen sind (dann sind die Freizügigkeitspolicen meist bei Versicherungen vorgesehen) im Sinne von Art. 10 Abs. 2 FZV.
Oder es besteht ein Freizügigkeitskonto OHNE Versicherungsschutz bei Invalidität. Zweiteres dürfte in Ihrem Fall vorliegen soweit ersichtlich. Für diese Formen der Freizügigkeitsleistungen gilt gemäss Art. 16 Abs. 2 FZV, dass nur bei einer vollen IV-Rente, also einem IV-Grad über 70%, ein Vorbezug möglich ist.
Sinn dieser Bestimmung ist, dass nicht ohne Weiteres der Vorsorgeschutz für das Alter im Falle einer Teil-Invalidität verloren geht.
Zu prüfen ist in Ihrem Fall aber, ob für die vorliegende Invalidität seitens einer Pensionskasse Leistungen geschuldet werden (was der Fall wäre, wenn die Arbeitsunfähigkeit, die zur Invalidität führte, zu einem Zeitpunkt eintrat, während dem Vorsorgeschutz bestand). In diesem Fall müsste die Freizügigkeitsleistung rückübertragen werden (vgl. Art. 3 Abs. 2 FZG) auf die leistungspflichtige Vorsorgeeinrichtung (PK) und würde so rentenbildend wirken.
Ich hoffe, das dient Ihnen.
Peter Mösch Payot