Sehr geehrter Herr Pärli
Eine Mitarbeiterin kommt circa einmal im Monat nicht zur Arbeit. Sie begründet ihre Absenz mit dem Ausfall der Betreuungsperson ihres 2 Jahre alten Kindes. Das Kind selbst ist gesund. Was sagt das Arbeitsrecht dazu? Wie müssen die Stunden der Mitarbeiterin berechnet werden? Zu Lasten des Arbeitgebers oder Arbeitnehmers?
Vielen Dank im Voraus.
Freundliche Grüsse
Jörg Pieper
Frage beantwortet am
Kurt Pärli
Expert*in Arbeitsrecht
Sehr geehrter Herr Pieper
Gerne beantworte ich Ihre Frage wie folgt:
Grundsätzlich sind Arbeitnehmende verpflichtet, die vertraglich vereinbahrte Arbeitsleistung zur abgemachten Zeit zu erbringen. Es gilt der Grundsatz "Ohne Arbeit kein Lohn".
Nun sieht aber das Gesetz einige Ausnahmen von diesem Grundsatz vor. Vorliegend relevant ist Art. 324a OR:
2. bei Verhinderung des Arbeitnehmers
a. Grundsatz
1 Wird der Arbeitnehmer aus Gründen, die in seiner Person liegen, wie Krankheit, Unfall, Erfüllung gesetzlicher Pflichten oder Ausübung eines öffentlichen Amtes, ohne sein Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert, so hat ihm der Arbeitgeber für eine beschränkte Zeit den darauf entfallenden Lohn zu entrichten, samt einer angemessenen Vergütung für ausfallenden Naturallohn, sofern das Arbeitsverhältnis mehr als drei Monate gedauert hat oder für mehr als drei Monate eingegangen ist.
Ein zweijähriges Kind erfordert Betreuung. Eltern sind hierzu gesetzlich verpflichtet (Art. 276 ZGB). Damit liegt grundsätzlich eine Verhinderung des Arbeitnehmers vor und zwar unabhängig davon, ob das Kind krank ist. Nun stellt sich die weitere Frage, ob diese Verhinderung verschuldet ist oder nicht. Wenn die Arbeitnehmerin bsw. gar keine Betreuungsperson organisiert hat oder sich nicht in angemessener Zeit um einen Ersatz der ausgefallenen Betreuungsperson kümmert, wäre die Verhinderung nicht mehr unverschuldet und die Arbeitgeberin würde keinen Lohn nach Art. 324a OR schulden.
Weiter ist Voraussetzung der Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers, dass die betreffende Arbeitnehmerin ihren "Lohnfortzahlungskredit" noch nicht aufgebraucht hat. Art. 324a Abs. 2 gewähnt eine Lohnfortzahlung (insgesammt, für alle in Art. 324a Abs. 1 OR genannten Gründe) während längstens drei Wochen im ersten Dienstjahr und anschliessend für eine angemessene längere Zeit. Für die Feststellung dieser angemessenen längeren Zeit ist auf die sogenannten Skalen abzustellen (Berner, Basler- und Zürcher-Skalen, Grundsatz: je länger das Arbeitsverhältnis gedauert hat, desto länger besteht auch die Lohnfortzahlungspflicht).
Was bedeutet dies alles für Ihren Fall? Vorab muss die Arbeitnehmerin das Vorhandensein der Tatbestandselemente beweisen. Das heisst, die Arbeitnehmerin muss darlegen können, dass sie die Betreuung ihres Kindes sachgerecht organisiert hat (ansonsten kann sie den Arbeitsvertrag von vorneherin nicht erfüllen). Dann muss sie weiter beweisen, dass die Betreungsperson ausgefallen ist UND dass es nicht möglich war, eine Ersatzperson zu finden. Wenn die Betreungsperson immer wieder ausfällt, muss die Arbeitnehmerin eine andere Lösung finden. Damit die Arbeitgeberin den Lohn schuldet, ist weiter Voraussetzung, dass der Lohnfortzahlungskredit für das fragliche Dienstjahr noch nicht aufgebraucht ist (z.B. durch eigene krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit.
Genügen Ihnen diese Auskünfte?
Mit Dank für die Kenntnisnahme und freundlichen Grüssen
Kurt Pärli