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Betreibungsrechtliche Beurteilung von EL/Verrechnung von EL mit Forderungen

Veröffentlicht:
04.10.2017
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht

Guten Tag
mein Klient, IV-Rentner, mit Familie (4 Kinder) erhielt eine korrigierte EL-Berechnung für die letzten 5 Jahre. Die EL-Stelle hat herausgefunden, dass er nachträglich Kinderzulagen erhalten hat, die zuerst in der EL-Berechnung nicht existierten und dass der Lohn der Ehefrau temporär etwas höher war als ursprünglich angegeben. Diese Veränderungen hat er der EL-Stelle nicht gemeldet. Nun werden ihm die zu viel ausbezahlten EL-Beträge (in 5-stelliger Höhe)in Rechnung gestellt. Da kein Vermögen vorhanden, kann mein Klient die Forderung nicht begleichen.
Ich habe einmal gelernt, dass gemäss SCHKG EL und Sozialhilfe nicht betrieben werden können. Ist dies noch so? Darf die EL-Stelle die Forderung mit den laufenden EL-Zahlungen verrechnen/teilweise verrechnen, was ja indirekt eine Sanierung wäre. Wenn ja, bis zu welcher Höhe?
Besten Dank für Ihre Rückantwort & freundliche Grüsse
Anja Keller

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Sehr geehrte Frau Keller
Rückforderungen der EL wegen zu hohen Bezügen können mit fälligen Ergänzungsleistungen sowie mit fälligen Leistungen aufgrund anderer Sozialversicherungsgesetze verrechnet werden, soweit diese Gesetze eine Verrechnung vorsehen. Dies besagt Art. 27 der Verordnung über die Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELV; SR 831.301).
In diesem Sinn sieht zum Beispiel auch Art. 20 Abs. 2 lit. b des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG; SR 831.10) vor, dass Rückforderungen von Ergänzungsleistungen mit fälligen Leistungen (nach AHVG) verrechnet werden können.
Wie bei der Situation bei einer Betreibung (vgl. Art. 93 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs [SchKG; SR 281.1]) sowie in Anwendung von Art. 125 Abs. 2 des Obligationenrechts (OR; SR 220) ist bei der Verrechnung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts eine Verrechnung ausgeschlossen, soweit die Einkünfte des Versicherten das betreibungsrechtlich massgebende Existenzminimum nicht erreichen (siehe schon BGE 107 V 72 = ZAK 1983 S. 70).
Dies gilt aber nicht, wo pfändbares Vermögen vorhanden ist und herangezogen werden kann.
Dies ist sowohl in der zweiginternen wie auch in der zweigübergreifenden Verrechnung zu beachten.
Wo beispielsweise eine laufende monatliche Rente gekürzt werden soll, ist das Existenzminimum monatlich zu respektieren (BGE 111 V 103). Auch bei einer Verrechnung mit fälligen EL darf das betreibungsrechtliche Existenzminimum nicht unterschritten werden.
Eine Verrechnung ist darüber hinaus auch ausgeschlossen, wenn zwar das monatliche betreibungsrechtliche Existenzminimum nicht angetastet ist, aber die Differenz zwischen dem jährlichen Bruttoeinkommen und dem Existenzminimum kleiner ist als der Betrag der jährlichen EL (WEL (Stand 1.1.2017), Rz. 4640.02; siehe dort auch div. Berechungsbeispiele in Anhang 11; siehe schon ZAK 1988, S. 481).
Ich hoffe, das dient Ihnen.
Prof. Peter Mösch

Sehr geehrter Herr Mösch,
besten Dank für Ihre Antwort, die sehr hilfreich ist für mich.
Freundliche Grüsse
Anja Keller