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Besitzstandsgarantie der HE

Veröffentlicht:
08.02.2018
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht

Liebes Expertenteam
Frau X beansprucht seit Ende 2016 wöchentlich mehr als 2 Stunden einen ambulanten Pflegedienst. Nach meiner Einschätzung ist der Hilfebedarf ausgewiesen und das Wartejahr erfüllt. Somit wäre eine Anmeldung für eine HE Lebenspraktisch angezeigt. Frau X denkt darüber nach sich Frühpensionieren zu lassen. Die Anmeldung müsste bis Ende März vorgenommen werden.
Ich gehe davon aus, dass die IV alle Verfahren einstellt, sobald sich jemand frühpensionieren lässt, jedoch den rückwirkenden Anspruch noch prüft.
Sollte sich Frau X für einen Rentenvorbezug entscheiden und die Anmeldung für die HE noch vorher einreichen, gilt dann bei einem positiven Entscheid über die HE die Besitzstandsgarantie?
Vielen Dank für Ihre Hilfe.
Freundliche Grüsse
Luzia Schwegler

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Liebe Luzia
Wer wegen einer gesundheitlichen Beeinträchtigung bei den alltäglichen Lebensverrichtungen dauernd auf die Hilfe Dritter oder auf persönliche Überwachung oder lebenspraktische Begleitung angewiesen ist, hat unter gewissen Bedingungen Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung, sowohl in der IV als auch unter etwas anderen Voraussetzungen in der AHV (Vgl. Art. 43bis AHVG; Art. 42ff. IVG). Die Hilflosenentschädigung wird unabhängig davon ausgerichtet, wer die nötige Hilfe, Begleitung und Überwachung geleistet hat. Sie dient also auch zur Abgeltung des Mehraufwands von Familienangehörigen.
Wenn die Voraussetzungen zum Bezug einer Hilflosenentschädigung erst nach Erreichen des Rentenalters erfüllt sind, oder wenn bei einem Vorbezug der AHV-Rente erst nach Beginn des Vorbezuges alle Voraussetzungen zum Bezug einer Hilflosenentschädigung (inkl. Ablauf der 1-jährigen Wartezeit) erfüllt sind, so wird eine Hilflosenentschädigung nach AHVG gewährt.
Die Hilflosigkeit wird im AHV-Alter im Prinzip gleich wie im IV-Alter bemessen. Allerdings wird bei der HE nach AHVG der Bedarf an lebenspraktischer Begleitung nicht berücksichtigt. Ebenso wird bei leichter Hilflosigkeit aus der AHV eine Entschädigung nur gewährt, wenn eine Person nicht in einem Heim lebt.
Wer bei Erreichen des AHV-Rentenalters (oder im Zeitpunkt eines allfälligen vorzeitigen Bezugs einer Altersrente) bereits eine Hilflosenentschädigung der IV bezieht, profitiert von der Besitzstandsgarantie: Die Hilflosenentschädigung wird mindestens in der bisherigen Höhe weitergewährt, und zwar solange sich der Grad der Hilflosigkeit und der Aufenthaltsort (Heim / zu Hause) nicht ändert. Vgl. dazu Art. 43bis AHVG.
Dabei gilt, dass die Besitzstandgarantie auch gilt für Personen, die im Rahmen einer Nachzahlung eine Hilflosenentschädigung rückwirkend für die Zeit vor der vorzeitigen Pensionierung erhältlich machen können (vgl. BGE 105 V 134 E. 1b). Dabei gilt, dass die HE höchstens zwölf Monate rückwirkend ausgerichtet wird (vgl. Art. 46 Abs. 1 AHVG, Art. 48 Abs.1 IVG).
Die Besitzstandgarantie gilt gemäss dem Kreisschreiben auch dann, wenn eine Hilflosenentschädigung der IV im Rahmen der Verjährungsvorschrift von Artikel 48 Absatz 2 IVG nachzuzahlen ist oder wegen Verjährung erst im Rentenalter beginnen kann (Vgl. RWL Rz. 8011, Stand 1.1.2018 ).
Ändert sich der Aufenthaltsort nach der Pensionierung so entfällt die Besitzstandgarantie. Tritt etwa z.B. eine Person mit einer Entschädigung für eine Hilflosigkeit leichten Grades nach Erreichen des Rentenalters in ein Heim ein, erlischt der Anspruch auf eine Entschädigung. (vgl. RWL, Rz 8011 RWL und Kreisschreiben über Invalidität und Hilflosigkeit in der Invalidenversicherung (KSIH), RZ. 8123ff.; Stand 1.1.2018 ).
Bezieht eine Person eine Hilflosenentschädigung auf Grund der Besitzstandsgarantie und erfolgt nach Erreichen des Rentenalters eine Verschlimmerung der Hilflosigkeit, so muss der Betrag der revidierten Hilflosenentschädigung mindestens so hoch sein als jener, welcher vor dem Rentenalter beansprucht wurde. Erfolgt aber eine Verbesserung, so gelten im AHV-Alter die Ansätze des AHVG (vgl. Kreisschreiben über Invalidität und Hilflosigkeit in der Invalidenversicherung (KSIH), RZ. 8127ff.; Stand 1.1.2018 ).
Fazit: Die Besitzstandgarantie für eine HE gilt dann, wenn der materielle Anspruch, alle Voraussetzungen, schon VOR dem Termin der frühzeitigen Pensionierung, also dem Eintritt des Versicherungsfalls Alters, eintreten oder bestanden haben.
Allerdings sind die Aufhebung des Besitzstandes nach der Pensionierung zu beachten, wenn sich die Situation verbessert oder wenn der oder die Betroffene den Aufenthaltsort ändert (Heim/zu Hause).
Ich hoffe, das dient Dir.
Prof. Peter Mösch Payot.

Lieber Peter
Vielen Dank für diese aufschlussreiche Antwort.
Liebe Grüsse
Luzia