Meine Klientin ist zz im Zwischenverdienst. Sie hat 2-3 Arbeitgeber, welche ihr zum Teil viel Arbeit versprechen, aber es ist eher stundenweise und auf Abruf. Aufgrund dieser Jobs wurde ihr Deutschkurs vom RAV im Herbst 2024 abgesagt. Sie braucht intensive Hilfe von freiwilligen Institutionen, ihr Deutsch ist münd. und schriftlich sehr schlecht und sie kann den PC nicht bedienen. Es wird ihr beim Bewerben geholfen. Der RAV Berater ist informiert und hat im Herbst 2024 per Anfang 2025 einen Job Coach in Erwägung gezogen. Er konnte damals nicht garantieren, dass sie keine Sanktion erhalten hätte, wenn sie ihren Job auf Stundenlohn ausgeschlagen hätte.
Mind. ein Arbeitgeber verspätet sich mit dem Zwischenverdienstformular (Nov-Lohn wurde Ende Dez eingereicht, für Dez-Lohn auf Nachfrage am 15.1.). Die Arbeitslosenkasse hat nicht gesehen, dass das Formular vom AG falsch ausgefüllt war, und es wurden CHF 400.00 zuviel ausbezahlt. Drei Tage später folgte die Rückforderung, welche nun bei der nächsten Auszahlung abgezogen wird.
Die Klientin ist alleinerziehend von drei Kindern, zwei davon sind bereits volljährig und werden beim WSH Budget nicht angerechnet, daher hat sie keinen Anspruch. Ohne diese 400 Franken kommt sie noch mehr in finanzielle Not.
Ich bin der Meinung, dass die Klientin alle Pflichten erfüllt und alles richtig gemacht (nimmt jede Arbeit aus Angst vor Sanktionen an, reicht alle Unterlagen pünktlich ein, bittet die AG mehrmals um Einreichen der Formulare, ..). Die Rückforderung ist nicht ihre Schuld.
Sie sollte doch das Recht haben, dass die ALK ihre Unterlagen sorgfältig prüft und sie sich auf die Abrechnung verlassen kann?
Frage: wie stehen die Chancen, sich dagegen zu wehren? Wie wäre das Vorgehen: Verfügung verlangen, Einsprache und gleichzeitig Härtefallgesuch? Und wie würden sie argumentieren?
Es ist nicht das erste Mal, dass eine Arbeitslosenkasse Fehler macht und die Kasse sich komplett aus der Verantwortung nimmt und die Klienten dann diese Fehler selber aushalten müssen. Bei einem anderen Fall musste der Klient monatelang auf eine Korrektur warten. Auch im Hinblick auf die damalige Situation:
Frage: Gibt es eine Beschwerdestelle, eine Art Ombudsstelle oder eine andere Möglichkeit sich zu beschweren?
Vielen Dank für ihre Einschätzung.
Frage beantwortet am
Peter Mösch Payot
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Gerne gebe ich hier eine Antwort.
Es geht um die Frage, ob und inwieweit die Arbeitslosenkasse eine Rückforderung geltend machen kann bein zu viel ausbezahlten Taggeldern. Und inwieweit die Rückforderung dann verrechnet werden darf.
- Die Rückforderung ist zulässig nach Massgabe von Art. 25 ATSG und Art. 4 ATSV: Unrechtmässig bezogene Leistungen sind zurückzuerstatten. Wer aber Leistungen in gutem Glauben empfangen hat, muss sie nicht zurückerstatten, wenn eine grosse Härte vorliegt.
Insoweit muss zunächst nachgewiesen sein, dass tatsächlich zu viel Leistungen gewährt werden.
Die Rückerstattung ist so dann zu erlassen, wenn die ALV-Taggelder in gutem Glauben empfangen wurden und eine Rückerstattung eine grosse Härte bedeuten würde. Letztere ist gegeben, wenn und soweit die Rückerstattung nach dem einer dem EL-Existenzminimum ähnelnden Rechnung (vgl. Art. 5 ATSV) ein Eingriff ins Existenzminimum bedeuten würde. Das dürfte vorliegend gemäss dem genannten Sachverhalt gegeben sein.
Der gute Glaube wiederum ist anzunehmen, wenn keine erhebliche Nachlässigkeit der betroffenen Person Grund dafür war, dass die unrechtmässige Leistung stattfand. Das scheint auch im vorliegenden Fall gegeben zu sein.
- Im vorliegenden Fall geht es um eine Verrechnung von laufenden ALV-Taggeldern. Eine solche ist mit einer Rückforderung wegen unrechtmässigem Bezug nur möglich, wenn dieser Rückforderungsanspruch besteht UND wenn er nicht erlassen wurde.
Verfahrensmässig hat die Arbeitslosenkasse der versicherten Person die Rückerstattung bzw. in Form einer Verfügung schriftlich zu erklären (vgl. BGE 141 V 139).
Für eine Verrechnung mit fälligen Leistungen müssen gemäss dem Kreisschreiben (vgl. Kreisschreiben RVEI, D 3ff.; im Internet verfügbar unter https://www.arbeit.swiss/secoalv/de/home/service/publikationen/kreisschreiben---avig-praxis.html) ist eine rechtskräftige Rückforderungsverfügung notwendig. Zudem ist der Ablauf der 30-tägigen Frist für das Erlassgesuch abzuwarten oder der rechtskräftige Erlassentscheid bzw. der Entzug der aufschiebenden Wirkung.
Eine Verrechnung einer Rückforderung kann erst bei Vorliegen einer rechtskräftigen Rückforderungsverfügung und eines allfälligen rechtskräftigen Erlassentscheides erfolgen. Gegen diese Verfügungen erhobene Rechtsmittel haben grundsätzlich aufschiebende Wirkung (BGE 130 V 407). Ein Entzug von dieser und eine sofortige Verrechnung müsste sofort
Gegen die Verfügung kann eine Einsprache gemacht werden und dabei ein Gesuch um Erlass der Rückerstattung gestellt werden. Erfolgt die Verrechnung direkt im Rahmen der ALV-Taggeld-Abrechnung, so kann seitens der versicherten Person direkt ein Gesuch um Erlass gestellt werden unter Verweis auf Art. 25 Abs. 2 ATSG. Im Gesuch kann etwa Folgendes verlangt.
Für das Vorgehen im vorliegenden Fall ist nun entscheidend, wie die Arbeitslosenkasse bisher vorging.
Erfolgt eine Rückerstattungsverfügung (wie korrekt), so muss innert 30 Tagen bei der kantonalen Amtsstelle eine Erlassgesuch gestellt werden (vgl. Art. 95 Abs. 3 AVIG).
Zu Argumentieren ist mit Art. 25 ATSG (grosse Härte und guter Glaube). Über dieses Gesuch ist seitens der kantonalen Amtsstelle mit einer Verfügung zu entscheiden.
Wenn eine Verrechnung erfolgte und eine ALV-Taggeldberechnung vorliegt, ohne dass vorgängig eine anfechtbare Rückerstattungsverfügung erfolgte, so ist gegen die Verfügung der Arbeitslosenkasse eine Einsprache zu machen. Erfolgte noch gar keine Verfügung, so ist eine solche zu verlangen.
Dabei ist zu verlangen,
- Die Arbeitslosentschädigung sei für den Monat XY/die Monate XY vollständig auszurichten und eine allfällig bereits erfolgte Verrechnung sei unmittelbar nachzuzahlen sei.
- Die Rückerstattung des unrechtmässigen Bezuges als Grundlage der Verrechnung der Arbeitslosentaggelder vom XY in der Höhe sei wegen gutem Glauben und grosser Härte zu erlassen (Art. 25 Abs. 2 ATSG).
- Eventualiter sei auf die Verrechnung zu verzichten, weil ihr der Eingriff ins betreibungsrechtliche Existenzminimum entgegensteht.
Ich hoffe, das dient.
Herzlicher Gruss
Peter Mösch Payot