Sehr geehrte Damen und Herren
Fallschilderung:
KL und seine Familie haben sich nach ihrer Rückkehr in die Schweiz am 01.10.2020 nicht innerhalb von 3 Monaten bei der Krankenkasse angemeldet. KL hat den Antrag bei der KK erst am 27.04.2021 eingereicht, weshalb die Familie nicht mehr rückwirkend per Einreisedatum versichert werden konnte. Nach telefonischer Rücksprache am 26.07.2021 mit der KK ziehe dies eine „Strafprämie“ bis Mitte Dezember 2021 nach sich. Für die ganze Familie ergibt diese „Strafprämie“ einen Betrag von total CHF 190.35 pro Monat, was einen erheblichen Betrag im Budget darstellt. Durch den Sozialdienst wurde im Anschluss einen schriftlichen Antrag auf Erlass oder zumindest einer Reduktion der Strafprämie bei der KK beantragt. Der Antrag wurde aber am 06.08.2021 ohne Begründung von der KK abgelehnt und sie bestehen auf die monatliche Bezahlung der Strafprämie.
Sind die Strafprämien in der Höhe von CHF 190.35 pro Monat im WSH-Budget zusätzlich zu berücksichtigen oder müssen diese von dem KL aus dem GBL bezahlt werden?
Besten Dank für Ihre Rückmeldung.
Frage beantwortet am
Anja Loosli
Expert*in Sozialhilferecht
Sehr geehrte Frau Bucher
Vielen Dank für Ihre Frage. Ich beantworte diese gerne wie folgt:
Es ist zwar gesetzlich zulässig, bei nicht entschuldbarem verspätetem Beitritt zu einer Krankenkasse die versicherte Person einen Prämienzuschlag entrichten zu lassen (Art. 5 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung vom 18. März 1994 [KVG, SR 832.10]). Allerdings besagt Art. 8 Abs. 2 der Verordnung über die Krankenversicherung vom 27. Juni 1995 (KVG, SR 832.102), dass kein Prämienzuschlag erhoben wird, wenn eine Sozialhilfebehörde für die Prämien aufkommt. Bezahlen Sie als Sozialhilfe die Prämien (Bevorschussung der Prämienverbilligung oder Differenz zwischen der Prämienverbilligung und der Prämie), so trifft dieser in Art. 8 Abs. 2 KVV genannte Sachverhalt zu. In diesem Fall darf die Versicherung kein Prämienzuschlag verlangen. Wenn sie sich weigert, darauf zu verzichten, wie sie dies vorliegend offenbar tut, dann können die Klienten oder allenfalls die Sozialhilfe im Namen der Klienten gestützt auf Art. 51 Abs. 2 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG, SR 830.1) eine anfechtbare Verfügung verlangen und die Verfügung mittels Einsprache (Art. 52 ATSG) anfechten.
Es ist zudem auch die Frage aufzuwerfen, ob die verspätete Anmeldung tatsächlich nicht entschuldbar ist oder mit anderen Worten, es sind alle Gründe ins Feld zu führen, weshalb die verspätete Anmeldung entschuldbar ist (wussten die Klienten z.B. nichts von der Versicherungspflicht oder von der Anmeldefrist? Ist es nachvollziehbar, dass sie davon nichts wussten und auch keine Veranlassung hatten, diese Frage zu klären) und deshalb auch aus diesem Grund kein Prämienzuschlag geschuldet ist.
Schlussfolgerung: Bezahlt die Sozialhilfe die Krankenkassenprämien, so ist der Prämienzuschlag weder von den Klienten mit dem Grundbedarf noch von der Sozialhilfe als Sozialhilfeleistung zu bezahlen. Vielmehr ist bei der Krankenkasse eine anfechtbare Verfügung zu verlangen und diese mittels Einsprache anzufechten, falls sie ablehnend ist.
Ergänzend sei ausgeführt, dass auch im Falle, wenn die Sozialhilfe keine Krankenkassenprämien bezahlt, weil die Prämienverbilligungen aktuell fliessen und diese die gesamten Prämien der obligatorischen Grundversicherung abdecken, meiner Ansicht nach Art. 8 Abs. 2 KVV zur Anwendung kommt, weil durch den Prämienzuschlag die Sozialhilfe diese Prämien bezahlen müsste (dies muss man daraus schliessen, dass es sich nach KVG und KVV beim Zuschlag um eine Erhöhung der Prämien handelt und die nichtgedeckte Prämie gemäss der Praxis im Kanton Luzern von der Sozialhilfe übernommen wird [siehe Sozialhilfehandbuch Kanton Luzern] und der Bundesrat offenbar nicht wollte, dass die Sozialhilfe den Prämienzuschlag bezahlen muss, wenn er Art. 8 Abs. 2 KVV eingeführt hat). Somit ist auch in diesem Fall der Prämienzuschlag nicht zu bezahlen, eine Verfügung zu verlangen und diese anzufechten.
Ich hoffe, Ihnen mit dieser Antwort weiterhelfen zu können.
Freundliche Grüsse
Anja Loosli Brendebach