Ich begleite eine Ehefrau, wo der Ehemann Klient von uns ist und schwerst an Alzheimer erkrankt ist. Per Zufall habe ich Ende 2019 entdeckt, dass eine Risikoversicherung (infolge Arbeitsausfall) in der EL-Berechnung nicht aufgeführt war. Da die Ehefrau des Klienten die damalige EL-Anmeldung (2017) nicht mehr hatte, bestellte sie diese bei der EL. Es hat sich bestätigt, dass die Risikoversicherung dannzumal bei der ersten EL-Anmeldung angegeben worden, aber bei der Berechnung nicht berücksichtigt worden ist.
Nun meine Frage: Kann es sein, dass eine Risikoversicherung – infolge Arbeitsausfall – in der EL-Berechnung nicht berücksichtigt wird? Falls ja, weshalb? Die Risikoversicherungszahlungen erfolgen übrigens einzig bis zur Pensionierung des Klienten. Er wird im April 2020 regulär pensioniert.
Falls die Risikoversicherung in der EL-Berechnung hätte berücksichtigt werden müssen, welches Vorgehen würden Sie vorschlagen? Für die Eheleute würde eine Rückforderung der EL-Zahlungen eine grosse Härte bedeuten.
Ich bin Ihnen um eine Rückmeldung dankbar und wünsche Ihnen einen schönen Tag.
Frage beantwortet am
Peter Mösch Payot
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Sehr geehrte Frau Dahinden.
Gemäss dem geltenden Art. 11 Abs. 3 ELG werden einzig folgende Einnahmen in der EL-Berechnung nicht angerechnet
a) Verwandtenunterstützungen nach den Artikeln 328–330 des Zivilgesetzbuches; b) Unterstützungen der öffentlichen Sozialhilfe; c) öffentliche oder private Leistungen mit ausgesprochenem Fürsorgecharakter; d) Hilflosenentschädigungen der Sozialversicherungen (mit Ausnahmen); e) Stipendien und andere Ausbildungsbeihilfen; f) Assistenzbeiträge der AHV oder der IV.
Bei Leistungen einer (Risiko-)Versicherung wäre von einer nicht anrechenbaren Leistung mit Fürsorgecharakter nur auszugehen, wenn es sich um eine freiwillige, nicht zu den eigentlichen Versicherungsleistungen gehörende Gutschrift oder Zahlung handeln würde (Wegleitung für die Ergänzungsleistungen, WEL, 1.1.2020, Rz. 3412.05)
Ansonsten gehören Leistungen aus einer Risiko- oder Arbeitsausfallversicherung zu den anrechenbaren Einnahmen. Vor diesem Hintergrund müsste gemäss ELG wohl eine Anrechnung erfolgen, bzw. hätte eine Anrechnung erfolgen müssen.
Es handelt sich also soweit ersichtlich hier um eine unrechtmässige Leistung, für welche im eine Rückerstattung im Prinzip geschuldet wäre.
b) Zu beachten ist die Verjährungsfrist von fünf Jahren. Deswegen können diejenigen (wegen der fehlenden Anrechnung der Arbeitsausfallversicherungsleistung) zu hohen Leistungen der EL, welche mehr als fünf Jahre vor der Geltendmachung der Rückerstattung erfolgten, nicht mehr von ihrem Klienten zurückgefordert werden.
c) Im Weiteren ist auf eine Rückerstattung zu verzichten, wenn eine grosse Härte vorliegt (vgl. dazu für die Berechnung. Art. 5 ATSV). Zusätzlich müsste beim Erhalt der Leistungen ein guter Glaube vorgelegen haben, wofür gemäss Ihrer Frage einige Hinweise bestehen (vgl. Art. 25 Abs. 1 ATSG).
d) Es ist also in Ihrem Fall zu prüfen, ob der Versicherte (oder/und seine Vertretungsperson, falls etwa eine Beistandschaft besteht) zur Information an die Ausgleichskasse oder IV-Stelle keine Möglichkeit und keinen Anlasse hatte. Rechtsprechung hätte er solchen Anlass aber schon dann, wenn er bei zu erwartender Umsicht hätte erkennen können, dass ihm die EL nicht in der zugeflossenen Höhe zusteht. Dies kann auch bei verminderter Zurechnungsfähigkeit der Fall sein (vgl. SVR 2007 IV Nr. 13, I 6622/05, E. 3 und 4.)
e) Vorgehen: Ich rate Ihnen, im Namen des Klienten bei der EL-Stelle im Verlaufe der nächsten Zeit den Sachverhalt zu schildern und darzutun, dass angenommen wird, es handle sich bei den angegebenen und nicht angerechneten Leistungen um solche mit einem ausgesprochenen Fürsorgecharakter. Man wolle aber mit dem Blick auf die Rechtmässigkeit Klarheit.
Im Weiteren sollte im Schreiben dargetan werden, dass für den Fall der Rückerstattungspflicht auf diese zu verzichten sei, da die Leistungen gutgläubig empfangen wurden und weil eine Rückerstattung eine grosse Härte bedeuten würde.
Dafür ist auch beizulegen ein Beleg, welcher die Angabe der Leistung bei Anmeldung belegt und Belege für die schwierige wirtschaftliche Situation (Steuerdaten und/oder Lohnausweis, Bestätigung SH-Abhängigkeit etc.).
Begleitend sollte mit der EL-Stelle ev. telefonisch ausgelotet werden, ob und inwieweit auf die Rückerstattung ganz oder teilweise verzichtet werden könnte.
Ich hoffe, das dient Ihnen.
Prof. Peter Mösch Payot