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Berücksichtigung Mietzinsdepot als Vermögenswert

Veröffentlicht:
21.10.2020
Kanton:
Bern
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Guten Tag

Die Frage bezieht sich auf den Kanton Bern.

Im Rahmen des Sozialhilfe-Intakes wurden alle vorhandenen Vermögenswerte der anmeldenden Person ermittelt. Dazu gehören im vorliegenden Fall auch ein Mietkautionskonto in der Höhe von CHF 4'000.00 sowie eine Lebensversicherung, die herausgelöst werden kann (ca. CHF 5'000.00). Zusätzlich verfügt die Person über Barschaft in der Höhe von ca. CHF 3'000.00.

Ist es grundsätzlich korrekt, dass das Mietkautionskonto als Vermögenswert berücksichtigt wird?

Und ist es korrekt, von der Person zu verlangen, die Barschaft bis auf CHF 0.00 aufzubrauchen bevor die Sozialhilfe einsteigt, oder wird dieser Betrag stehen gelassen und die Vermögenswerte der Lebensversicherung und des Mietkautionskontos erst bei Auflösung berücksichtigt und zusammen mit der Barschaft zum Zeitpunkt des Unterstützungsbeginns der Freibetrag gewährt (was möglicherweise zur Folge hätte, dass das Mietkautionskonto einfach stehen bleibt, wenn die Person vor Auflösung des Kontos wieder von der Sozialhilfe abgelöst werden kann)?

Herzlichen Dank für Ihre Antwort und Ihre Bemühungen!

Frage beantwortet am

Ruth Schnyder

Expert*in Sozialhilferecht

Guten Tag Frau Zwicky

Gerne beantworte ich Ihre Anfrage. Sowohl die Mietkaution also auch die Lebensversicherung sind Vermögenswerte, die grundsätzlich der Sozialhilfe vorgehen. Bei beiden Vermögenswerten ist gleich, dass sie nicht liquid sind: Die Mietkaution wird erst liquid, wenn die betreffende Person aus der Wohnung zieht, die Lebensversicherung wird erst dann liquid, wenn sie den Rückkauf geltend macht. Ich gehe dabei davon aus, dass es sich um eine Lebensversicherung der Säule 3b handelt. Handelt es sich aber um eine der Säule 3a, dann bitte ich Sie um entsprechende Mitteilung, damit ich meine Antwort insoweit differenzieren kann.

Bei Ihrer Anfrage geht es darum, ob auch nicht flüssiges Vermögen im Vermögensfreibetrag zu berücksichtigen sind. Der Vermögensfreibetrag ist bei der Feststellung der Bedürftigkeit relevant. Dazu gelten im Kanton Bern folgende Regelungen:

Es gilt gemäss Art. 9 SHG das Subsidiaritätsprinzip und nach Art. 30 Abs. 3 SHG werden die eigenen Mittel und Leistungsansprüche gegenüber Dritten bei der Bemessung der Hilfe in angemessener Weise angerechnet. Bei vorhandenem Vermögen hält Art. 34 Abs. 1 SHG fest, dass wirtschaftliche Hilfe ausnahmsweise auch dann gewährt werden kann, wenn unter anderem Vermögenswerte vorhanden sind, die zum Zeitpunkt des Gesuchs nicht realisierbar sind. Die SKOS-Richtlinien, welche für den Kanton Bern verbindlich sind (Art. 8 Abs. 1 SHV - soweit Gesetz und Verordnung keine Abweichungen vorsehen), halten in Kapitel E.2.1 (ab 1.1.21 neu: D.3.1) machen deutlich, dass für die Beurteilung der Bedürftigkeit nur die tatsächlich verfügbaren oder kurzfristig realisierbaren Mittel massgebend sind. Im gleichen Kapitel halten die SKOS-Richtlinien fest, ab welcher Höhe Vermögen überhaupt relevant ist (Einzelperson Fr. 4'000 usw.), d.h. in welchem Umfang ein Vermögensfreibetrag zugestanden wird. Der Vermögensfreibetrag hat zum Ziel die Eigenverantwortung zu stärken und den Willen zur Selbsthilfe zu fördern. Es handelt sich um eine Art Notgroschen.

Orientierungslinie für Ihre Frage ist demnach die Realisierbarkeit der Vermögenswerte. Sind die Vermögenswerte nicht kurzfristig genug realisierbar, dürfen sie bei der Beurteilung der Bedürftigkeit nicht berücksichtigt werden. In diesem Sinne sollte die Ausnahmeregelung nach Art. 34 Abs. 1 SHG in der Praxis umgesetzt werden. Der Vermögensfreibetrag kann dann konsequenterweise auch nur auf dieses kurzfristig realisierbare Vermögen Anwendung finden. Andernfalls würde der Freibetrag seinen Zweck nicht erfüllen. Insgesamt leitet sich diese Sichtweise aus dem für die Sozialhilfe prägenden Subsidiaritätsprinzip ab, wonach nur tatsächlich verfügbare Mittel berücksichtigt werden.

Für den vorliegenden Fall heisst dies, dass sicher das Bargeld bei der Beurteilung der Bedürftigkeit berücksichtigt werden darf. Allenfalls kann auch die Säule 3b (Lebensversicherung) einbezogen werden, wenn der Rückkauf innert Tagen über die Bühne gehen kann. Sobald der Rückkauf Fragen aufwirft, z.B. ob es sich nicht lohnen würde, die Lebensversicherung weiterzuführen (situationsbedingte Leistungen), dann darf auch die Lebensversicherung nicht einbezogen werden. Nicht einbezogen darf jedenfalls das Mietkautionskonto, solange die damit verknüpfte Wohnung nicht aufgegeben wird. Gehen wir vom gesicherten flüssigen Vermögen aus, das gemäss Ihren Angaben Fr. 3'000 beträgt, dann liegt aktuell das Vermögen unter Freibetrag und die Bedürftigkeit ist ausgewiesen.

Zweifellos ist es aber so, dass sich die Frage der Rückerstattung und allenfalls künftigen Anrechnung stellt, wenn sich die aktuell illiquiden Vermögenswerte später verflüssigen. Dazu bildet Art. 40 Abs. 2 SHG eine rechtliche Grundlage:

Personen, die wirtschaftliche Hilfe bei vorhandenem Vermögen beziehen, sind zu deren Rückerstattung verpflichtet, sobald die Vermögenswerte realisierbar oder realisiert werden.

D.h. es folgt eine Rückerstattung im Umfang der Bevorschussung und maximal in der Höhe des Netto-Vermögenswertes. Würde bspw. der Vermieter Schäden an der Mietwohnung mit der Kaution verrechnen, könnte die Sozialhilfe nur den Restbetrag als Basis für eine Rückerstattung nehmen.

Es stellt sich letztlich die Frage, ob der zu Beginn der Unterstützung nicht ausgeschöpfte Vermögensfreibetrag noch in Abzug gebracht wird. Damit meine ich die Fr. 1'000 Differenz zu den Barmitteln von Fr. 3’000. Grundsätzlich ist zu unterscheiden:

Finanzielle Mittel zu Beginn der Unterstützung und finanzielle Mittel, die während der Unterstützung zufliessen: Ersteres ist Vermögen, Letzteres Einnahmen. Handelt es sich um Einnahmen während der Unterstützung, wird grundsätzlich kein Vermögensfreibetrag gewährt (Ausnahmen siehe Guido Wizent, Sozialhilferecht, alphaius, Dike 2020, Rz. 615 ff.). Werden finanzielle Mittel als Vermögen qualifiziert, wird der Vermögensfreibetrag zugestanden. Das Berner Verwaltungsgericht hat im Urteil 200 2015 179 vom 19.1.2015 die Rückzahlung des Mietdepots als frei gewordenes Vermögen qualifiziert, das bereits zu Unterstützungsbeginn vorhanden war. Konsequenz davon war, dass der Vermögensfreibetrag zur Anrechnung gekommen ist (Erw. 4.2 f.). Das Gericht setzte sich nicht damit auseinander, ob der volle Vermögensfreibetrag anzurechnen ist, oder abzüglich zu Beginn vorhandener Vermögenswerte. Aus meiner Sicht wäre richtig, nur noch die Differenz zu gewähren. Im vorliegenden Fall hiesse dies noch Fr. 1'000. Das Urteil könnte aber auch anders interpretiert werden.

Konsequenz dieser Betrachtung ist, dass die Sozialhilfe Sicherungsmassnahmen ergreifen muss, damit für den Fall der Vermögensverflüssigung das Geld zur Sozialhilfe gelangt, damit die Rückerstattung gesichert ist.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass nur kurzfristig realisierbares Vermögen im Vermögensfreibetrag berücksichtigt werden darf, wozu das Bargeld und u.U. Lebensversicherungen Säule 3b gehören, nicht aber das illiquide Mietkautionskonto. Verflüssigt sich das zu Beginn der Unterstützung vorhandene illiquide Vermögen später, unterliegt es der Rückerstattung.

Ich hoffe, Ihnen damit Ihre Frage beantwortet zu haben.

Freundliche Grüsse, Ruth Schnyder