Sehr geehrte Damen und Herren
Das Familiengericht hat bei einem Jugendlichen der Gemeinde eine Familienbegleitung angeordnet. Nun möchten wir aufgrund der Unterhaltspflicht berechnen, ob die Eltern des Jugendlichen einen Beitrag zu den Kosten leisten können. Die Familienkonstellation gestaltet sich ein wenig kompliziert. Die Kindsmutter, der betrofffene Jugendliche und sein Bruder wohnen gemeinsam mit dem neuen Partner. Der Kindsvater wohnt mit seiner neuen Partnerin und deren Kinder separat.
Inwiefern muss ich nun die Einkommen und Ausgaben der neuen Partner in der Berechnung berücksichtigen? Wie muss die Berechnung des Elternbeitrags in diesem Fall konkret gemacht werden?
Vielen lieben Dank für Ihre Antwort.
Frage beantwortet am
Ruth Schnyder
Expert*in Sozialhilferecht
Guten Tag
Gerne beantworte ich Ihre Anfrage, wobei vorgängig noch Klärungsbedarf in Bezug auf die Einordnung der Thematik besteht. Handelt es sich bei Ihrer Anfrage um den Fall, welcher in § 43 Abs. 5 EG ZGB / AG geregelt ist, wo unabhängig einer sozialhilferechtlichen Bedürftigkeit die Gemeinde die Kosten bevorschusst und diese dann im Rahmen der Unterhaltspflicht von den Eltern zurückfordert? Aufgrund dessen, dass Sie die Unterhaltspflicht beider Elternteile prüfen wollen, scheint kein Elternteil wirtschaftliche Hilfe zu beziehen, sehe ich das richtig?
Falls es sich um den Fall von § 43 Abs. 5 EG ZGB/AG handelt: Welche Bemessungsregeln sind massgebend im Kanton Aargau? Da im EG ZGB die Unterhaltspflicht erwähnt wird, sind die zivilrechtlichen Grundsätze (hier: Die Empfehlungen des Aargauer Obergerichts für die Empfehlung von Unterhaltsbeiträgen für die Kinder vom 1.5.17) naheliegend, oder orientiert man sich an den SKOS-RL D.4.2?
Besten Dank und freundliche Grüsse
Ruth Schnyder
Guten Tag Frau Schnyder
Vielen lieben Dank für Ihre Antwort. Das ist korrekt, die Eltern beziehen keine wirtschaftliche Hilfe. Auch möchten wir die bevorschussenden Kosten im Rahmen der Unterhaltspflicht zurückfordern.
Im Kanton Aargau orientieren wir uns an den SKOS Richtlinien.
Vielen Dank für Ihre erneute Rückmeldung.
Freundliche Grüsse
Frage beantwortet am
Ruth Schnyder
Expert*in Sozialhilferecht
Guten Tag
Ich komme auf Ihre Anfrage zurück und entschuldige mich für die arbeitsbedingt verzögerte Antwort.
Wie Sie in Ihrer Rückmeldung geschrieben haben, orientieren Sie sich praxisgemäss an den SKOS-RL für die Bemessung des Elternbeitrags. Dies ergibt sich auch aus dem Aargauer Handbuch Soziales in Bezug auf die Finanzierung von stationären Kindesschutzmassnahmen (Kap. 15.3). Insoweit erscheint es konsequent, auch bei ambulanten Kindesschutzmassnahmen wie der Familienbegleitung ebenfalls die Elternbeitragsbemessung der SKOS-RL zur Anwendung gelangen. Da es sich, wie Sie auch schreiben, um den Kindesunterhaltsanspruch geht, möchte ich darauf hinweisen, dass bei einer rechtlichen Durchsetzung die zivilrechtlichen Bemessungsgrundsätze massgebend sind, die Sie meiner obigen Rückfrage entnehmen können. In formeller Hinsicht rate ich Ihnen, mit dem Familiengericht abzusprechen, inwieweit es einer Genehmigung des Elternbeitrags durch das Familiengericht bedarf und ob das Gericht die Grundsätze nach den SKOS-RL akzeptiert.
Da die Eltern getrennt sind, gehe ich davon aus, dass bereits Unterhaltsbeiträge für den betroffenen Jugendlichen festgelegt wurden. Diese sind verbindlich. Da es sich bei der Familienbegleitung um eine ausserordentliche Ausgabe handelt, können die Eltern gleichwohl zur Finanzierung beigezogen werden (Art. 286 Abs. 3 ZGB). Insofern ist es auch bei bereits festgelegten Unterhaltsbeiträgen zulässig, die Eltern darüber hinaus in die Pflicht zu nehmen.
Nun zu Ihrer Frage der Berücksichtigung der (neuen) Partner der Elternteile: Bei Partnerschaften, die nicht verheiratet sind, handelt es sich um Konkubinate. Das (gefestigte) Konkubinat wird im Bereich des Unterhaltsrechtes dann berücksichtigt, wenn es um die Frage des Ehegattenunterhalts geht. Im Zusammenhang mit dem Kindesunterhalt habe ich in Literatur und Rechtsprechung nur Hinweise auf die Berücksichtigung des Konkubinats gefunden, wenn aus der neuen Partnerschaft ein Kind bzw. Halbgeschwister entspringt (vgl. Maier Philipp/Niderberger Katharina/Hampel Sara, Die Berechnung von Unterhaltsbeiträgen bei Patchworkfamilien, AJP 2019 S. 879 ff., 880).
Aus dem Blickwinkel des zivilrechtlichen Unterhaltsrechts sehe ich kaum eine rechtliche Handhabung, das Einkommen des Konkubinatspartners bzw. der Konkubinatspartnerin bei der Unterhaltsbemessung für das Kind einzubeziehen. Dies hat meiner Meinung nach auch für die Elternbeitragsbemessung nach den Grundsätzen der SKOS-RL zu gelten, zumal die betreffende Praxishilfe SKOS-RL D.4.2 zu dieser Frage keine Regelung enthält.
Natürlich kann man sich fragen, ob die Berücksichtigung des Einkommens des Partners nicht im Rahmen einer Haushaltsentschädigung oder eines Konkubinatsbeitrags in der Bedarfsberechnung des Elternteils möglich wäre. Dagegen spricht, dass die Erläuterung d) zu SKOS-RL D.4.2 die Elternbeitragsberechnung nach den SKOS-RL-Grundsätzen deswegen empfiehlt, da «sie den Unterhaltspflichtigen im Vergleich zur Berechnung von Zivilgerichten einen grösseren Spielraum lässt und so eine aussergerichtliche Vereinbarung begünstigt». Würde aber eine Haushaltsentschädigung oder ein Konkubinatsbeitrag berücksichtigt werden, würde gerade das Gegenteil passieren und den Spielraum stärker einschränken als die zivilrechtliche Unterhaltsbemessung. Insoweit sehe ich keine Möglichkeit, eine Haushaltsentschädigung oder einen Konkubinatsbeitrag zu berücksichtigen, so dass das Einkommen des/der PartnerIn bei der Bemessung des Elternbeitrags aussen vor bleibt. Eine Ausnahme wäre vorstellbar, wenn der Kindsvater auf einen Erwerb verzichtet, um die (nicht gemeinsamen) Kinder der neuen Partnerin zu betreuen.
Zu guter Letzt käme die Berücksichtigung des Einkommens des/der PartnerIn insoweit, in diesem Umfang und nur solange in Frage, als er/sie den Elternteil finanziell tatsächlich und nachweislich unterstützt.
Der Vollständigkeit halber zu erwähnen ist, dass ich keine Handhabe finde, das Vermögen des/der PartnerIn zu berücksichtigen.
Hingegen findet die Partnerschaft auf jeden Fall Berücksichtigung im Bedarf und zwar dahin gehend, dass dieser nach Köpfen festgelegt wird. Der/die PartnerIn muss sich demnach anteilsmässig an den Haushaltskosten beteiligen. Für die Bedarfsberechnung des Elternteils bedeutet dies, dass die auf den/die PartnerIn entfallenden Kostenanteile rausgerechnet werden. Dabei werden die Kinder der Partnerin des Kindsvaters auch rausgerechnet.
Ich hoffe, Ihnen damit Ihre Anfrage beantwortet zu haben.
Freundliche Grüsse
Ruth Schnyder