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Berechnung EL: Schulden nicht vom Vermögen abgezogen

Veröffentlicht:
17.05.2021
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht

Eine Klientin hat rückwirkend per 2018 eine ganze IV-Rente zugesprochen erhalten. Die SVA BL hat das Freizügigkeitsguthaben ab 2018 beim Vermögen berücksichtigt (diese Verfügung erging vor September 2020). Leider habe ich den Umstand, dass das Freizügigkeitsguthaben bei der Berechnung miteingeschlossen wurden – obwohl das Geld ja nicht bezogen werden konnte – nicht kritisiert. Ich habe aber eine Einsprache erhoben, weil das Vermögen trotz Vermögensverzehr nicht angepasst wurde. Wäre der Vermögensverzehr nicht jährlich abzuziehen und das Vermögen entsprechend anzupassen? Meine Klientin hatte überdies Schulden. Trotz zugestellter Schuldnerinformation hat die SVA die Schulden vom Vermögen nicht abgezogen. Ist dies korrekt?

Anmerkung meinerseits bezüglich einer Auskunft seitens der SVA bei meiner Anfrage betreffend Abzug des Vermögensverzehrs bei einem meiner Klienten:

« da es sich um ein Vermögen aus einem Erbe handelt, welches seit 2 Jahren pendent gewesen und erst jetzt rückwirkend neu verrechnet worden ist, kann der Vermögensverzehr beim Vermögen nicht angepasst werden, weil er - aufgrund der rückwirkenden Auszahlung und Berechnung -  nicht genutzt werden konnte.» Sprich es wurde kein Geld gebraucht, als ist der Verzehr hypothetisch zu sehen und deshalb das Vermögen in der Berechnung der kommenden zwei Jahre nicht anzupassen. Ist das so und vor allem, gäbe es da nicht eine fundiertere Erklärung, welche nachvollziehbar ist?

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Liebe Chantal

Gerne nehme ich Stellung zu Deinen zwei Fragen:

a) Bei der Vermögensberechnung der EL sind Schulden abzuziehen. Als Vermögen ist nämlich das Nettovermögen zu berücksichtigen. Bei der Bestimmung des Reinvermögens nach Art. 11 Abs. 1 lit. c ELG sind die Schulden des EL-Ansprechers oder -Bezügers vom rohen Vermögen abzuziehen. Dazu zählen u.a. Hypothekarschulden, Kleinkredite bei Banken und Darlehen zwischen Privaten sowie Steuerschulden.

Anzurechnen sind Schulden, welche wirtschaftlich von Bedeutung sind:

Die Schuld muss tatsächlich entstanden sein, ihre Fälligkeit ist nicht vorausgesetzt. Ungewisse Schulden oder Schulden, deren Höhe noch nicht feststeht, können hingegen nicht abgezogen werden.

Die Schuld muss einwandfrei belegt sein. Weiter können lediglich Schulden berücksichtigt werden, welche die wirtschaftliche Substanz des Vermögens belasten (BGE 142 V 311 E. 3.1 und 3.3 S. 313 f.; 140 V 201 E. 4.2 S. 205; je mit Hinweisen).
Das kann z.B. auch bei Rückforderungsansprüchen der Sozialhilfe gelten (vgl. Urteil 9C 365/2018 vom 12.9.2018).

Wichtig wäre es also, die entsprechenden Schulden und deren Höhe sowie der wirtschaftlichen Bedeutung (also, dass sie tatsächlich eingefordert werden oder werden können) zu belegen.

b) Bei rückwirkenden Berechnungen von Vermögensverzicht kommt der Freibetrag von CHF 10'000 jährlich zur Anwendung. Erstmals im zweiten Jahr nach der Verzichtshandlung.

Art. 17e ELV lautet dazu folgendermassen:

1 Der anzurechnende Betrag des Vermögens, auf das gemäss Artikel 11a Absätze 2 und 3 ELG verzichtet wurde, wird für die Berechnung der Ergänzungsleistungen jährlich um 10 000 Franken vermindert.

2 Der Betrag des Vermögens im Zeitpunkt des Verzichts ist unverändert auf den 1. Januar des Jahres, das auf den Verzicht folgt, zu übertragen und dann jeweils nach einem Jahr zu vermindern.

3 Für die Berechnung der jährlichen Ergänzungsleistung ist der verminderte Betrag am 1. Januar des Bezugsjahres massgebend.

Eine andere Berechnung für Fälle, wo der Vermögensverzicht rückwirkend berücksichtigt wird, findet zumindest in Gesetz und Verordnung keine eindeutige Grundlage. Kommt aber in der Praxis mit der von der SVA-Mitarbeitenden genannten Begründung immer wieder vor. Ein klares bundesgerichtliches Urteil hierzu ist mir nicht bekannt. Ich rate dazu, auf der Anrechnung des Freibetrages unter Verweis auf Art. 17e ELV zu beharren und die Beurteilung im Zweifel der Justiz zu überlassen.

Peter Mösch Payot