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Benutzung eines Motorfahrzeuges Berechnung SIL

Veröffentlicht:
09.08.2021
Kanton:
Aargau
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Guten Tag

Klient X besitzt ein Fahrzeug. Die Kosten von privaten Motorfahrzeugen sind situationsbedingt zu übernehmen, sofern die Benutzung beruflich oder krankheitsbedingt zwingend erforderlich sind (§ 10 Abs. 5 lit c SPV und Handbuch Soziales Kap. 8.9).

Dem Sozialdienst liegt ein Arztzeugnis (Angststörung) vor, dass Klient X zwingend auf ein Fahrzeug angewiesen ist. Gemäss der Aufstellung des Klienten wird das Auto hauptsächlich für alltägliche Besorgungen und Pflege der sozialen Kontakte benötigt. Für Termine aus gesundheitlichen Gründen wird das Fahrzeug ebenfalls benötigt, dies jedoch zu einem kleinen Kilometeranteil.

Die Betriebskosten wurden anhand der Berechnung der Betriebskosten (Formular VCS) berechnet. Die Betriebskosten betragen pro Monat rund CHF 190.00. Der im Grundbedarf eingerechnete Betrag (SKOS Warenkorb 6.1 %) deckt diese Kosten nicht.

Welche Kosten sind durch die Sozialhilfe als situationsbedingte Leistungen zu übernehmen?

Sind die gesamten monatlichen Betriebskosten durch die Sozialhilfe zu übernehmen oder nur einen Kilometeranteil für die Kosten für gesundheitlich bedingte Termine (vgl. Handbuch Soziales Kap. 8.3)?

Besten Dank für Ihre Antwort und ein guter Tag.

Frage beantwortet am

Ruth Schnyder

Expert*in Sozialhilferecht

Sehr geehrte Frau Woodtli

Gerne beantworte ich Ihre Frage, die die Frage der Finanzierung der Autonutzung aus gesundheitlichen Gründen zum Gegenstand hat. Nicht Gegenstand ist die Frage, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit der Bedarf im Grundsatz anerkannt wird.

Für die Thematik der Finanzierung der Autonutzung aus gesundheitlichen Gründen sind die SKOS-RL 2017 gemäss § 10 SPV AG massgebend, da weder das SPG noch die SPV AG eine Regelung dazu enthalten. Die von Ihnen zitierte Bestimmung (§ 10 Abs. 5 lit. c SPV) hält lediglich fest, wann vom Betriebskostenabzug abgesehen werden kann.

Im vorliegenden Fall werden folgende Bedürfnisse mit der Autonutzung befriedigt: Behandlung der gesundheitlichen Beeinträchtigung, alltägliche Besorgungen und Pflege sozialer Kontakte. Alle Bedürfnisse gehören zu den Zielsetzungen der Sozialhilfe. So wird in Kap. A der SKOS-RL ausgeführt, dass das soziale Existenzminimum nicht nur die Existenz und das Überleben sichert, sondern auch die Teilhabe am Sozial- und Arbeitsleben. Den gleichen Grundsatz stellt § 4 SPG AG, wonach auch die gesellschaftliche Integration mit der Sozialhilfe unterstützt wird. SIL für alltägliche Besorgungen und die gesellschaftliche Integration können auf Kap. C.1.5 SKOS-RL (weitere SIL) abgestützt werden. Jene für die Gesundheit haben ihre Grundlage in Kap. C.1.4.

Dasselbe kann auch dem Urteil des Aargauer Verwaltungsgerichts WBE.2008 70 vom 18.8.2008 in Erwägung 2.2 entnommen werden (siehe Beilage).

Soweit diese Kosten der Autonutzung notwendig sind, gehören sie zu den grundversorgenden SIL (Kap. C.1 SKOS-RL). Termine, welche die Gesundheit betreffen, können einfacher auf ihre Notwendigkeit überprüft werden als alltägliche Besorgungen und die Pflege sozialer Kontakte. Letzteres bedingt eine Einzelfallprüfung, wobei der Vergleich zu Haushalten in bescheidenen Verhältnissen als Orientierungslinie herangezogen werden darf (vgl. C.1 SKOS-RL), inwieweit sich eine Person in engen finanziellen Verhältnissen in der Regel einschränkt (Angemessenheit der Hilfe). So hält auch das Verwaltungsgericht im oben zitierten Entscheid dazu Folgendes fest:

«Nicht unter den Beitrag an das Motorfahrzeug fallen hingegen die Kosten für Fahrten, welche Perso­nen, die sich in knappen finanziellen Verhältnissen selber durchbringen und entsprechende Einschränkungen hinnehmen müssen, nicht unter­nommen hätten (AGVE 2004, S. 253 f. mit Hinweisen; SKOS-Richtlinien, Kapitel A.4-2 "Angemessenheit der Hilfe").»

Bei dieser Frage ist denn auch zentral, ob es alternative Möglichkeiten gibt, um die Bedürfnisse auch ohne Nutzung des Autos zu ermöglichen. Letztlich stellt sich bei jeder Tätigkeit die Frage, ob das Auto überhaupt notwendig ist, oder ob es Alternativen (Fahrrad nehmen, zu Fuss gehen) oder ob z.B. ein Wechsel der Therapieeinrichtung zumutbar ist, welche ohne Auto erreicht werden könnte.

Zusammenfassend sind Kosten für die Autonutzung für notwendige Fahrten im Zusammenhang mit der Gesundheit als auch für alltägliche Besorgungen und Pflege sozialer Kontakte zu übernehmen. Wie diese zu bemessen sind, hängt vom Einzelfall ab. Es besteht ein Ermessensspielraum, der sich mitunter am Grundsatz der Angemessenheit der Hilfe orientiert. Die Ermessensausübung muss mit der erforderlichen Sorgfalt erfolgen, was eine umfassende Sachverhaltsabklärung bedingt (siehe dazu auch das zitierte Verwaltungsgerichtsurteil Erwägung 2.3). Falls die Berechnung anhand des VCS-Formulars die Kosten bezogen auf die notwendige und angemessene Autonutzung widerspiegelt, ist aus meiner Sicht nichts dagegen einzuwenden. Das Aargauer Sozialhilfe-Handbuch enthält jedenfalls keine Ausführungen dazu. Weitere Hinweise können Sozialhilfe-Handbücher anderer Kantone z.B. Zürich geben, oder die Aargauer Verordnung zu den Ergänzungsleistungen (§ 22 Abs. 2 ELKV-AG). Zu ergänzen ist, dass die für Verkehrsauslagen vorgesehene Teile des Grundbedarfs von den SIL für die Autonutzung in Abzug zu bringen sind (auch dazu, das Urteil des Aargauer Verwaltungsgerichts Erwägung 2.4.2).

Ich hoffe, Ihnen damit Ihre Fragen beantwortet zu haben.

Freundliche Grüsse,

Ruth Schnyder

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