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Beendigung wirtschaftliche Unterstützung aufgrund IV-Taggeld

Veröffentlicht:
12.01.2022
Kanton:
Schwyz
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Sehr geehrte Damen und Herren

Ein Klient wurde ab Juli 2020 unterstützt und war entsprechend über die Knappheit der finanziellen Mittel informiert. Das SKOS-Budget sah einen Fehlbetrag von CHF 2'300.00 vor. Durch eine IV-Integrationsmassnahme erhielt er ab dem 18. Januar 2021 ein IV-Taggeld von rund CHF 8'000.00 pro Monat. Der Fall wurde mit Fürsorgebeschluss April 2021 per Ende Februar 2021 abgeschlossen und der Überschuss der IV-Taggelder ausbezahlt. Am 31. Mai 2021 wurde die IV-Massnahme infolge gesundheitlicher Verschlechterung abgebrochen. Der Klient erhielt per 9. Juni 2021 die Taggeldauszahlung für den Monat Mai 2021 im Betrag von CHF 8'600.00. Da er sämtliche Einnahmen ausgegeben hatte, beantragte er ab 1. Juli 2021 wiederum wirtschaftliche Unterstützung, welche ihm vollumfänglich gewährt werden musste.

Aktuell besucht der Klient erneut eine IV-Massnahme und fordert den Fallabschluss.

Da der Klient bereits in der Vergangenheit ein sehr grosser Geldbetrag (IV-Taggeld von 4 ½ Monaten ca. CHF 36'000.00) innerhalb kürzester Zeit vollständig ausgegeben hatte, ist davon auszugehen, dass die Gelder wieder umgehend ausgegeben werden. Nach § 2 des Gesetzes über die Sozialhilfe des Kantons Schwyz gilt in der Sozialhilfe das Prinzip der Subsidiarität. Die Sozialhilfe wird nur dann gewährt, wenn die hilfesuchende Person sich nicht selbst helfen kann und Hilfe von dritter Seite nicht oder nicht rechtzeitig erhältlich ist. Aufgrund der Subsidiarität muss die zweckmässigen Einsetzung der Geldmittel ebenfalls gefordert werden.

Idealerweise dauert eine IV-Massnahme mindestens ein ½ Jahr und der Klient kann von der wirtschaftlichen Unterstützung (allenfalls ALV) dauerhaft abgelöst werden.

Wird der Fall in der wirtschaftlichen Sozialhilfe nicht beendet und der Klient bricht die Massnahme ab, so kann aufgrund des Schwyzer Handbuch zur Sozialhilfe gemäss E.1.1 ein möglicher Budgetüberschuss in den folgenden Monaten angerechnet werden.

Da der Klient jedoch den Fallabschluss fordert, ist dies zu verfügen. In der Verfügung ist jedoch festzuhalten, dass die Geldmittel für die nächsten drei Monate sparsam einzusetzen bzw. dass er konkret ein Betrag nach dem erweiterten SKSO Budge oder 50% des ausbezahlten IV-Taggeldes zurückbehalten muss.

Erachten Sie das Vorgehen als korrekt?

Vielen Dank für Ihre Antwort.

Frage beantwortet am

Anja Loosli

Expert*in Sozialhilferecht

Guten Tag

Vielen Dank für Ihre Frage. Ich beantworte diese gerne wie folgt:

Nach § 2 des Sozialhilfegesetzes (SHG, BG 380.100) wird Sozialhilfe gewährt, wenn die hilfesuchende Person sich nicht selbst helfen kann und Hilfe von dritter Seite nicht oder nicht rechtzeitig erhältlich ist. Dieser Grundsatz wird in § 15 SHG präzisiert. Demnach hat Anspruch auf wirtschaftliche Hilfe, wer für seinen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen mit gleichem Wohnsitz nicht hinreichend oder rechtzeitig aus eigenen Mitteln aufkommen kann. Betreffend die Frage, welcher Bemessungszeitraum bzw. welche Unterstützungsperiode zur Bestimmung der Bedürftigkeit heranzuziehen ist, findet sich im SHG und in der Sozialhilfeverordnung (SHV, BG 380.111) keine Regelung. In den internen Richtlinien ist unter Lit. A.6 festgehalten, dass Bedürftigkeit gegeben sei, wenn das monatlich Einkommen nicht ausreiche, um die Kosten für die materielle Grundsicherung zu decken. Im Kanton Schwyz wird aufgrund der internen Richtlinien offenbar von einer monatlichen Unterstützungsperiode ausgegangen. Die Ablösung soll nach Lit. A.6 der internen Richtlinien sofort erfolgen, wenn die Einnahmen das Unterstützungsbudget überschreiten. Eine übermonatige Unterstützungsperiode ist nach Lehre – vorbehältlich anderslautender gesetzlicher Grundlagen - dann zulässig, wenn die Einnahmen unregelmässig sind (z.B. Stundenlohn, IV-Taggelder usw.). Der Bedarf darf dann anhand einer längeren Zeitperiode (z.B. einem halben Jahr) festgelegt werden (Guido Wizent, Die sozialhilferechtliche Bedürftigkeit, Zürich/St. Gallen 2014, S. 481).

Wie oben ausgeführt, hat der Kanton Schwyz keine gesetzliche Regelung betreffend die Unterstützungsperiode. Nach Lehre wäre demnach in gewissen Fällen eine übermonatige Unterstützungsperiode bzw. eine übermonatige Periode für die Berechnung der Bedürftigkeit möglich. Dass dies im Kanton Schwyz in gewissen Fällen so gewollt sein könnte, zeigt der von Ihnen genannte Lit. E.1 der internen Richtlinien, der vorsieht, dass im Beispiel mit dem 13. Monatslohn zwar vorübergehend keine Unterstützung erfolgt, insgesamt aber von einer Bedürftigkeit auszugehen ist und demnach auch Auflagen und Weisungen möglich sind. Daraus folgt, dass sich Lit. A.6 und Lit. E.1 der internen Richtlinien in gewisser Weise widersprechen. Soll im Kanton Schwyz nun eine monatliche Berechnungsperiode gelten und die Ablösung sofort erfolgen, wenn das Einkommen eines Monats ausreicht, um den Bedarf für einen Monat zu decken oder soll in gewissen Fällen davon abgewichen werden? Falls die Abweichung vom Grundsatz möglich ist, stellt sich die Anschlussfrage, ob der vorliegende Sachverhalt unter den Anwendungsfall von Lit. A.6 oder von Lit. E.1 zu subsummieren wäre.

Vorliegend kann aber offenbleiben, ob der Klient nach Massgabe von Lit. A.6 der internen Richtlinien abgelöst werden muss oder nach Lit. E.1 der internen Richtlinien allenfalls weiter als bedürftig gelten darf.

Ausschlaggebend ist nämlich, dass der Klient abgelöst werden will. Die Sozialhilfe beruht auf dem Prinzip der Freiwilligkeit (Guido Wizent, Die sozialhilferechtliche Bedürftigkeit, Zürich/St. Gallen 2014, S. 82). Will jemand nicht unterstützt werden, auch wenn er bedürftig ist, muss er sich nicht unterstützen lassen. Meldet sich Ihr Klient also von der Sozialhilfe ab bzw. verlangt die Ablösung, darf die Sozialhilfe ihn nicht weiter unterstützen und muss ihn ablösen.

Es stellt sich nun die Frage, ob die Sozialhilfe für die Zeit während der (vom Klienten gewünschten) Ablösung Auflagen und Weisungen z.B. dahingehend, wie lange jemand mit seinem Einkommen zu leben hat, machen darf.

Im SHG ist ausdrücklich nur die Rückerstattungspflicht genannt (§ 25 SHG). Indirekt wird in § 26a SHG auch die Auskunftspflicht genannt. Dass es weitere Pflichten gibt, lässt sich nur daraus schliessen, dass in § 26a SHG die Kürzung und Einstellung bei Pflichtverletzung als möglich erklärt wird. In § 10 SHV wird festgehalten, dass Auskunft über seine Verhältnisse geben muss, wer um Unterstützung nachsucht. In § 9 SHV ist weiter festgehalten, dass die Gewährung der wirtschaftlichen Hilfe mit Bedingungen verbunden werden kann. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass – ausser die Rückerstattungspflicht – nur dann Pflichten gegenüber der Sozialhilfe bestehen, wenn eine Person unterstützt wird oder zumindest Unterstützung beantragt hat. Dies lässt sich auch aus Kapitel A.4.1 der SKOS-Richtlinien, auf die in § 4 SHV verwiesen wird, lesen.  

Daraus folgt, dass nach einer Ablösung – ausser der Rückerstattung – keine Pflichten gegenüber der Sozialhilfe bestehen. Ich fände es deshalb äusserst heikel, wenn die Sozialhilfe im vorliegenden Fall dem Klienten im Zeitpunkt der Ablösung mittels Verfügung Pflichten auferlegt und eine Vorgabe macht, wie lange er mit den IV-Taggeldern zu leben hat. Es kommt hinzu, dass offen ist, wie lange die IV-Massnahme durchgeführt werden kann und deshalb im heutigen Zeitpunkt nicht feststeht, bis wann und in welcher Höhe der Klient total IV-Taggelder beziehen kann.

Meldet sich der Klient allerdings wegen Abbruchs oder Ablauf der IV-Massnahme wieder zum Bezug von Unterstützungsleistungen an, ist zu prüfen, ob er bedürftig ist. Falls für den Lebensunterhalt im Anmeldemonat noch IV-Taggelder ausbezahlt worden, aber diese bereits verbraucht worden sind, stellt sich die Frage, ob die Unterstützung für den Anmeldemonat allenfalls dennoch abgelehnt werden bzw. dieses Taggeld angerechnet werden darf. Diesbezüglich sind die Meinungen nicht einhellig. Ich persönlich neige dazu, die Bedürftigkeit als gegeben zu erachten. Der Kanton Basel-Stadt rechnet diese Einkommen aber an unbesehen davon, ob sie ausgegeben sind oder nicht.

Fazit: Ich bin der Meinung, dass vorliegend zwar eine Ablösungsverfügung erlassen werden darf aber nicht muss, dass darin aber keine Pflichten für die Zeit nach der Unterstützung auferlegt werden dürfen. 

Ich hoffe, Ihnen mit dieser Antwort weiterhelfen zu können.

Freundliche Grüsse

Anja Loosli Brendebach