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Auszahlung Erbschaft an Dritte bei Schulden

Veröffentlicht:
27.08.2021
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Schuldenberatung

Guten Tag

Herr X. ist verbeiständet (ohne Entzug Handlungsfähigkeit) und hat vor ein paar Jahren eine Vereinbarung zwischen ihm und seinem Bruder unterzeichnet. Gemäss dieser Vereinbarung geht der gesamte Erbanteil von Herrn X. bei Ableben der gemeinsamen Tante an den Bruder. Grund: Der Bruder gewährte Herrn X. ein hohes Darlehen.

Die gemeinsame Tante ist nun verstorben und ein Treuhandbüro ist mit der Willensvollstreckung beauftragt. Die Auszahlung der Erbanteils an Herrn X. könnte in den nächsten Wochen erfolgen.

Herr X. ist hoch verschuldet. Es bestehen div. Verlustscheine und Schulden bei der Sozialhilfe. Offene Betreibungen gibt es derzeit nicht.

Die Höhe der Erbanteils von Herrn X. ist kleiner als der gesamte Schuldenbetrag.

Ist es in Anbetracht der Schuldensituation rechtlich korrekt, wenn das Trauhandbüro der Vereinbarung zwischen Herrn X. und seinem Bruder folgt und den gesamten Erbanteil von Herrn X. seinem Bruder auszahlt?

Vielen Dank für Ihre Rückmeldung.

Frage beantwortet am

Doris Platania

Expert*in Schuldenberatung

Sehr geehrte Frau W.,

da die Frage sehr komplex ist musste ich mich selbst auch rechtlich beraten lassen. Da die Details jedoch nicht bekannt sind, ist diese Antwort auch nicht abschliessend. Um eine genaue Antwort erhalten zu können, müssten Sie sich vermutlich von einer Rechtsberatung mit dem Schwerpunkt Erbschaftsrecht beraten lassen.

Hier kommt nun die Antwort:

Wenn es sich bei vorliegender Vereinbarung um ein Erbverzicht (Art. 495 ZGB) handelt, ja, dann dürfte das ganze Erbe an den Bruder ausbezahlt werden. Voraussetzung jedoch ist, dass es sich um einen Erbverzichtsvertrag handelt, den der Erblasser mit dem Erben abgeschlossen hat und dieser öffentlich beurkundet wurde (Art. 512 ZGB). Wäre dies der Fall, könnten allerdings die Gläubiger gemäss Art. 288 SchKG (Absichtsanfechtung) diese Rechtshandlung anfechten, sofern eine Pfändung eingeleitet wird und die Handlung in den letzten fünf Jahren erfolgt ist (vgl. BGE 138 III 497). Dies würde bedeuten, dass der Erbanteil des Klienten vom Bruder zurückgegeben werden müsste (Art. 291 SchKG). Ob die Gläubiger mit dieser Anfechtung durchdringen würden, entscheidet schlussendlich das Gericht.

Wenn es sich vorliegend jedoch einfach um eine Vereinbarung zwischen den Brüdern handelt, dann darf m.E. der Willensvollstrecker nicht einfach das Geld dem einen Bruder auszahlen. Korrekterweise müsste meiner Meinung nach der Klient die Erbschaft ausschlagen (Frist drei Monate ab Kenntnis über den Tod des Erblassers / Art. 566 f. ZGB). Wenn jedoch der Klient die Erbschaft ausschlägt, haben die Gläubiger nebst der oben erwähnten Anfechtungsklage (Art. 288 SchKG) die Möglichkeit nach Art. 578 ZGB die Ausschlagung innert 6 Monaten anzufechten, sofern die Forderungen nicht sichergestellt werden. Wird die Anfechtung gutgeheissen, dann gelangt die gesamte Erbschaft zur amtlichen Liquidation.

Aus meiner Sicht müsste, wenn der Klient die Erbschaft nicht ausschlägt, der Willensvollstrecker das Erbe an beide Brüder auszahlen und dann könnte der Klient das Geld dem Bruder für das Darlehen geben. Aber auch hier besteht dann die Möglichkeit, dass die Gläubiger eine Absichtsanfechtung gemäss Art. 288 SchKG erheben, sofern eine Pfändung gemacht wird und die Vereinbarung in den letzten fünf Jahren abgeschlossen wurde.

Art. 288 SchKG (Absichtsanfechtung)

1 Anfechtbar sind endlich alle Rechtshandlungen, welche der Schuldner innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Pfändung oder Konkurseröff­nung in der dem andern Teile erkennbaren Absicht vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen oder einzelne Gläubiger zum Nachteil anderer zu begünstigen.

2 Bei der Anfechtung einer Handlung zugunsten einer nahestehenden Person des Schuldners trägt diese die Beweislast dafür, dass sie die Benachteiligungsabsicht nicht erkennen konnte. Als nahestehende Personen gelten auch Gesellschaften eines Konzerns.509

Ist die Antwort verständlich? Sonst können Sie sich gerne wieder melden.

Freundliche Grüsse

Doris Platania