Guten Tag Herr Mösch
Fallbeschreibung:
Der Vater meines Klienten ist verstorben. Vor dem Tod war er nicht erwerbstätig und hatte ein Freizügigkeitskonto mit BVG-Altersguthaben. Er war in zweiter Ehe verheiratet (nicht mit der Mutter meines Klienten).
Frage:
Wer hat nun Anspruch auf das Freizügigkeitsguthaben? Gemäss der betreffenden Bank müsse alles der Witwe ausbezahlt werden, der Sohn erhalte nichts, so stehe es im Reglement, in Anlehnung an Art. 19 BVG.
Gemäss Art. 15 Abs. 1 b lit. 1 FZV ist aber Art. 19, 19a und 20 BVG erwähnt (und-Bestimmung). Müsste also die Witwe nicht mit dem Sohn teilen?
Freundliche Grüsse
Gaudenz Heeb
Soziale Dienste Brügg
Frage beantwortet am
Peter Mösch Payot
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Sehr geehrter Herr Heeb
Gerne beantworte ich Ihre Anfrage.
a) In Anwendung von Art. 26 Abs. 1 FZG ist die Begünstigtenordnung für Freizügigkeitsguthaben in Art. 15 FZV geregelt. Das Kapital gehört nicht zum Nachlass, und es gelten insoweit also nicht die erbrechtlichen Regeln, sondern die besonderen Regeln der Freizügigkeitsordnung (vgl. zum Ganzen auch BGE 135 V 80; BGE 130 I 220 E. 8).
Wie Sie richtig erwähnen sind im Todesfall in erster Linie die Hinterlassenen nach Art. 19, 19a und Art. 20 BVG begünstigt (Art. 15 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 FZV).
Ïm Vertrag können die Versicherten die Ansprüche der Begünstigten näher bezeichnen und der Kreis der genannten Begünstigten kann erweitert werden um Personen, die mit dieser in den letzten fünf Jahren vor dem Tod eine Lebensgemeinschaft geführt haben oder solche, die für den Unterhalt gemeinsamer Kinder aufkommen müssen oder solche, die vom Verstorbenden in erheblichem Masse unterstützt wurden (Art. 15 Abs. 2 FZV).
Vor dem Hintergrund dieser Regelung ist es unabdingbar, die präzise Reglementsbestimmung der Freizügigkeitskontovereinbarung der Bank mit der/dem Verstorbenen zu konsultieren und Einsicht zu verlangen, in eine allfällige schriftliche Erklärung des Versicherten über die Begünstigung. Gerne können Sie mir diese dann für eine Präzisierung noch zustellen.
b) Zu beantworten ist vor diesem Hintergrund die Frage, ob bei überlebenden Kindern diese oder/und die Ehegattin vom Freizügigkeitsguthaben profitiert.
Soweit in dieser reglementarischen Vereinbarung nichts Besonderes geregelt ist gilt im vorliegenden Fall die Begünstigteordnung gemäss Art. 15 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 FZV, also begünstigt werden die Hinterlassenen nach Art. 19 BVG, Art. 19a BVG und Art. 20 BVG.
Dies sind im Sinne von Art. 19 BVG die überlebende Ehegattin, nach Art. 19a BVG überlebende eingetragene Partnerinnen oder Partner und nach Art. 20 BVG die Kindes des Verstorbenen.
Soweit durch eine schriftliche vertragliche Erklärung des VErsicherten die Ansprüche dieser primär begünstigen Personen (Ehegatten und Kinder) nicht näher bezeichnet sind, sind diese zu gleichen Teilen berechtigt am Freizügigkeitskapital.
Wie bereits dargestellt, lohnt es sich in Ihrem Fall, dass die Kinder bzw. ihre gesetzlichen Vertreter bei der Bank um Einsicht in das Regelment und eine allfällige vertragliche Erklärung zur Begünstigung im Sinne von Art. 15 Abs. 2 FZV nachfragen.
Dann kann festgestellt werden, ob die Auskunft der exklusiven Begünstigung der Ehefrau korrekt ist oder nicht.
Ich hoffe, das dient Ihnen.
Prof. Peter Mösch Payot