Zum Inhalt oder zum Footer

Ausnahmebewilligung der Gemeinde

Veröffentlicht:
24.07.2025
Kanton:
Luzern
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Kindes- und Erwachsenenschutz

Klientin ist in einem ausserkantonalen Altersheim untergebracht (bereits seit Inventaraufnahme)

Das Vermögen ist jetzt unter CHF 100‘000.00 gefallen und die Klientin bezieht EL-Leistungen. Die EL übernimmt nur einen Tagessatz von CHF 190.00 (2025). Das Altersheim rechnet jedoch mit einem Tagessatz von CHF 203.00.

Die Gemeinde hat die Ausnahmebewilligung abgelehnt und bezieht sich auf die EL-Wegleitung 01.2025. Am Telefon hat die Mitarbeiterin gemeint, erst wenn das Vermögen den Freibetrag von CHF 30‘000.00 erreicht hat, werden sie die Bewilligung genehmigen.

Somit hat die Klientin einen hohen jährlichen Vermögensverzehr durch die EL plus die Differenz des nicht gedeckten Tagessatzes. Das Vermögen hat innerhalb von 2 Jahren um CHF 40‘000.00 abgenommen.

Ist das Vorgehen der Gemeinde korrekt?

Frage beantwortet am

Karin Anderer

Expert*in Kindes- und Erwachsenenschutz

Grüezi 

Die Klientin muss, zusätzlich zum Vermögensverzehr (bis zum Grenzbetrag von CHF 30’000), die Differenz von CHF 13 pro Tag/CHF 395 pro Monat/CHF 4'745 pro Jahr aus ihrem Vermögen bezahlen. 

Es geht um die Anwendung der Verordnung über die Ergänzungsleistungen zur AHV/IV vom 30.11.2007, SRL 881a (ELV-LU). Nach § 1 Abs. 1 ELV-LU können für Personen, die dauernd oder längere Zeit in einem Alters- oder Pflegeheim leben, für Unterkunft und Betreuung pro Jahr Tagestaxen bis zu 335 Prozent des allgemeinen Lebensbedarfs für Alleinstehende angerechnet werden (2025: CHF 190). Nach § 1 Abs. 1bis wird in Abweichung von Absatz 1 für Personen, denen gemäss Bestätigung der Wohnsitzgemeinde in ihrer Planungsregion kein durch die Tagestaxe gemäss Absatz 1 gedeckter Heimplatz zur Verfügung steht, die effektiv in Rechnung gestellte Heimtaxe so lange angerechnet, bis ihnen ein solcher Platz in einem Heim in ihrer Planungsregion angeboten werden kann. Ausgenommen sind Angebote mit überhöhtem oder luxuriösem Standard. 

§ 1 Abs. 1bis ELV-LU ist am 1. Januar 2020 (rückwirkend) in Kraft getreten. Die Botschaft des Regierungsrates an den Kantonsrat vom 26. Juni 2020 B 48, S. 2, ist Folgendes zu entnehmen: «Das Kantonsgericht hat mit Urteil vom 15. Januar 2020 (KG-Urteil 5V 18 163) festgestellt, dass die bisherige Begrenzung der bei den Ergänzungsleistungen maximal anrechenbaren Heimtaxen (EL-Taxgrenze) bei derzeit 141 Franken mittlerweile nicht mehr rechtens ist. Der Regierungsrat hat deshalb in Absprache mit dem Verband Luzerner Gemeinden und der Stadt Luzern am 26. Juni 2020 die EL-Taxgrenze auf 179 Franken erhöht. (…) Für den Anspruch der EL-Beziehenden gilt weiterhin die EL-Taxgrenze von 179 Franken mit der Möglichkeit einer Übernahme höherer Heimtaxen im begründeten Einzelfall.» Zu § 1 Abs. 1bis ELV-LU steht in der Botschaft, S. 4: «Soweit im Einzelfall kein Platz in einem Heim innerhalb dieser EL-Taxgrenze vorhanden ist, sieht die neue Regelung vor, dass ausnahmsweise auch eine höhere effektive Heimtaxe als 179 Franken so lange bei der Berechnung des EL-Anspruchs anzurechnen ist, wie der anspruchsberechtigten Person gemäss Bestätigung der Wohnsitzgemeinde kein Platz in einem Pflegeheim in ihrer Planungsregion mit einer Taxe innerhalb der EL-Taxgrenze angeboten werden kann. Ausgenommen bleiben Angebote mit überhöhtem oder luxuriösem Standard (§ 1 Abs. 1bis LU-ELV). Diese müssen und dürfen im Rahmen der Ergänzungsleistungen nicht finanziert werden. Die Ausnahmeregelung kommt auch für pflegerisch bedingte Aufenthalte in Spezialheimen (z.B. Alterspsychiatrie in St. Urban) zur Anwendung.» 

Auf der Website der WAS lässt sich folgender Hinweis finden:

«Welche Heimtaxe wird über die Ergänzungsleistungen bezahlt?

Bei den Ergänzungsleistungen werden folgende Kosten angerechnet:

  • Die Grund- und Betreuungstaxe: Maximal CHF 190 pro Tag. Wer keinen Heimplatz für diesen Betrag findet, meldet sich bei seiner Gemeinde. Die Gemeinden können Ausnahmen bewilligen.» 

Musste die Klientin in das ausserkantonale Altersheim eintreten, weil im Zeitpunkt des Heimeintritts in ihrer Planungsregion kein Platz in einem Heim innerhalb dieser EL-Taxgrenze vorhanden war, so ist § 1 Abs. 1bis ELV-LU anwendbar. Die Argumentation der Gemeindemitarbeiterin ist nicht korrekt. Ab dem Eintritt der EL-Anspruchsberechtigung ist die höhere Taxe als Ausgabe anzuerkennen. Der Sinn der Bestimmung liegt gerade darin, einen erhöhten Vermögensverzehr und eine allfällige Sozialhilfebedürftigkeit der EL-Beziehenden zu vermeiden, wie auch der Botschaft auf S. 8 entnommen werden kann. Zu § 1 Abs. 1bis ELV-LU äussert sich die WEL ( ) nicht, die ELV-LU ist ein Luzerner Vollzugsbestimmung. 

Im Bereich der Restfinanzierung gilt nach Art. 25a Abs. 5 KVG Folgendes: Wenn der Klientin zum Zeitpunkt des ausserkantonalen Heimeintritts kein Pflegeheimplatz in geografischer Nähe des Wohnorts zur Verfügung gestellt werden konnte, muss die Luzerner Wohnsitzgemeinde die volle Restfinanzierung gemäss den Regeln des Standortkantons des Pflegeheims übernehmen. Das Bundesrecht sieht ausdrücklich vor, dass die pflegebedürftige Person im ausserkantonalen Heim bleiben kann, auch wenn später ein Heimplatz in einem innerkantonalen Pflegeheim gefunden wird; die Luzerner Gemeinde muss weiterhin die gesamte anfallenden Restfinanzierung übernehmen. Im Bereich der Restfinanzierung besteht somit eine Besitzstandswahrung

Wie sich die aus Art. 25a Abs. KVG verankerte Besitzstandswahrung im interkantonalen Verhältnis mit § 1 Abs. 1bis ELV-LU verhält, wurde meines Wissens bisher noch nicht gerichtlich geklärt. Wenn die Klientin in das ausserkantonale Altersheim eintreten musste, weil zum Zeitpunkt des Heimeintritts in ihrer Planungsregion kein Platz in einem Heim innerhalb der EL-Taxgrenze vorhanden war, darf nach meinem Dafürhalten von der Klientin nicht verlangt werden, nach Luzern zurückzukehren. Alles andere würde Art. 25a Abs. 5 KVG unterlaufen. Ich empfehle Ihnen, in diesem Fall eine begründete und anfechtbare Verfügung zu verlangen und die Sache gerichtlich zu klären. Ggf. ziehen Sie eine Anwaltsperson bei. 

Anders sieht es hingegen aus, wenn der Klientin im Zeitpunkt des Heimeintritts in das ausserkantonale Altersheim ein Platz in ihrer Planregion innerhalb der EL-Taxgrenze angeboten werden konnte. In diesem Fall ist § 1 Abs. 1bis ELV-LU nicht anwendbar. Die Pflegerestfinanzierung nach Art. 25a Abs. 5 KVG orientiert sich in diesem Fall nach kantonalem Recht d.h. die Luzerner Wohngemeinde muss bei einem ausserkantonalen Pflegheimaufenthalt höchstens die ihrem Vertragsheim geschuldete Restfinanzierung übernehmen (vgl. zum Ganzen auf der Website des DISG zum Betreuungs- und Pflegegesetz die Dokumente Häufige Fragen zur Restfinanzierung bei der Krankenpflege im Pflegeheim und Pflegefinanzierung - Zuständigkeit für die Restfinanzierung bei interkantonaler Pflege). 

Ich hoffe, die Angaben helfen Ihnen weiter und ich grüsse Sie freundlich.

 

Luzern, 29.7.2025

Karin Anderer