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Auslegung der kantonalen Weisung

Veröffentlicht:
10.09.2020
Kanton:
Wallis
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Guten Morgen

Grundlage für unsere Fragestellung ist die kant. Weisung vom 01. Juli 2020 (Berechnung des Sozialhilfebudgets) und im konkreten dreht sich die Fragestellung um die Auslegung von Vermögen im Ausland.

Im Abschnitt 18 (Grundeigentum) ab S. 33 wird die Thematik behandelt. So wird festgehalten, das die SKOS-Empfehlung E.2.2 angewendet wird und für Immobilien im Ausland die gleichen Prinzipien wir für Imobilien in der Schweiz gelten. In der Walliser Präzisierung werden Fälle genannt, bei welchen ein Verkaufsverzicht  möglich ist (S. 34). Konkret wird im letzten Abschnitt dann das Thema Grundeigentum im Ausland behandelt und dort erwähnt, dass der Verkauf von solchem bevorzugt behandelt werden muss. 

Wie kann diese Regelung verstanden und ausgelegt werden? Welche Aspekte müssen berücksichtigt werden, damit der bevorzugte Verkauf einer ausländischen Liegenschaft prioritär behandelt werden muss? Bei welchen Voraussetzungen können die Fallbeispiele, bei welchen auf ein Verkauf verzichtet werden kann, in die Überlegungen einbezogen werden?

Gemäss kantonaler Weisung muss eine Person, welche über Vermögenswerte im Ausland verfügt, folgende Vereinbarung unterzeichnen https://www.vs.ch/de/web/sas/ouverture-du-dossier-d-aide-sociale

Dieses Vorgehen erscheint uns insofern als unverhältnismässig im Sinne, dass es schwierig ist, ein Haus im Ausland innerhalb 3 Monate zu verkaufen. Allenfalls muss zuerst eine Schatzung veranlasst werden, ein Makler organisiert werden etc.

Auch wenn Klienten diese Vereinbarung unterschreiben und das bestmöglichste versuchen, den Verkauf zu organisieren, wird trotzdem die Sozialhilfe degressiv gewährt und nach einem Jahr wird nichts mehr ausbezahlt. So wird ein Klient sanktioniert, obwohl er seiner Mitwirkungspflicht nachkommt. Diesen Umstand empfinden wir als stossend.

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Guten Tag Frau Loosli

Im Juli 2021 wurde im Kanton Wallis die gesetzliche Grundlage erneuert. Das ARGES wurde durch eine Verordnung ersetzt, das GES wurde übearbeitet und es existiert nun nur noch eine Weisung zum GES. Unter Einbezug der veränderten Rahmenbedinungen erlauben wir uns, die in dieser Fragestellung thematisierten Aspekte neu beurteilen zu lassen.

Nicht verändert hat sich aus unserer Sicht die Problematik, dass Klient/innen einem Verkauf zustimmen müssen und dabei auch akzeptieren, dass die Sozialhilfe in zeitlichen Abständen degressiv gekürzt wird. Wird das von der DSW vorgegebene Formular von den Antragsteller/innen jedoch nicht unterschrieben, wird auf deren GEsuch nicht eingetreten resp. sie werden nicht unterstützt. Bemühen sich die Personen redlich um den Verkauf ihrer Immobilie, aber dauert die Sache länger an, werden diese trotzdem sanktioniert. Dies widerspricht unseres Erachtens den Grundsätzen der Subsidiarität der Hilfe Art. 2 VES, der Verhältnismässigkeit der Hilfe (Art. 4 VES) und dem Anspruch auf ein unantastbares Existenzminimum. (Art. 42 GES und Art. 12 BV). 

Wir haben gegenüber der zuständigen Dienststelle diese Problematik mehrfach thematisiert. Den Rückmeldungen der DSW entnehmen wir, dass zeitliche Anspruch, bis es zum Verkauf einer Liegenschaft kommen kann, anerkannt wird, jedoch aus Sicht der DSW die Sozialhilfe sich am Bedarfsprinzip orientiert und daher auf die Gegenwart sich fokussiert. Wörtlich äussert sich die DSW dann wie folgt:" Gemäss Pkt. 21.3.3 kann eine ordentliche Hilfe für eine Dauer von 3 Monaten ausgestellt werden erst danach erfolgen die Kürzungen. Somit ist das Existenzminimum über einen längeren Zeitraum gesichert. Die Sozialhilfe kann aber nur ausgestellt werden wenn der Verkauf verlangt wird sowie eine schriftliche Vereinbarung besteht, mit dem Verkaufserlös, die vorausgezahlte Hilfe zurückzuerstatten.  Falls der Ehepartner / die Ehepartnerin dem Verkauf nicht zustimmt und das Erstellen der Trennungsvereinbarung mehr Zeit in Anspruch nimmt als erhofft, kann/muss die Situation neu überprüft werden.

Im Beratungskonzept betrachten wir es als grosse Herausforderung, betreffene Personen über ihre Möglichkeiten informieren zu können, zumal der Ausgang offen ist. MIt der Unterzeichnung der oben erwähnten Vereinbarung anerkennen diese Personen ja die degressive Herabsetzung der Sozialhilfe. Wir hier nicht das Beschwerderecht ausgehebelt? 

Gerne erwarten wir eine Rückmeldung, wie Sie Situation aufgrund der neuen gesetzlichen Grundlagen beurteilen und welche Aspekte es aus Ihrer Sicht bei der Anwendung des GES zu beachten gilt.

Frage beantwortet am

Anja Loosli

Expert*in Sozialhilferecht

Sehr geehrter Herr Truffer

Vielen Dank für Ihre Frage. Ich beantworte diese gerne wie folgt:

1. Bevorzugung des Verkaufs von Grundeigentum im Ausland

Ich habe die Weisung dahingehend verstanden, dass bei Liegenschaften im Ausland der Verkauf der Sicherstellungshypothek/dem Schuldbrief vorzuziehen ist. Diese Lösung kann ich gut nachvollziehen, denn im Ausland gilt das dortige Recht. Ob es das Rechtsinstitut der Sicherstellungshypothek/des Schuldbriefes überhaupt gibt, ist deshalb ungewiss. Zudem ist eine allfällige Errichtung einer Sicherstellungshypothek/eines Schuldbriefes über die Landesgrenzen hinaus äusserst aufwändig. Rechtlich finde ich es zudem zulässig, den Verkauf einer Liegenschaft zu verlangen, sehen die betreffend Vermögen anwendbaren SKOS-Richtlinien in Kapitel E.2.2 den Verkauf doch implizit vor, wenn dort steht, dass kein Anspruch auf Erhalt von Grundeigentum besteht. Dieser Grundsatz geht auch aus dem Subsidiaritätsprinzip hervor, das besagt, dass nicht nur sämtliche Einnahmen sondern auch sämtliches Vermögen den Sozialhilfeleistungen vorgehen (Art. 2 Abs. 3 des Gesetzes über die Eingliederung und Sozialhilfe, GES).

2. Rechtliche Zulässigkeit der Befristung der Unterstützung von Personen mit Grundeigentum im Ausland

Die abgestufte Befristung der Unterstüzung bei Vorhandensein von Grundeigentum (im Ausland) sehe ich aber als rechtlich problematisch an.

Das GES selbst hält in Art. 2 Abs. 3 lediglich fest, dass Vermögen der antragstellenden Person den Leistungen der Sozialhilfe vorgeht. Was dies konkret für Grundeigentum bedeutet, wird nicht geregelt. Unter dem Titel Rückerstattung wird in Art. 22 GES zudem festgehalten, dass die Gewährung der Sozialhilfe von der Errichtung einer Hypothek zu Gunsten der Sozialhilfe abhängig gemacht werden kann. Das Thema „Verkauf“ wird unter diesem Titel nicht behandlet. In Art. 50 ARGES wird unter dem Titel Rückerstattung das Thema „Leistungen an Immobilieneigentümer“ nochmals aufgenommen. Dort steht unter Abs. 1, dass Personen im Besitz von Grundeigentum die Bedingungen zur Gewährung der Sozialhilfe nicht erfüllen. Falls die Gemeinde auf den Verkauf verzichten wolle, könne unter der Voraussetzung der Eintragung einer Hypothek Sozialhilfe ausgerichtet werden (Abs. 2).

Zwischenfazit: Mit der Regelung in Art. 50 ARGES hat der Kanton Wallis die Grundlage geschaffen, Personen mit Grundeigentum als nicht bedürftig zu bezeichnen und die Unterstützung nur bevorschussend und unter Absicherung mit einer Hypothek aufzunehmen. Es erscheint deshalb oberflächlich betrachtet auch zulässig, den Verkauf zu verlangen und geradezu entegenkommenderweise während maximal eines Jahres zu unterstützen unbesehen davon, ob das Grundeigentum veräussert werden konnte.

Die Problematik dieses Reglements und der fraglichen Weisung von Juli 2020 besteht aber darin, dass bei Grundeigentum das Geld nicht flüssig ist und zur Bestreitung des Lebensunterhalts nicht bzw. nicht unmittelbar zur Verfügung steht. Damit ist eine Person mit Grundeigentum dennoch bedürftig. Diese Meinung vertritt auch die SKOS. In den SKOS-Richtlinien, welche für das Thema Vermögen im Kanton Wallis anwendbar sind, wird in E.2.2 zwar lediglich festgehalten, dass kein Anspruch auf Erhalt einer Liegenschaft besteht. Es gibt jedoch ergänzend eine Empfehlung „Liegenschaften im In- und Ausland“. Dort ist festgehalten, dass die Verwertung einer Liegenschaft stets unter dem Aspekt der Verhältnismässigkeit zu erfolgen hat. Das geplante Vorgehen muss nicht nur erforderlich sein, um ein Ziel zu erreichen, sondern auch geeignet und zumubar. Ein Anspruch auf Sozialhilfe besteht zudem, solange eine Liegenschaft noch nicht verwertet ist. Wenn zwar eine Verwertung zumutbar ist, diese aber einige Monate dauert, befindet sich eine Person während dieser Zeit in einer Notlage und muss unterstützt werden.

Daraus folgt für mich, dass wenn eine unterstützte Person ihr Grundstück im Ausland nachweislich zu veräussern versucht, dies aber nicht gelingt, weil es z.B. in einer Gegend liegt, in der Liegenschaften kaum veräussert werden können, es unverhältnismässig wäre, die Unterstützungsleistungen zu reduzieren und/oder gar einzustellen, weil nach wie vor keine flüssigen Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung stehen und es niemandem zugemutet werden kann, ohne Unterstützung der Sozialhilfe zu leben, wenn er oder sie ausreichend Bemühungen unternimmt, um sein/ihr Grundeigentum im Ausland zu verkaufen und nach wie vor bedürftig ist.

Problematisch scheint mir zudem die Vereinbarung zu sein, die den Klienten vorgelegt werden und von ihnen unterzeichnet werden soll. Unterzeichnen sie diese nämlich, erklären sie sich einverstanden mit der abgestuften Einstellung der Unterstützungsleistungen, was ihnen entgegengehalten werden könnte, wenn sie sich gegen die Einstellung der Sozialhilfeleistungen wehren.

Schlussfolgerung: Meiner Ansicht nach ist aufgrund des Individualitäts- und des Verhältnismässigkeitsprinzips jeder Einzelfall zu prüfen. Ist der Verkauf einer Liegenschaft überhaupt zumutbar? Falls nein, ist auf den Verkauf und auf die entsprechende Vereinbarung zu verzichten. Falls ja, kann die Vereinbarung getroffen werden. Allerdings müsste meiner Ansicht nach der Teil betreffend abgestufte Einstellung dahingehend umformuliert werden, dass die abgestufte Einstellung geprüft wird. Falls der Verkauf nicht innert 3 Monaten usw. erfolgt, ist jeweils zu prüfen, ob die unterstützte Person sich ausreichend um den Verkauf bemüht hat. Falls nicht, ist meiner Ansicht nach auf eine Reduktion der Leistungen zu verzichten.

Ich hoffe, Ihnen mit dieser Antwort weiterhelfen zu können.

Freundliche Grüsse

Anja Loosli Brendebach