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Aufnahme selbstständige Erwerbstätigkeit ohne Rücksprache mit Sozialdienst

Veröffentlicht:
03.05.2022
Kanton:
Solothurn
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Sehr geehrte Damen und Herren

Anbei senden wir Ihnen gerne den Sachverhalt, bei welchem wir rechtlich nicht wissen, wie wir vorgehen müssen:

Der Klient hat während der Fallführung mehrmals erwähnt, dass er sich selbständig machen möchte als Garagist, da er seit über 20 Jahren darin Erfahrung hat und sich von der Sozialhilfe ablösen möchte. Er hat in diversen Garagen in der Schweiz gearbeitet.

Die Zustimmung vom Sozialdienst hat er nie erhalten, da er keine konkreten Ideen hatte, sondern lediglich davon sprach. Der Klient wurde von der zuständigen Sozialarbeiterin darauf hingewiesen, dass er die Voraussetzung für die eine Aufnahme einer selbstständigen Erwerbstätigkeit während Sozialhilfebezug nicht erfüllt (nicht ziel der sozialen Integration) und bei Aufnahme einer selbstständigen Erwerbstätigkeit keine Leistungen mehr bezahlt werden können.

Anfang April teilte der Klient der Sozialarbeiterin seine Idee per E-Mail mit, dass er eine Garage übernehmen könnte und er lediglich ein Depot bezahlen müsste und dieses Geld von einem Freund ausleihen könne.

Die zuständige Sozialarbeiterin teilte ihm mit, dass sie dies zuerst abklären muss und vereinbarte einen Besprechungstermin.

Ende April am Besprechungstermin nahm der Klient den bereits erstellten und beidseitig unterzeichneten Mietvertrag der Garage per 01.05.2022 mit. Das Depot in der Höhe von CHF 7'500.00 hätte ihm ein Freund geliehen (dieser Freund war ebenfalls am Gespräch dabei). Er müsse lediglich die Miete CHF 2'500.00 pro Monat für die Garage bezahlen, sonst hätte er keine Anzahlung oder etwas bezahlen müssen.

Er fragt, wie es mit der Sozialhilfe weitergeht. Ihm ist bewusst, dass der Sozialdienst nicht einfach weiterzahlen kann, teilt im Gespräch jedoch mit, dass er ja nicht weiss, wann er seine Ausgaben decken kann bzw. erstmals Einnahmen generiert, um die Existenz seiner Familie decken zu können.

Fragestellungen:

- Die Sozialhilfe für den Klient und seine Familie wurde bis 30.04.2022 ausgerichtet. Sollte ihm der Mai 2022 (wie bei allen anderen, die per 1. des Monats eine Erwerbstätigkeit beginnen), noch gewährt werden, um die Existenz sichern zu können?

-kann man davon ausgehen (fiktiv), dass per Aufnahme der selbstständigen Erwerbstätigkeit die Existenzsicherung beim KL liegt und somit die SH-Leistungen per 30.06.2022 (nach erstem Arbeitsmonat) eingestellt werden können? Wenn nein, was müssten unsererseits für Auslagen folgen?

- Müssen ihm die CHF 7'500.00, welche er vom Freund ausgeliehen hat, um das Depot zu bezahlen, eingerechnet werden oder gilt dieser Betrag als zweckgebundenes Darlehen, welches er für seine Selbständigkeit gebraucht hat?

Vielen Dank für die Rückmeldung.

Freundliche Grüsse

Joëlle Allemann

Frage beantwortet am

Anja Loosli

Expert*in Sozialhilferecht

Guten Tag

Vielen Dank für Ihre Fragen. Ich beantworte diese gerne wie folgt:

Im Sozialhilfehandbuch des Kantons Solothurn ist festgehalten, was der Lehre und Rechtsprechung in der Schweiz entspricht: Selbständigerwerbende sind grundsätzlich eigenverantwortlich und müssen das damit verbundene Geschäftsrisiko selbst tragen. Auch sie müssen nach Möglichkeit alles unternehmen, um ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln zu bestreiten und keine Sozialhilfeleistungen beanspruchen zu müssen. Die SKOS-Richtlinien (SKOS-RL), welche nach § 152 des Sozialhilfegesetzes des Kantons Solothurn (SHG SO) im Kanton Solothurn grundsätzlich anwendbar sind, halten in lit. h der Erläuterungen zu SKOS-RL C.2 fest, dass eine selbständige Tätigkeit eine (vorübergehende) Unterstützung nicht ausschliesse. Voraussetzung für die überbrückende Unterstützung sei die Bereitschaft, eine fachliche Überprüfung vornehmen zu lassen, ob die Voraussetzungen für das wirtschaftliche Überleben des Betriebes gegeben sind. Im Merkblatt «Unterstützung für Selbständige» der SKOS wird in Ziff. 5.2 zum Thema «Beginn einer selbständigen Tätigkeit» festgehalten, dass die Sozialhilfe nicht zum Ziel habe, bedürftige Personen beim Aufbau einer selbständigen Erwerbstätigkeit zu unterstützen. Dies sei nur in Ausnahmefällen denkbar. Ein Ausnahmefall könne beispielsweise dann vorliegen, wenn aufgrund der konkreten Umstände (persönliche Eignung, erfolgsversprechender Geschäftsplan) mit grosser Sicherheit davon ausgegangen werden könne, dass eine solche Tätigkeit in kurzer Zeit und langfristig zur wirtschaftlichen Selbsterhaltungsfähigkeit führen kann. Oder wenn mangels Alternativen eine selbständige Erwerbstätigkeit aus Gründen der sozialen Integration sinnvoll erscheine, wobei die Problematik der Wettbewerbsverzerrung dabei besonderes zu würdigen sei (Ziff. 3.2) Bevor erste Investitionen in den Aufbau einer selbständigen Erwerbstätigkeit getätigt würden, hätten unterstützte Personen in Rücksprache mit dem Sozialhilfeorgan die Wirtschaftlichkeit des Vorhabens prüfen zu lassen. Wenn Zuwendungen von Dritten verwendet würden, ohne dass dies zuvor mit dem Sozialhilfeorgan abgesprochen sei, könnten diese bei der Bedarfsbemessung als Einnahmen angerechnet werden. Wenn eine selbständige Erwerbstätigkeit aufgrund ungünstiger Wirtschaftlichkeitsprognose oder nicht erreichter Ziele vom Sozialhilfeorgan nicht länger akzeptiert werde, sei die betreffende Person per Auflage zur Anmeldung beim RAV zur Arbeitsvermittlung und zur Suche und Aufnahme einer existenzsichernden Anstellung zu verpflichten, sofern ihr dies gesundheitlich zumutbar sei (Ziff. 5.3 Merkblatt). Diese Voraussetzungen sind grundsätzlich auch im Sozialhilfehandbuch des Kantons Solothurn vorgesehen.

In dem von Ihnen geschilderten Fall hat der Klient das Einverständnis der Sozialhilfe für die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit nicht abgewartet. Da die Sozialhilfe dadurch vorgängig der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit nicht beurteilen konnte, ob vorliegend ein Ausnahmefall besteht, könnte sie deshalb allenfalls sofort die Aufgabe der Selbständigkeit verlangen, damit die Unterstützung weitergeführt wird. Im Sinne des Verhältnismässigkeitsprinzips erscheint es aber sinnvoll, im jetzigen Zeitpunkt dennoch zu prüfen, ob vorliegend ein Ausnahmefall gegeben und die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit sinnvoll ist. Während dieser Prüfung kann die Unterstützung nicht eingestellt werden. Der Klient darf allerdings verpflichtet werden, die dafür notwendigen Unterlagen einzureichen (§ 17 SHG SO). Die Unterstützungsleistungen können gekürzt werden, wenn er dies nicht tut (§ 165 SHG SO). Stellt sich aufgrund der Akten heraus, dass die Voraussetzungen zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit nicht gegeben sind oder reicht der Klient die erforderlichen Unterlagen nicht ein, kann die Sozialhilfe mittels Auflage die Aufgabe der selbständigen Tätigkeit verlangen mit der Folge der Leistungskürzung und allenfalls gar Einstellung bei Verletzung dieser Pflicht (§ 165 SHG SO).

Ich kann Ihre Fragen deshalb folgendermassen beantworten:

- Die Sozialhilfe für den Klient und seine Familie wurde bis 30.04.2022 ausgerichtet. Sollte ihm der Mai 2022 (wie bei allen anderen, die per 1. des Monats eine Erwerbstätigkeit beginnen), noch gewährt werden, um die Existenz sichern zu können?

Da der Klient die Investition des Depots mit Geld einer Drittperson getätigt hat und dafür vorgängig nicht das Einverständnis der Sozialhilfe eingeholt hat, kann die Sozialhilfe gemäss SKOS prüfen, ob diese Fr. 7'500.-- als im Mai anrechenbare Einnahmen zu werten sind. Eine generelle Ablösung aufgrund der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit ab Mai 2022 erscheint mir aber ansonsten rechtlich nicht zulässig, da Einkommen eines Monats im Folgemonat anzurechnen sind, der Klient im April noch nicht selbständig erwerbstätig war und deshalb nichts verdient hat und er auch noch nicht aufgefordert worden ist, die selbständige Tätigkeit aufzugeben.

-kann man davon ausgehen (fiktiv), dass per Aufnahme der selbstständigen Erwerbstätigkeit die Existenzsicherung beim KL liegt und somit die SH-Leistungen per 30.06.2022 (nach erstem Arbeitsmonat) eingestellt werden können? Wenn nein, was müssten unsererseits für Auslagen folgen?

Zwar hat der Klient nicht abgewartet mit der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit, bevor er das Einverständnis der Sozialhilfe vorliegen hatte. Eine Einstellung per Juni oder Juli ohne vorgängige Auflage scheint mir aufgrund der obigen Ausführungen rechtlich dennoch nicht heikel zu sein. Die Sozialhilfe müsste entweder die Auflage machen, dass der Klient die selbständige Erwerbstätigkeit bis zu einem gewissen Zeitpunkt (z.B. Ende Juni 2022) nachweislich wieder aufzugibt, ansonsten die Unterstützungsleistungen gekürzt oder gar eingestellt würden oder die Auflage, dass er die Unterlagen zur Prüfung der vorläufigen Weiterführung der Selbständigkeit bis zu einem gewissen Zeitpunkt (z.B. Ende Mai) einreicht, ansonsten die Unterstützungsleistungen gekürzt oder gar eingestellt würden. 

- Müssen ihm die CHF 7'500.00, welche er vom Freund ausgeliehen hat, um das Depot zu bezahlen, eingerechnet werden oder gilt dieser Betrag als zweckgebundenes Darlehen, welches er für seine Selbständigkeit gebraucht hat?

Ich verweise auf die Antwort zur ersten Frage.

Ich hoffe, Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen zu können.

Freundliche Grüsse

Anja Loosli Brendebach