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Aufnahme in Sozialhilfe für 1 Monat?

Veröffentlicht:
14.06.2022
Kanton:
Solothurn
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Guten Tag

Wir haben eine Neuanmeldung für den Sozialhilfebezug erhalten. Herr S. ist festangestellt und verdient durchschnittlich CHF 3635.00 pro Monat. Gemäss erweitertem Budget hat er Ausgaben von CHF 2385.55 pro Monat, somit ist er ca. CHF 1200.00 über dem Existenminimum. Im Mai hat Herr S. einen hohen Quellensteuerabzug erhalten und somit nur CHF 1253.85 verdient (einmalig). Er ist also 1 Monat im Defizit.

Mit dem Arbeitgeber habe ich besprochen, ob diese ihm den 13. Monatsloh (welcher im Juli kommt) vorschiessen können, damit er diese Lücke füllen kann und nicht in der Sozialhilfe landet. Dies ist leider nicht möglich gemäss Arbeitgeber.

Herr S. möchte nach wie vor für diesen Monat Sozialhilfe beziehen.

Für mich stellt sich die Frage, ob wir eine Person für 1 Monat in der Sozialhilfe aufnehmen müssen, wenn er 1 Monat ein Defizit aufweist, welches nachweislich im nächsten Monat wieder aufgehoben ist. Er hat im Monat zuvor und auch im Monat danach einen Überschuss von CHF 1200.00. Kann da nicht verlangt werden, dass er diesen Überschuss für die Deckung der Kosten im Juni (wegen geringer Mai Auszahlung) nutzen muss?

Falls ja, welche gesetzlichen Grundlagen kann ich für die Begründung beiziehen.

Ich bin sehr dankbar für eine rasche Rückmeldung und bedanke mich bereits im Voraus!

Liebe Grüsse

Ausgaben

Miete: CHF 910.00

KK Prämien: CHF 281.55

Max. Franchise/Selbstbehalt pro Monat: CHF 208.00

Grundbedarf: CHF 986.00

= CHF 2385.55

Einnahmen

Durchschnittlich: CHF 3635.0

Somit haben Sie einen Überschuss von CHF 1249.45, welche Sie für weitere Ausgaben wie bspw. ÖV Kosten oder Auto und Verpflegungskosten während der Arbeit benutzen können.

Einzig im Mai haben Sie wegen des hohen Quellensteuerabzuges CHF 1253.85 erhalten, somit ergibt sich in diesem Monat ein Defizit von ca. CHF 1136.10. Falls Sie keine Franchise/Selbstbehalts-Rechnungen in diesem Monat erhalten haben, haben Sie ein Defizit von CHF 928.10.

Nun stellt sich die Frage, ob Sie dieses Defizit selbstständig ausgleichen können (mit nächsten Lohnzahlungen, 13. Monatslohn) oder ob Sie sich nach wie vor für den Sozialhilfebezug für 1 Monat anmelden möchten?

Ich bitte um eine Rückmeldung bis am 14.06.2022. Besten Dank und einen schönen Tag.

Freundliche Grüsse

Frage beantwortet am

Ruth Schnyder

Expert*in Sozialhilferecht

Guten Abend

Gerne beantworte ich Ihre Anfrage. Leider ist es aus zeitlichen Gründen nicht möglich, eine Anfrage am gleichen Tag zu beantworten. Da ich nicht sicher bin, ob sie Ihnen noch dient, halte ich mich kurz.

Im Zentrum steht bei Ihrer Fragestellung, ob in Fällen wie dem geschilderten es zulässig ist, das Existenzminimum für einen Monat zu unterschreiten.  

Weder im SG / SO noch in der SV / SO findet sich zu Ihrer Frage eine Antwort, ausser dass in Fällen der vorübergehenden Notlage ein Darlehen gemäss § 94 SV / SO gewährt werden kann (dazu das Handbuch). Weder ein Darlehen noch wirtschaftliche Hilfe zu gewähren, obschon das Existenzminimum in einem Monat nicht gedeckt werden kann, ist aus meiner Sicht nicht zulässig und lässt sich auch nicht mit den Prinzipien der Sozialhilfe, allen voran dem Individualisierungsprinzip und dem Bedarfsdeckungsprinzipgemäss § 148 SG / SO und SKOS-RL A.3 Abs. 3 und 4 in Verbindung mit § 152 SG / SO (dazu auch das Handbuch) begründen. Auch wenn im konkreten Fall keine Selbstbehalte/Franchise anfallen würden, kann der betreffende Gesuchsteller im Juni entweder die Miete nicht bezahlen oder seinen alltäglichen Bedarf nicht decken, wobei er die Krankenkasse auch etwas herauszögern könnte. Im Übrigen sollte bei der Bedarfsberechnung meiner Meinung nach noch der Einkommensfreibetrag (§ 93 Abs. 1 Bst. h SV / SO) einberechnet werden, den Sie bei Ihrer Berechnung nicht berücksichtigt haben. Weder aus SG, SV noch Handbuch ergibt sich, dass der Einkommensfreibetrag beim Eintritt (Erstberechnung) nicht zu berücksichtigen wäre.

Eine Berufung auf das Bedarfsdeckungsprinzip- und auch Individualisierungsprinzip dürfte in Frage kommen, wenn der Gesuchsteller über Vermögen verfügen würde, das zwar in den Vermögensfreibetrag (§ 93 Abs. 1 Bst. j SV / SO) fällt, aber ausreichend hoch wäre, um seinen Ausgabenüberschuss zu decken. Er könnte diesen Vermögensverbrauch dann in den Folgemonaten mit dem Überschuss wieder ausgleichen. Ausserdem steht ihm aus meiner Sicht auch die Möglichkeit offen, zumindest Zahlungserleichterung gemäss Art. 166 DBG beim Steueramt zu beantragen (vgl. auch die betreffende Webseite des Steueramtes des Kantons Solothurns). Zu guter Letzt könnte er umgehend die individuelle Prämienverbilligung noch geltend machen, wodurch er finanziell ebenfalls entlastet würde. In diesem Fall wäre es grundsätzlich vertretbar, unter Berufung auf das Bedarfsdeckungsprinzip (siehe dazu auch Guido Wizent, Sozialhilferecht, alphaius, Dike 2020, Rz 465, jedoch noch unter Bezugnahme das damals geltende Kap. A.6 SKOS-RL 2017, welches heute so nicht mehr gilt) Leistungen (Darlehen oder wirtschaftliche Hilfe) für den Juni verfügungsweise abzulehnen. Anders würde es sich verhalten, wenn der Gesuchsteller noch weitere für die Sozialhilfe relevante Ausgaben zu verzeichnen hätte (z.B. Zahnarzt, Erwerbsauslagen), die er zu bestreiten hätte.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass bei fehlenden finanziellen Ressourcen dem Gesuchsteller zumindest ein Darlehen zu gewähren wäre. Die Sozialhilfe könnte sich aufgrund des Gesuchs um Zahlungserleichterungen allfällige Steuerrückerstattungen abtreten lassen.

Ich hoffe, Ihnen damit Ihre Frage beantwortet zu haben.

Freundliche Grüsse, Ruth Schnyder