Grüezi zusammen
Unsere Frage betrifft einen 60-jährigen Mann, welcher seit November 2021 erneut Sozialhilfe bezieht.
Er hat sich am 24.11.2022 eine Gutschrift von rund CHF 12'500 Freizügigkeitsleistungen auszahlen lassen. Laut seiner Aussage habe er gleichentags rund CHF 10'000 davon abgehoben und im Casino verspielt.
Unsere Frage dazu: inwiefern muss der Betrag im Zusammenhang mit der laufenden Sozialhilfeunterstützung verrechnet werden? Er hat das Geld ja grösstenteils nicht mehr. Zählt es als Einnahme oder als Vermögen (oder natürlich beides)…
Vielen Dank für eure Bemühungen.
Frage beantwortet am
Anja Loosli
Expert*in Sozialhilferecht
Guten Tag
Ich bedanke mich für Ihre Frage. Darf ich eine Rückfrage stellen? Verstehe ich es richtig? Hat der Klient einen Vorbezug der Freizügigkeitsleistungen gemacht? Oder aus welchem Grund konnte er sich die Freizügigkeitsleistungen ausbezahlen lassen?
Ich bedanke mich für Ihre Unterstützung.
Freundliche Grüsse
Anja Loosli Brendebach
Sehr geehrte Frau Loosli Brendebach
Vielen Dank für Ihre Kontaktaufnahme.
Korrekt; der Klient hat bei Erreichen des 60. Lebensjahrs einen Vorbezug der Freizügigkeitsleistungen gemacht.
Beste Grüsse
Frage beantwortet am
Anja Loosli
Expert*in Sozialhilferecht
Guten Tag
Ich bedanke mich für Ihre Unterstützung und kann Ihre Frage nun gerne folgendermassen beantworten:
Nach SKOS-RL D.3.3 Abs. 5 gehören ausgelöste Guthaben der Altersvorsorge zum anrechenbaren Vermögen und sind für den aktuellen und zukünftigen Lebensunterhalt zu verwenden. In den Erläuterung lit. b zu SKOS-RL D.3.3 empfiehlt die SKOS deshalb, dass ausgelöste Guthaben der gebundenen Vorsorge für den aktuellen und zukünftigen Lebensunterhalt zu verwenden sind. Aus den betreffenden Mitteln könne daher grundsätzlich keine Rückerstattung von rechtmässig bezogener Sozialhilfe verlangt werden. Wenn man die SKOS-RL genau liest, gilt diese Empfehlung aber nur für die Rückerstattung aufgrund günstiger Verhältnisse nach SKOS-RL E.2.1. Die Unterstützungsleistungen, die ab Eintritt des Vorsorgefalls (hier der Zeitpunkt des Eintritts des Vorbezugsalters) bis zur Ausbezahlung des Freizügigkeitsguthabens bezahlt wurden, können als bevorschusste Leistungen zurückverlangt werden (SKOS-RL E.2.2). Das Bundesgericht geht in BGE 8C_441/2021 vom 24.11.2021 weiter und erachtet im Fall der Auszahlung des Freizügigkeitsguthabens bei Erreichen der Freibetragsgrenze auch eine Rückerstattung aufgrund günstiger Verhältnisse als zulässig, da das Freizügigkeitsguthaben ab Auszahlung nicht mehr geschützt sei.
Der Kanton Baselland kennt die Rückerstattung aufgrund von bevorschussten Leistungen ebenfalls (§ 12 Abs. 1 SHG BL). Auch die Rückerstattungspflicht aufgrund von gebesserten Verhältnissen ist vorgesehen (§ 13 SHG BL). Gebessert gelten die Verhältnisse dann, wenn ein Einkommensüberschuss oder Vermögen vorhanden ist (§ 24 SHV BL). Im Sozialhilfehandbuch des Kantons Baselland steht unter dem Titel «Vorbezug von Pensionskassengeldern» auf S. 276f., dass (ausbezahlte) Freizügigkeitsleistungen nicht zur Rückerstattung von bezogenen Sozialhilfeleistungen herangezogen werden.
Vorliegend könnte man nach SKOS-RL somit sagen, die Sozialhilfe habe ab dem Geburtstag des Klienten, bei dem er das Vorbezugsalter erreicht hat, bis zur Auszahlung des Freizügigkeitsguthabens bevorschussend unterstützt. Die Unterstützungsleistungen könnten dann ab diesem Zeitpunkt bis zur Auszahlung im maximalen Umfang von Fr. 12'000.-- zurückverlangt werden. Dabei spielt es keine Rolle, dass der Klient das Geld weitgehend sofort ausgegeben hat. Als weitere Voraussetzung müsste der Klient mit der Verrechnung einverstanden sein oder die Rückerstattung müsste verfügt werden.
Wenn Sie nun aber den Eintrag im Sozialhilfehandbuch Baselland eng auslegen, müssten Sie auf eine Rückerstattung verzichten, weil dort steht, dass die (ausbezahlten) Freizügigkeitsleitungen nicht zur Rückerstattung herangezogen werden.
Freundliche Grüsse