Frau A. und Herr B. haben gemeinsam 4 Kinder. Das älteste Kind ist 19 Jahre alt, das jüngste 9 Jahre. Das Paar lebt im Konkubinat.
Frau A. ist zu 100% AUF. Herr B. arbeitet 80%. Frau A. meint, Herr B. könne nicht 100% arbeiten, da sie ihn zur Unterstützung zu Hause brauche.
Die Einnahmen der Kinder und Herr B. reichen aus, damit ein Konkubinatsbeitrag bei Frau A. im Budget angerechnet werden kann. Frau A. erhält pro Monat ca. CHF 100-200.00 WSH.
Gibt es eine gesetzliche Grundlage, dass der Sozialdienst in den Auflagen verlangen kann, dass Herr B. 100% arbeitet, um seine Partnerin Frau A. von der WSH abzulösen?
Lieben Dank für die Rückmeldung. Freundliche Grüsse, Tamara Cortés
Frage beantwortet am
Ruth Schnyder
Expert*in Sozialhilferecht
Liebe Tamara
Gerne beantworte ich dir deine Anfrage. Konkubinate sind familienähnliche Wohn- und Lebensgemeinschaften, welche nach den SKOS-RL 2021 keine Unterstützungseinheit bilden (SKOS-RL C.3.1 Erl. b). Die SKOS-RL sind im Kanton Zug nach § 9 SHV ZG für Ausgestaltung und Ausmass der Unterstützung massgebend - es liegen neben jenen Bestimmungen in der SHV ZG keine weiteren abweichenden Regelungen des Regierungsrates vor (Handbuch Sozialhilfe Kt. ZG, S. 3). In dem Sinne wird Herr B. nicht als Familienangehöriger in die Bedürftigkeitsbeurteilung und Bedarfsbemessung miteinbezogen (§ 19 SHG ZG, SKOS-RL C.2 Abs. 2 und Erl. b). Insoweit gilt er nicht als hilfesuchende Person, die Unterstützung im Sinne des Gesetzes bezieht. Aber nur die Unterstützung darf mit Auflagen und Weisungen verbunden werden (§ 21bis SHG ZG). Die Leistungen dürfen denn auch nur gekürzt, verweigert oder unterbrochen werden, wenn der hilfesuchenden Person Versäumnisse vorzuwerfen sind (§ 21ter SHG ZG). Insoweit bin ich der Meinung, dass gegenüber Herrn B. keine Auflage erteilt werden kann, sich um ein höheres Pensum zu bemühen.
Es stellt sich die Frage, ob die Anrechnung eines höheren Einkommens von Herrn B. im (erweiterten) SKOS-Budget zulässig wäre. Soweit das höhere Einkommen verfügbar wäre, dann wäre ein solches Vorgehen nicht zu beanstanden (SKOS-RL D.1 Abs. 1). Unzulässig wäre jedoch die Anrechnung eines hypothetisch höheren Einkommens, da nur tatsächlich verfügbares Einkommen angerechnet werden darf – ein allgemeiner Grundsatz, welcher aus dem Bedürftigkeitsgrundsatz fliesst (§ 19 SHG ZG; vgl. auch Tatsächlichkeitsprinzip, Wizent Guido, Sozialhilferecht, alphaius 2020, S. 149 ff.). Denn würde der Konkubinatsbeitrag auf Basis eines hypothetisch höheren Einkommens bemessen, wäre der betreffende Teil des im Budget von Frau A. angerechneten Konkubinatsbeitrags nicht realisierbar. Frau A. wäre in diesem Umfang weiterhin bedürftig.
Zusammenfassend besteht keine sozialhilferechtliche Grundlage, den nicht unterstützten Konkubinatspartner zur Erhöhung seines Pensums zu verpflichten. Hingegen könnte mit der Klientin angeschaut werden, wie die Situation im Haushalt und bei der Kinderbetreuung verbessert werden könnte, damit sie eine höhere Selbständigkeit erreicht. Jedenfalls kann die ärztlich attestierte Arbeitsunfähigkeit nicht direkt auf den Haushalt übertragen werden. Es wäre medizinisch abzuklären, inwieweit sie im Haushalt und bei der Kinderbetreuung eingeschränkt ist. Auf dieser Basis könnte das weitere Vorgehen entworfen werden.
Allenfalls würde eine zivilrechtliche Unterhaltsklage ans Zivilgericht eine Möglichkeit bieten. Aufgrund von Art. 289 Abs. 2 ZGB wäre die Sozialhilfe zur Klage legitimiert. Das Gericht könnte den Bar- und Betreuungsunterhalt für die Kinder festlegen (Art. 276 und Art. 285 ZGB). Das Gericht würde dies auf Basis des betreibungsrechtlichen Existenzminimums tun. Im Zivilrecht ist die Anrechnung eines hypothetischen Einkommens ein Weg, um den Unterhaltsschuldner zu einer höheren Erwerbstätigkeit zu zwingen. Ob das Gericht dies im vorliegenden Fall tun würde, wage ich insbesondere dann zu bezweifeln, wenn der Bedarf an Mithilfe von Herrn B. im Haushalt plausibel erscheint.
Ich hoffe, dir damit deine Frage beantwortet zu haben.
Herzliche Grüsse
Ruth