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Auflage zu psychologischer Begleitung und Unfallversicherung bei Anstellung bei der Gemeinde

Veröffentlicht:
16.04.2019
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Auflage zu psychologischer Begleitung:
Die Gemeinde, die für meinen Klienten zuständig ist, möchte wissen, ob eine Auflage zu psychologischer Begleitung rechtlich haltbar wäre und dem Klienten im Sinne der besseren sozialen bzw. beruflichen Integration zugemutet werden kann. Die berufliche Integration in den letzten Monaten bei Caritas zeigte, dass der Klient wiederholt bei Veränderungen im Team (neuer Vorgesetzter, neue Teammitglieder) sich krank meldete. Der Klient selber ist nicht motiviert eine psychologische Begleitung in Anspruch zu nehmen mit der Begründung, dass er seine Geschichte nicht mehr aufrollen möchte, da er wisse, dass ihn das nur krank machen würde. Er hat für einige Jahre seine pflegebedürftige Partnerin gepflegt, welche inzwischen verstorben ist. Anzufügen ist, dass er Probleme hatte am Morgen rechtzeitig am Arbeitsplatz zu erscheinen, da er grosse Schwierigkeiten hat am Morgen aus dem Bett zu kommen. Die berufliche Integration ist dadurch schwierig, da kaum ein Arbeitgeber erst am Nachmittag Mitarbeitende beschäftigt. Auch ein Alkoholproblem und Verwahrlosungstendenzen sind nicht auszuschliessen. Meiner Meinung nach kann psychologische Begleitung nur weiterhelfen, wenn eine minimale Motivation vorliegt. Dass der Klient durch die psycholog. Begleitung an Stabilität gewinnen könnte, bin ich überzeugt. Dies würde auch die berufliche Eingliederung erleichtern.
Anstellung bei der Gemeinde:
Die Gemeinde möchte den Klienten beschäftigen, jedoch nicht für die Unfall- und Krankheitskosten aufkommen müssen, da es risikobelastet sei.
Ich denke, dass eine Anstellung ab 8 Arbeitsstunden/Woche eine Versicherung durch den Arbeitgeber, in diesem Fall durch die Gemeinde, die Regel ist.

Frage beantwortet am

Cathrin Habersaat-Hüsser

Expert*in Sozialhilferecht

Sehr geehrte Frau Egli
Bezüglich Ihrer sozialversicherungsrechtlichen Frage verweise ich Sie gerne auf das Expertenforum Sozialversicherungsrecht. Die Frage bezüglich Auflage zur psychologischen Begleitung beantworte ich gerne:
Art. 3 des Gesetzes über die Sozialhilfe (Sozialhilfegesetz, SHG NW) führt das Subsidiaritätsprinzip wie folgt aus: «Jede hilfesuchende Person ist verpflichtet, alles Zumutbare zu unternehmen, um eine Notlage aus eigener Kraft abzuwenden oder zu beheben». Dabei sei den Besonderheiten der hilfeempfangenden Person angemessen Rechnung zu tragen (Art. 5 Abs. 1 SHG NW). Art. 21 SHG NW konkretisiert, dass die Sozialhilfe mit Auflagen verbunden werden kann, die geeignet sind, die Lage der Beziehenden zu verbessern. Es besteht somit eine gesetzliche Grundlage im Kanton Nidwalden zur Auferlegung von Auflagen durch die Sozialhilfe, die Gesetzmässigkeit ist dadurch gegeben.
Gemäss §8 der Vollzugsverordnung zum Gesetz über die Sozialhilfe (Sozialhilfeverordnung, SHV NW)
orientiert sich die Bemessung der wirtschaftlichen Sozialhilfe an den Empfehlungen der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS-Richtlinien) in der Fassung vom April 2005 (4. Auflage) inklusive den Ergänzungen bis 12/16 (Abs. 1). Die Anhänge 1 und 2 regeln Abweichungen von den SKOS-Richtlinien, welche bezüglich Auflagen aber keine Regelungen enthalten (Abs. 2).
A.8 führt aus, dass die Unterstützung mittels Sozialhilfe an die Mitwirkung der Hilfesuchenden gebunden ist. Die Sozialhilfeorgane haben dabei die betroffenen Personen umfassend über ihre Rechte, aber auch die Pflichten zu orientieren, inklusive der Rechtsfolgen bei Nichterfüllung der Pflichten. A.5.2 SKOS-Richtlinien führt als eine Pflicht aus, dass wer Sozialhilfe bezieht, sich nach seinen Kräften zur Verminderung und Behebung der Notlage beizutragen habe. Insbesondere diene zur Minderung der Bedürftigkeit ein Beitrag zur beruflichen und sozialen Integration. „Unterstützte Personen können zur Teilnahme an zweckmässigen und zumutbaren Massnahmen zur beruflichen und/oder sozialen Integration verpflichtet werden.“ Das deckt sich mit den obigen gesetzlichen Ausführungen.
Bezüglich Auflagen findet sich in den SKOS-Richtlinien weiter folgendes:.
Gemäss SKOS-Richtlinie A.8.1 soll mit einer Auflage auf das Verhalten der der unterstützten Person eingewirkt und die Erfüllung von Pflichten verbindlich eingefordert werden. Dabei muss sich der mit der Auflage verfolgte Zweck zwingend mit dem Zweck der Sozialhilfe (hier: wirtschaftliche und persönliche Selbstständigkeit) decken. Die SKOS-Richtlinien führen in A.8 aus: «Art und Umfang einer Gegenleistung orientieren sich an den individuellen Ressourcen und den persönlichen Verhältnissen der unterstützten Person und wird nach Möglichkeit gemeinsam ausgehandelt. Nicht alle Sozialhilfebeziehenden sind in der Lage, mit Gegenleistungen einen aktiven Beitrag zur Minderung der Unterstützungsbedürftigkeit beizutragen. Gründe dafür sind vielfach psychische oder körperliche Beeinträchtigungen. Das Ziel der Existenzsicherung darf in solchen Fällen nicht in Frage gestellt werden. Beim Einfordern von Pflichten sind die Grundsätze der Zumutbarkeit und der Verhältnismässigkeit zu beachten. Zu berücksichtigen sind neben den individuellen Möglichkeiten der betroffenen Person auch die tatsächlich vorhandenen Voraussetzungen zur Erbringung einer bestimmten Gegenleistung.“ Unter D.2 wird die Geeignetheit einer Massnahme, als Teil der Verhältnismässigkeit näher umschrieben, sie muss dem Alter, dem Gesundheitszustand, den persönlichen Verhältnissen und den Fähigkeiten der hilfesuchenden Person angemessen sein und die soziale und berufliche Integration ermöglichen oder fördern und dadurch den gesellschaftlichen Ausschluss verhindern. Berufliche Integration beginnt mit Sozialkompetenzen wie Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, Beziehungsfähigkeit etc., was bei Ihrem Klienten ausbaufähig erscheint. Ihrem Beschrieb entnehme ich, dass grundsätzlich berufliche Massnahmen aber in Frage kommen. Die Frage ist also, ob die psychologische Begleitung im Rahmen der sozialen und beruflichen Integration verhältnismässig ist. Es stellt sich mir die Frage, was Sie mit psychologischer Begleitung meinen. Ist eine Psychotherapie, welche von Psychiaterinnen oder Psychiatern oder delegiert arbeitenden Psychologen und von der Krankenkasse im Rahmen der Grundversicherung nach Art. 2 Verordnung des EDI über Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (KLV) durchgeführt wird gemeint? Den Zielsetzungen der Sozialhilfe würde eine Psychotherapie jedenfalls entsprechen, wenn sie der sozialen und beruflichen Integration dient. Eine psychologische Begleitung hingegen ist meist nicht krankenkassenanerkannt und findet bei nicht anerkannten Fachpersonen statt, weswegen eine Auflage dahingehend wohl nicht statthaft wäre. Die weiteren Ausführungen beziehen sich somit auf die Psychotherapie.
Die Verhältnismässigkeit beinhaltet drei Punkte:
Geeignet?
Grundsätzlich Ja, das Ziel, die soziale bzw. berufliche Integration, kann durch eine Psychotherapie erhöht werden, wenn das Ziel die Bearbeitung bsp. Des Alkoholproblems, der Verwahrlosung oder des Aufbaus von Stabilität und Beziehungsfähigkeit ist. Hier ist ausschlaggebend (und müsste auch bei der Anordnung der Auflage aufgezeigt werden), welche psychischen Probleme die Sozialhilfe beim Klienten sieht, welche zudem aktenkundig sind, die typischerweise mit Psychotherapie angegangen werden können, um das Ziel der nachhaltigen Integration zu gewährleisten. Falls zu wenig Anhaltspunkte dazu in den Akten sind, wäre ein Weg den Therapiebedarf hausärztlich abklären zu lassen.
Notwendig? Es ist zu prüfen, ob es eine mildere Massnahme als die Auflage zur Psychotherapie gäbe, die ebenfalls zielführend wäre. Dem Fallbeschrieb entnehme ich, dass ein Integrationsprogramm bei der Caritas durchlaufen wurde und dabei keine Verbesserung durch die Rahmenbedingungen des Programms erreicht werden konnten. Eine weitere mildere Massnahme kommt mir nicht in den Sinn, wobei ich mich mit den Möglichkeiten in Nidwalden nicht besonders gut auskenne. Tendenziell kann somit auch dieses Element bejaht werden.
Zumutbar?
Ist die bedürftige Person aufgrund ihrer psychischen und physischen Verfassung sowie unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Umstände in der Lage, die geforderte Leistung, die Psychotherapie zu erbringen? Wiegt der Eingrifft ins Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Person weniger schwer als das öffentliche Interesse? Auch das würde ich eher bejahen, es ergeben sich für mich keine Hinweise aus ihrem Beschrieb, das die Person nicht in der Lage dazu wäre und das öffentliche Interesse an der Behebung der Bedürftigkeit überwiegt.
In der Praxishilfe H.12 der SKOS-Richtlinien finden sich noch weitere Fragen, die vor einer Anordnung von Auflagen geprüft werden können. Auch finden Sie da ein Vorgehen bei der Anordnung von Auflagen. (Festlegen der Auflage/ Prüfung der Gesetzmässigkeit und Verhältnismässigkeit/ Rechtsgleichheit/ Willkürverbot/ Gelegenheit zur vorgängigen Äusserung der betroffenen Person zum Sachverhalt. Auseinandersetzung der Sozialhilfeorgane mit den Argumenten der betroffenen Person/ Einhalten der verfahrensrechtlichen Vorgaben). A.8.1 führt explizit aus, dass Auflagen der betroffenen Person klar zu kommunizieren seien, damit sie unmissverständlich weiß, was von ihr verlangt wird und welche Konsequenzen die Nichterfüllung einer Auflage nach sich zieht.
Grundsätzlich erscheint also eine Auflage zur Aufnahme und Durchführung einer Psychotherapie als vertretbar. Wie Sie selber festhalten, ist die fehlende Motivation ein nicht zu vernachlässigbares Problem für die erfolgreiche Umsetzung der Auflage. Daher ist es notwendig, dass vorgängig und während der Auflage sozialarbeiterisch mit dem Klienten an seiner Motivation gearbeitet wird. Eventuell erhöht sich ja die Motivation auch durch die Anstellung bei der Gemeinde. Ebenfalls sollte dem Hilfesuchenden Unterstützung bei der Suche eines geeigneten Therapeuten bwz. Therapeutin angeboten werden. Damit tragen Sie auch dem Individualisierungsgrundsatz nach Art. 7 SHG NW sowie dem persönlichen Hilfeanspruch nach Art. 15 SHG NW Rechnung.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen, ansonsten ungeniert nochmals melden.
Freundlich grüsst
Cathrin Habersaat