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Auflage Wohnungssuche trotz Arbeitsunfähigkeitszeugnis

Veröffentlicht:
16.11.2023
Kanton:
Zürich
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Sehr geehrte Damen und Herren

Eine Klientin ist seit langem 100% arbeitsunfähig geschrieben aufgrund Depression. Ihr Wohnung wurde gekündigt auf Ende November 2023 und die Miete liegt 100Fr. über den aktuellen Mietzinsrichtlinien der Gemeinde. Nun hat der Vermieter sich einverstanden erklärt den Vertrag bis vorerst Sommer 2024 zu verlängern, weil mittlerweile ein gutes Mietverhältnis besteht. Die Gemeinde ist aktuell in Überarbeitung der Mietzinsrichtlinien, jedoch besteht der aktuelle Maximalbetrag momentan offiziell noch weiterhin, auch wenn dieser faktisch nicht mehr den lokalen Gegebenheiten entspricht. Als Beiständin habe ich beantragt aufgrund dieser Sachlage auf die Auflage zur Deklaration von Wohnungsbemühungen zu verzichten. Die Gemeinde möchte an der Auflage festhalten. Können diese Auflagen trotz dargelegter Sachlage rechtlich durchgesetzt werden? Besten Dank für eine Klärung und Rückmeldung.

Frage beantwortet am

Anja Loosli

Expert*in Sozialhilferecht

Guten Tag

Ich bedanke mich für Ihre Frage.

In der Sozialhilfe gilt das Individualisierungsprinzip. Demnach sind Hilfeleistungen in jedem einzelnen Fall im Rahmen des Ermessens und der rechtlichen Rahmenbedingungen angepasst zu leisten (SKOS-RL A.3). Dieser Grundsatz wird auch im Sozialhilfegesetz des Kantons Zürich (SHG ZH) festgehalten: Die Hilfe richtet sich nach den Besonderheiten und Bedürfnissen des Einzelfalls und den örtlichen Verhältnissen (§ 2 SHG ZH).

Dies bedeutet, dass im Einzelfall je nach Lebensform und dem damit verbunden Bedarf punktuell von den pauschalisierten Leistungen abzuweichen ist (SKOS-RL A.3 Erläuterungen lit. b). Beim Entscheid, ob im konkreten Einzelfall die Voraussetzungen für die Abweichung vom Grundsatz gegeben sind, ist das Verhältnismässigkeitsprinzip zu beachten. Dieses besagt, dass Entscheide geeignet, erforderlich und zumutbar sein müssen (SKOS-RL A.4.2 Erläuterungen lit. c). Es muss ein vernünftiges Verhältnis zwischen dem angestrebten Ziel (vorliegend: Bezahlung Miete im Grenzwert) und den Einschränkungen, die sich dadurch für die unterstützte Person ergeben, bestehen.

Betreffend Wohnen empfehlen denn die SKOS-RL z.B., dass die Situation im Einzelfall zu prüfen sei, bevor ein Umzug verlangt werde. Zu berücksichtigen seien insbesondere das Alter und die Gesundheit einer unterstützten Person (SKOS-RL C.4.1 Abs. 4).

Aus dem Gesagtem ergibt sich, dass nur dann ein Umzug verlangt werden verlangt werden kann, wenn es der betroffenen Person zumutbar ist.

In der von Ihnen geschilderten Situation scheint die Klientin gesundheitlich beeinträchtigt zu sein und Depressionen zu haben. Ein erzwungener Umzug könnte sich deshalb ungünstig auf ihren Gesundheitszustand auswirken. Zudem scheint die Gemeinde in absehbarer Zeit den Mietzinsgrenzwert erhöhen zu wollen, so dass die Wohnungsmiete wieder im Grenzwert liegen könnte.

Liegt ein Arztzeugnis vor, in dem bescheinigt wird, dass ein erzwungener Umzug die gesundheitliche Lage der Klientin destabilisieren würde, ist es meiner Ansicht nach im vorliegenden Einzelfall – auch unter Berücksichtigung, dass die Mietzinslimite erhöht wird – vorliegend nicht gerechtfertigt, von der Klientin den Umzug zu verlangen bzw. den Mietzins nur noch in der Höhe der Mietzinslimite zu bezahlen.

Will die Gemeinde nicht einlenken, müssten Sie die entsprechende Verfügung anfechten und die oben ausgeführten Gründe geltend machen.

Ich hoffe, Ihnen mit meiner Antwort helfen zu können.

Freundliche Grüsse