Liebe Frau Anderer
Wir haben einen Antrag für eine Mitwirkungsbeistandschaft erhalten für einen 50 jähren Mann, vorliegend H.M. genannt. Der Sachverhalt präsentiert sich wie folgt:
Er ist als Kommanditär beteiligt an einer Kommanditgesellschaft. An dieser sind seine Eltern als Komplementäre beteiligt, sein Bruder zu gleichem Anteil wie er als Kommanditär. Im Handelsregister besteht der entsprechende Eintrag. Die Überführung in eine Aktiengesellschaft wäre mit hohen steuerlichen Kosten verbunden, weshalb man davon aktuell absehen möchte. Die Kommanditgesellschaft umfasst Immobilien, die sehr hohe Erträge abwerfen, welche allen Beteiligten gemäss Gesellschaftsvertrag anteilsmässig ausbezahlt werden. So fliessen H.M. monatlich Fr. 20'000 zu, über die er frei verfügen kann. H.M. selber ist nicht in der Lage, mit Geld umzugehen. In der Vergangenheit hat er sich aus div. Gründen (Gutmütigkeit, Unbeholfenheit, Frauen, etc.) sehr hoch verschuldet. Der Vater hat jeweils dafür gesorgt, dass die Ausstände wieder ausgeglichen wurden.
Von Seiten der Familie besteht nun die Befürchtung, dass H.M. durch unbedachte Handlungen das Familienvermögen zu Schaden bringen könnte. Die Idee ist, dass der Bruder als Beistand für H.M. eingesetzt wird. H.M. soll mittels der Mitwirkungsbeistandschaft z.B. nicht höhere Verträge als Fr. 1'000.00 abschliessen können. Eine Vertretungsbeistandschaft mir Vermögensverwaltung ist nicht erwünscht, das Problem mit der mangelnden Einkommensverwaltung soll über einen privaten Treuhänder gelöst werde. Man will H.M. nicht zu sehr einschränken. Absichern möchte man sich für die "grossen" Schäden.
Fragen:
Lässt sich der Eintrag im Handelsregister überhaupt mit einer Beistandschaft vereinbaren, da ja bereits durch den Eintrag eine gewisse Geschäftstätigkeit zum Ausdruck gebracht wird?
Wie ist der Schutz gutgläubiger Dritter zu bewerten bei Einrichtung einer Mitwirkungsbeistandschaft?
Vorliegend geht es wohl in erster Linie darum, das Familienvermögen zu schützen. Inwieweit ist es Aufgabe der KESB hier mitzuwirken, wenn das Problem allenfalls durch eine Überführung der Gesellschaft in eine AG erfolgen könnte, dies aber aus steuerlichen Gründen nicht passiert?
Wie präsentiert sich die Haftung der KESB resp. kommt die Staatshaftung zum Zug, sollte es im Rahmen einer Mitwirkungsbeistandschaft zu einem grösseren Schaden kommen?
Besten Dank im Voraus für Ihre Antwort.
Nicoletta Giger
Frage beantwortet am
Karin Anderer
Expert*in Kindes- und Erwachsenenschutz
Sehr geehrte Frau Giger
Was die Gesellschaft und die Gefährdung des Gesellschaftsvermögens betrifft, ist eine rein gesellschaftsrechtliche Angelegenheit. Im Gesellschaftsvertrag der Kommanditgesellschaft lassen sich Zeichnungsberechtigungen regeln, so dass der Herrn keinen Schaden zulasten des Gesellschaftsvermögens anrichten kann; eine vorhandene Zeichnungsberechtigung kann gelöscht werden. Was steuerrechtlich interessant und weniger interessant ist, muss die Gesellschaft klären, damit muss sich eine KESB nicht beschäftigen und deswegen besteht auch kein Handlungsbedarf. Der Gesellschaft ist allenfalls eine kompetente Beratung durch eine in gesellschaftsrechtlichen Fragen versierte Fachperson zu empfehlen.
Ob eine Erwachsenenschutzmassnahme für den Herrn notwendig ist, ist mir nicht klar. Wenn seine Einkommens- und Vermögensverwaltung über einen Treuhänder geregelt werden kann, so wie das erwähnt wird, weist das auf eine geeignete und vorgelagerte private Lösung hin. Zudem ist zu bemerken, dass es sich bei den Erwachsenenschutzmassnahmen nicht um einen „Selbstbedienungsladen“ handelt, die KESB hat sich nach den Verfahrensgrundsätzen des Art. 446 ZGB zu richten.
Fazit: Für die Absicherung des Gesellschaftsvermögens ist die KESB nicht zuständig. Ob der Herr die Voraussetzungen für eine Erwachsenschutzmassnahme erfüllt oder ob subsidiäre Massnahmen greifen, ist allenfalls Gegenstand weiterer Abklärungen.
Ich hoffe, die Angaben sind Ihnen nützlich und ich grüsse Sie freundlich.
Karin Anderer
Luzern, 13.2.2018