Guten Tag,
seit einiger Zeit wird die Familie von Herrn A. durch unsere Gemeinde mit wirtschaftlicher Sozialhilfe unterstützt. Herr A. hatte sich im Bereich der Gastronomie selbstständig gemacht und konnte mit dem neu eröffneten Geschäft den Lebensunterhalt für die Familie nicht bestreiten, weshalb sich seine Frau nach einiger Zeit an uns gewandt und um Unterstützung ersucht hat.
Die Unterstützung wurde aufgegleist, aber es wurde von Anfang an aufgezeigt, dass dies mit der selbstständigen Tätigkeit nur vorübergehend möglich ist. Als sich auch nach einigen Monaten keine Verbesserung der Geschäftssituation abzeichnete wurde durch uns eine Betriebsanalyse in Auftrag gegeben. Diese kam zu dem Schluss, dass sich das Geschäft unabhängig von der aktuellen Corona-Situation nicht rentiere. In der Folge wurde eine Vereinbarung aufgesetzt, wonach der Klient die Selbstständigkeit innerhalb von 6 Monaten aufzugeben und sich um eine Anstellung zu bemühen habe.
In der Zwischenzeit konnte Frau A. eine Anstellung als Pflegehelferin antreten, die Einnahmen sind aber nicht ausreichend, um den Lebensunterhalt zu bestreiten.
Herr A. zeigt nun kaum Bereitschaft, das Geschäft aufzugeben. Er äussert zwar immer wieder, dass er einen Käufer suche, kann aber keine konkreten Bemühungen nachweisen. Auch den Pachtvertrag für die Räumlichkeiten hat er bisher nicht gekündigt. Er wurde durch uns nach Ablauf der Frist für ein Arbeitsintegrationsprogramm angemeldet und erhielt die Auflage, dieses zuverlässig zu besuchen und sich gleichzeitig um eine Anstellung zu bemühen.
Nun liegt uns ein 100%-AUF-Zeugnis vor, weshalb Herr A. das AIP nicht antreten konnte. Gleichzeitig betreibt er aber sein Geschäft weiter. Ich habe den behandelnden Psychiater kontaktiert und dieser steht voll hinter seinem Patienten und wirft und Schikane vor. Herr A. müsse nun doch sehen,d ass der finanzielle Schaden auf seiner Seite bis zum Verkauf des Geschäfts möglichst gering gehalten werden kann, weshalb er seine Energie lieber in das Geschäft anstatt in ein sinnloses AIP investieren soll.
Nun meine Frage: müssen wir das AUF-Zeugnis akzeptieren, wenn Herr A. gleichzeitig im Bereich der Selbstständigkeit weiter arbeitet oder können wir dieses als nicht gültig ansehen und das Verfahren im Zusammenhang mit den nicht erfüllten Auflagen in die Wege leiten?
Vielen Dank für Ihre Antwort.
Frage beantwortet am
Anja Loosli
Expert*in Sozialhilferecht
Guten Tag
Vielen Dank für Ihre Frage. Darf ich zwei ergänzende Fragen zum Sachverhalt stellen?
- Welche Folgen wurden in der Vereinbarung betreffend Selbständigkeit mit dem Klienten vorgesehen für den Fall, dass der Klient die selbständige Tätigkeit nicht innerhalb von 6 Monaten aufgibt?
- Verstehe ich den Sachverhalt richtig? Der Klient hat nicht nur den Pachtvertrag und allenfalls weitere mit dem Geschäft zusammenhängende Verträge nicht gekündigt, er hat trotz Arztzeugnis den Betrieb auch geöffnet, bewirtet Gäste und arbeitet im Betrieb?
Ich bedanke mich für Ihre Unterstützung.
Freundliche Grüsse
Anja Loosli Brendebach
Guten Tag Frau Loosli,
Gern beantworte ich Ihre Nachfragen zu meinem Anliegen:
1. In der Verinbarung zum weiteren Vorgehen, wo die Frist von sechs Monaten aufgeführt ist, wurden keine Folgen benannt, falls der Klient die Selbstständigkeit nicht aufgibt, es wurde aber festgehalten, dass wir ihn bei einem AIP anmelden, wenn innert dieser Frist keine Ablösung erfolgen kann.
Es wurde nach Ablauf der Frist eine Weisung mit Auflagen verfasst. Diese enthält folgende Aspekte:
- Anmeldung für ein AIP durch uns; der Einladung zum Erstgespräch ist zu folgen und das AIP ist zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu starten und reelmässig zu besuchen. Bei der Einsatzplanung ist lediglich auf die familiäre Situation Rücksicht zu nehmen.
- aktive Bemühungen um eine Arbeitsstelle und Nachweis dieser Bemühungen.
- Angebotene Arbeit ist anzunehmen
Diese Weisung mit Auflagen wurden mit dem Hinweis verfasst, dass bei Missachtung Sanktionen ausgesprochen werden können.
2. Der Klient hat keine Verträge gekündigt, sondern lediglich versucht, das Geschäft an jemand anderen zu übergeben. Dies ist nicht gelungen. Aktuell ist das Geschäft geöffnet und der Klient wurde bereits im Geschäft angetroffen, obwohl er ein 100% AUF-Zeugnis hat.
Vielen Dank für Ihre Rückmeldung.
Frage beantwortet am
Anja Loosli
Expert*in Sozialhilferecht
Guten Tag
Vielen Dank für Ihre unterstützenden Ausführungen. Ich beantworte Ihre Frage deshalb gerne wie folgt:
In § 2bis des Sozialhilfegesetzes des Kantons Zug (SHG, BGS 861.4) wird festgehalten, dass Sozialhilfe nur gewährt wird, soweit und solange sich Hilfe Suchenden sich nicht selber helfen können oder Hilfe von dritter Seite nicht oder nicht rechtzeitig erhältlich ist. Demnach haben unterstützte Personen mitzuwirken, ihre Eigenständigkeit wieder zu erlangen und die Sozialhilfe kann eingeschränkt werden, wenn sie die zumutbare Mitwirkung verweigern (§ 3 Abs. 3 SHG). Die Leistungen können nach § 21ter Abs. 1 lit. d SHG insbesondere dann gekürzt werden, wenn die Hilfe Suchenden Auflagen und Weisungen missachten, wobei eben nur eine zumutbare Mitwirkung verlangt werden darf. Dies wiederholen auch die SKOS-Richtlinien, nach denen sich nach § 9 Abs. 1 SHV ZG die Ausgestaltung und das Ausmass der Unterstützung richten. Als zumutbar wird nach SKOS-RL A.4.1 eine Erwerbstätigkeit oder die Teilnahme an einer Massnahme erachtet, die dem Alter, dem Gesundheitszustand und den persönlichen Verhältnissen der bedürftigen Person angemessen ist.
Ein Arztzeugnis, das eine volle Arbeitsunfähigkeit attestiert, besagt grundsätzlich, dass die Aufnahme einer Arbeit oder die Teilnahme an einer Massnahme aus gesundheitlichen Gründen während der Dauer der Krankschreibung nicht zumutbar ist. Die «Missachtung» der Weisung kann dann nicht zur Kürzung der Leistungen der Sozialhilfe führen. Legt ein Klient ein entsprechendes Arztzeugnis vor, beweist aber mit seinem Verhalten, dass seine gesundheitliche Situation sich günstiger verhält als das Arztzeugnis attestiert und ihm insgesamt die Massnahme zumutbar ist, so können die Leistungen der Sozialhilfe wegen Pflichtverletzung gekürzt werden.
Fazit: Muss man vorliegend aufgrund des Verhaltens des Klienten (Betreiben des Restaurants in zeitlich erheblichem Umfang usw.) davon ausgehen, dass er gesundheitlich in der Lage ist, an der Massnahme teilzunehmen, so kann ein Arztzeugnis, das seinem Verhalten widerspricht, nichts an der gesundheitlichen Zumutbarkeit der Massnahme ändern. Erscheint die Massnahme auch unter der Berücksichtigung der anderen Aspekte (persönliche Verhältnisse, Alter) als zumutbar, können die Leistungen der Sozialhilfe trotz Arztzeugnis gekürzt werden. Es ist dann allerdings zu begründen, weshalb die Massnahme trotz Arztzeugnis gesundheitlich zumutbar ist.
Ich hoffe, Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen zu können.
Freundliche Grüsse
Anja Loosli Brendebach