Ich habe eine 62-jährige Klientin, die seit ca. 3 Jahren Assistenzbeiträge bei der SVA SG bezieht. Zuvor hatte sie eine kleine HE bezogen, die nun mit den Assistenzbeiträgen verrechnet wird. Die Klientin hätte mittlerweile vermutlich Anspruch auf eine mittlere HE.
Meine Fragen: 1. Sollte nun eine HE-Anmeldung auf eine mittlere Hilflosenentschädigung gemacht werden, damit die Klientin nach dem Eintritt ins AHV-Alter diese weiterhin bekommt (Besitzstandswahrung)?
- Meiner Meinung nach können die Assistenzbeiträge nur bis zum AHV-Alter bezogen werden. Ist das richtig?
Besten Dank für Ihre Antwort!
W. Kaufmann
Frage beantwortet am
Peter Mösch Payot
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Sehr geehrte/r Herr oder Frau Kaufmann
a) Gemäss Art. 43bis AHVG besteht ein Besitzstand für eine hilflose Person, die bis zum Erreichen des Rentenalters oder dem Rentenvorbezug eine Hilflosenentschädigung der Invalidenversicherung bezogen hat.
Vor diesem Hintergrund ist es in Ihrem Fall auf jeden Fall ratsam, bei der IV-Stelle eine Erhöhung der HE noch vor dem Rentenalter wegen verstärkter Hilflosigkeit zu beantragen. Zu beantragen ist gleichzeitig, ob der Assistenzbedarf grösser wurde und somit auch der Assistenzbeitrag angepasst werden müsste.
b) Es gilt nämlich, dass auch ein Assistenzbeitrag gemäss Art. 43ter AHVG, der bis zum Erreichen des Rentenalters oder bis zum Rentenvorbezug bezogen wird auch nachher (höchstens im bisherigen Umfang) weitergewährt. Für den Anspruch und den Umfang gelten die gleichen Bedingungen wie vor Erreichen des Rentenalters, also Artikel 42quater–42octies IVG.
c) Zur Wahrung der Ansprüche ist die Anpassung der HE an eine allfällige mittlere Hilflosigkeit auch deswegen wichtig, weil ansonsten ein Anspruch auf eine HE für die Hilflosigkeit leichten Grades bei einem Aufenthalt im Heim nach Erreichen des AHV-Alters entfällt (Art. 43bis Abs. 1bis AHVG). Und dies gilt auch, wenn die HE für leichte Hilflosigkeit schon vor dem Rentenalter gesprochen wurde (so Rz. 8123 und des Kreisschreibens über Invalidität und Hilflosigkeit (KSIH, Stand 1.1.2018 )
d) Zu beachten ist gemäss Rz. 8123 und Rz. 8123.1 sowie 8123.2 KSIH, Stand 1.1.2018 ) zudem Folgendes:
aa) Die Besitzstandsgarantie gilt auch, wenn eine Hilflosenentschädigung der IV im Rahmen der Verjährungsvorschrift von Artikel 48 Absatz 2 IVG nachzuzahlen ist oder wegen Verjährung erst im Rentenalter beginnen kann (vgl. Rz 8011 RWL; ZAK 1980 S. 57).
bb) Ändert sich der Aufenthaltsort einer Person, welche eine Hilflosenentschädigung auf Grund der Besitzstandsgarantie bezieht (Heim statt zu Hause oder umgekehrt), so kommt die Besitzstandsgarantie danach nicht mehr zur Anwendung. Somit kommen nach dem Wechsel des Aufenthaltsortes die Ansätze der Hilflosenentschädigung der AHV zur Anwendung und nicht mehr diejenigen der IV (BGE 137 V 162).
cc) Im Falle des Bezuges einer HE aufgrund der Notwendigkeit von lebenspraktischer Begleitung, führt die Änderung des Aufenthaltsortes zur Aufhebung der bisherigen Hilflosenentschädigung. Es gilt Art. 35 Abs. 2 zweiter Satz IVV.
Ich hoffe, das dient Ihnen.
Prof. Peter Mösch Payot
Vielen herzlichen Dank für die kompetente Antwort!
Walter Kaufmann