Guten Tag
Gemäss meines Wissens gibt es für die Freiwilligenarbeit von blinden oder sehbehinderten Menschen Assistenzbeiträge.
Nun hat eine Klientin von mir, die vollends blind ist, einen diesbezüglichen Antrag für die freiwillige Arbeit im Vorstand des Schweizerischen Blindenverbandes SBV an die SVA St. Gallen gestellt. Dieser wurde mit der Begründung - die Klientin hätte bereits 2 Std. pro Jahr für die Jungwacht und Blauring-Arbeit erhalten - abgelehnt
Wie sieht die rechtliche Sachlage aus? Kann das die SVA so begründen?
Was kann meine Klientin machen?
Im Voraus besten Dank für Ihre Antwort!
Walter Kaufmann
Frage beantwortet am
Peter Mösch Payot
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Sehr geehrter Herr Kaufmann
Freiwilligenarbeit kann einer der Bereiche sein, für den für den Assistenzbeitrag nach IVG (vgl. zu den allg. Anspruchsvoraussetzungen Art. 42quater IVG ff.) Hilfebedarf anerkannt wird und somit Assistenz bewilligt wird. So Art. 39c lit. 3 IVV.
Der Hilfebedarf ist gemäss Art. 39e IVV festzustellen: Bei vollständig blinden Personen gilt gemäss Art. 39e Abs. 3 lit. b, dass Hilfebedarf für drei alltägliche Lebensverrichtungen zu gewähren ist. Dies ist die Ausgangslage für die Bemessung des Assistenzbedarfs im Sinne von Art. 39e Abs. 2 lit. a ELV.
Somit sind bei leichter Hilflosigkeit höchstens insgesamt drei Mal 20 Stunden Assistenz zu gewähren, bei mittlerer Hilflosigkeit drei Mal 30 Std. und bei schwerer Hilflosigkeit drei Mal 40 Stunden für die Bereiche alltägliche Lebensverrichtung, Haushaltsführung und gesellschaftliche Teilhabe und Freizeitgestaltung.
Darin nicht enthalten ist der Bereich der Ausübung von gemeinnützigen und ehrenamtlicher Tätigkeiten, um die es in Ihrer Anfrage geht. Dies gehört mit der Erziehung/Kinderbetreuung, der beruflichen Aus- und Weiterbildung und der Ausübung einer Erwerbstätigkeit auf dem regulären Arbeitsmarkt zu den vier Bereichen, für welche gemäss Art. 39e Abs. 2 lit. b IVV insgesamt höchstens 60 Stunden gewährt werden.
Der zu gewährende Assistenz im Bereich der ehrenamtlichen Tätigkeit wird weiter differenziert im Kreisschreiben über den Assistenzbeitrag (KSAB, Stand 1.1.2018; zu finden unter https://www.bsvlive.admin.ch/vollzug/documents/view/3942/lang:deu/category:34
Gemäss dem KSAB Rz. 4037ff. gilt dabei unter anderem, dass der Hilfebedarf jene Hilfeleistungen umfasst, welche die betroffene Person benötigt, um eine gemeinnützige oder ehrenamtliche Tätigkeit auszuüben. Dafür muss der Nachweis für die gemeinnützige oder ehrenamtliche Tätigkeit erbracht werden. Es wird keine Mindestdauer verlangt. Das Engagement muss aber regelmässig sein, sich also praxisgemäss über mind. drei Monate erstrecken.
Gemäss dem Kreisschreiben gilt, dass der Hilfebedarf nicht die ganze gemeinnützige oder ehrenamtliche Tätigkeit deckt. Sondern ein Teil muss die versicherte Person selber erbringen (KSAB, Rz. 4040).
Dabei wird der Hilfebedarf auf das effektive Pensum umgerechnet, wobei mit einem Vollpensum von 40 Stunden pro Woche gerechnet wird. Das bedeutet, dass wenn das Pensum der ehrenamtlichen Tätigkeit z.B. 20% beträgt (zwei Abende pro Woche) und der Betroffen hierfür (also für den Bereich gemeinnützige Tätigkeit) durchschnittlich 50 Minuten Hilfe pro Tag braucht, ein Hilfebedarf von 10 Minuten pro Tag im Durchschnitt angerechnet wird (50 Minuten x 20 % = 10 Minuten).
Die im Kreisschreiben enthaltene Formulierung, «ein Teil müsse die versicherte Person selber erbringen» ist nicht genauer umschrieben. Dazu ist auch bisher soweit ersichtlich keine höchstrichterliche Rechtsprechung ergangen.
Ein erweiterter Hilfebedarf hätte nach meiner Einschätzung dann eine Chance, wenn die Klientin aufzeigen kann, dass der gesamte Aufwand für die gemeinnützige Tätigkeit umfassend/er ist und mehr als nur die zwei Stunden bei und für JuBla und Vorstandsarbeit für den Blindenverband umfasst und ev. weitere Tätigkeiten dazu kommen. Es ist also das freiwillige Engagement in Umfang und Aufwand genau auszuweisen und dann ein entsprechender Antrag zu stellen bzw. ein Vorbescheid dazu zu verlangen. Ich rate dazu, dass die KlientIn bei einer für die Assistenzbeiträge vorgesehenen Beratungsstelle (Pro Infirmis St. Gallen-Appenzell) das weitere Vorgehen diskutiert.
Ich hoffe, das dient Ihnen.
Prof. Peter Mösch Payot
Danke Herr Mösch
Sie haben mir sehr geholfen!
Walter Kaufmann
Noch dies: An die PI Wattwil hat sich die Klientin bereits früher gewendet. Die meinten, sie könnten ihr nicht weiterhelfen.