Guten Tag
Ich begleite eine Klientin im Rahmen der Betrieblichen Sozialberatung. Sie hat Ihren Arbeitsvertrag per 31.03.2022 wegen Schwierigkeiten am Arbeitsplatz gekündigt und wird per 01.07.2022 eine neue Stelle antreten. Das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmerin ist ziemlich angeschlagen. Es kommt nun in zwei Wochen zu einem Klärungsgespräch zwischen den beiden Parteien. Nun hätte ich noch zwei rechtliche Fragen, auf welche ich keine schlüssige Antwort gefunden habe:
- Meine Klientin war im Januar 100% krank geschrieben wegen der psychischen Belastung bei der Arbeit. Trotzdem hat in dieser Zeit das Mitarbeitergespräch stattgefunden. Auf Grund der schlechten Rückmeldung habe sie das Protokoll nicht unterschrieben.- Auch im Wissen, dass das MA-Gespräch laut dem Arbeitgeber als Grundlage dient für ein Arbeitszeugnis. Sie wollte nun das Gespräch wiederholen, was der Arbeitgeber aber abgelehnt hat. Das Gespräch gelte, auch wenn es von der Mitarbeiterin nicht unterschrieben wurde. Ist das korrekt?
- Meine Klientin hätte gerne jetzt schon einen ersten Entwurf vom Arbeitszeugnis, um bei kritischen Punkten frühzeitig intervenieren zu können. Aus meiner Sicht gibt es keinen Rechtsanspruch auf das Zeugnis, auch nicht vom Zeitpunkt her. Sehen Sie dies anders?
Besten Dank für Ihre Rückmeldung.
Frage beantwortet am
Kurt Pärli
Expert*in Arbeitsrecht
Sehr geehrte/r Fragesteller/in
Ihre Fallschilderung wirft vorab die Frage auf, ob ihre Klientin überhaupt hätte verpflichtet werden dürfen, während der Zeit, in der sie 100% arbeitsunfähig war, am Mitarbeitergespräch teilzunehmen. Die Arbeitgeberin dürfte die Teilnahme am Mitarbeitergespräch nur verlangen, wenn ein Arztzeugnis ausdrücklich festgehalten hätte, dass zwar eine Arbeitsunfähigkeit besteht aber dennoch das Bestreiten des Mitarbeitergesprächs zumutbar war. Nun hat aber ihre Klientin - so nehme ich an- nicht auf Ihrem Recht, die Teilnahme am Mitarbeitergespräch zu verweigern, bestanden.
Nun zu Ihrer ersten Frage: Das Protokoll des Mitarbeitergesprächs "gilt" auch ohne Unterschrift der Arbeitnehmerin. Allerdings hat ihre Klientin das Recht, das Protokoll des Mitarbeitergesprächs mit ihren Angaben zu ergänzen, wenn sie den Eindruck hat, dass im Protokoll gewisse Punkte nicht richtig wiedergegeben sind. ihre Klientin kann sich dabei auf Art. 5 Abs .2 Datenschutzgesetz DSG berufen (https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1993/1945_1945_1945/de#art_5 )
Betreffend Arbeitszeugnis ist vorab auf die Rechtslage zu verweisen: Nach Art. 330a OR kann jederzeit ein Arbeitszeugnis verlangt werden, also auch im noch laufenden Arbeitsverhältnis. (https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/27/317_321_377/de#art_330_a ).
In praktischer Hinsicht ist allenfalls zu empfehlen, dass die Klientin selbst (bzw. mit Ihrer Unterstützung) einen Vorschlag für ein Arbeitszeugnis schreibt und dies als Entwurf in die geplanten Gespräche einbringt.
Genügen Ihnen diese Auskünfte?
Mit Dank für die Kenntnisnahme und herzlichen Grüssen
Kurt Pärli