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Arbeitsvertrag / Gesamtarbeitsvertrag

Veröffentlicht:
27.04.2022
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Arbeitsrecht

Liebes Expertenteam

KL hat einen Arbeitsvertrag im Gastgewerbe als Allrounder, Küchenhilfe, Kurier unterschrieben. Gemäss Arbeitsvertrag steht ihm ein garantierter Mindestlohn in Höhe von Fr. 2`400.- zu. Dieser wurde aber nie ausbezahlt. Der Arbeitgeber machte dafür die Corona Situation dafür verantwortlich. Da die Lohnzahlungen nie erfüllt wurden, hat der Arbeitgeber im November einen neuen Vertrag ausgestellt, wobei der Mindestlohn entfernt wurde. Dabei hat der Arbeitgeber eine Urkundenfälschung vorgenommen, da KL den Vertrag nie unterschrieben hat. Nun fordern wir gemäss 1. Vertrag den Mindestlohn über alle Monate ein. Der Arbeitgeber macht nun geltend, dass gemäss Gesamtarbeitsvertrag (L-GAV) dieser Vertrag ungültig sei, da im Stundenlohn kein Mindestlohn garantiert werden könne. Meines Erachtens schützt der Gesamtarbeitsvertrag aber nur schlechter gestellte Verträge. In dieser Situation hat der Arbeitgeber von sich aus ein besser ausgestatten Vertrag dem Arbeitnehmer angeboten, weshalb ich davon ausgehe, dass dieser auch rechtens ist. Stimmt diese Argumentation?

Herzlichen Dank für die Bearbeitung meiner Frage.

Frage beantwortet am

Kurt Pärli

Expert*in Arbeitsrecht

Guten Tag

Gerne beantworte ich Ihre Frage wie folgt:

Ihre Überlegung ist richtig, in einem Einzelarbeitsvertrag dürfen für Arbeitnehmende bessere Bedingungen als in einem GAV vereinbart werden (Günstigkeitgsprinizip). Zusätzlich gilt es den zentralen Grundsatz "pacta sunt servanda" (Verträge muss man halten) zu beachten. Das heisst, ein einmal gültig geschlossener Vertrag gilt solange, bis er von der einen oder anderen Partei form- und fristgerecht beendet wird. Auch möglich ist eine sogenannte Änderungskündigung. Ein Arbeitsvertrag wird von der Arbeitgeberin gekündigt, sofern und soweit nicht der neue Vertrag angenommen wird. Auch in diesem Fall ist die Arbeitgeberin aber verpflichtet, innerhalb der Kündigungsfrist die vertraglichen vereinbarten Bedingungen einzuhalten.

Die Arbeitgeberin erwähnt die Corona-Situation und macht geltend, dass sie den Lohn deswegen nicht in der verlangten Höhe ausrichten konnte. Hier macht die Arbeitgeberin implizit die clausula rebis sic standibus geltend. Diese Regel erlaubt bei aussergewöhnlichen Umständen, die von keiner Partei vorausgesehen werden konnte, eine ursprünglich versprochene vertragliche Leistung nicht oder nicht in vollem Umfgang zu erbringen. Die Hürden für die Gelgendmachung der Clausula sind indes sehr hoch. Ihren Schilderungen zu Folge, erfolgt die Anstellung bereits während der Pandemie, schon allein deswegen kann kaum argumentiert werden, die Corona-Probleme wären nicht voraussehbar gewesen. Dazu kommt, dass Gastrobetriebe durch verschieden Instrumente (Härtefall, Kurzarbeitsentschädigung usw) abgesichert waren.

Alles in Allem komme auch ich zum Schluss, dass die Arbeitgeberin an den ursprünglichen Vertrag gebunden ist.

Genügen Ihnen diese Auskünfte? Mit Dank für die Kenntnisnahme und freundlichen Grüssen

Kurt Pärli