Guten Tag,
meine Klientin ist zu 100% arbeitsunfähig (dies ws. auch längerfristig) und seit 9 Monaten bei der IV angemeldet. Nach der ordentlichen Sperrfrist wurde ihr nun gekündigt. Der IV Entscheid steht noch aus. Eine neue Stellensuche kann ihr kaum zugemutet werden.
Muss sie sich trotz 100% Arbeitsunfähigkeit beim RAV melden?
Besten Dank schon im Voraus für Ihre Rückmeldung.
A.Maurice
Frage beantwortet am
Peter Mösch Payot
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Sehr geehrte Frau Maurice
Die Antwort auf Ihre Frage hängt von konkreten medizinischen Situation Ihrer Klientin ab.
In zwei Fällen kann sich eine Anmeldung beim RAV lohnen und könnte zum Beispiel seitens der Sozialhilfe als Schadenminderungspflicht auch verlangt werden:
a) Wenn Ihre Klientin labil und nicht stabil arbeitsunfähig ist. Im Falle, dass die Einschränkung noch nicht eindeutig, sondern voraussichtlich vorübergehend ist, so ist eine Anmeldung bei der Arbeitslosenversicherung angezeigt. In diesem Fall liegt nämlich trotz aktueller Erkrankung eine Vermittlungsfähigkeit vor und die ALV muss gemäss Art. 28 AVIG ein Taggeld bei vorübergehend fehlender Arbeitsfähigkeit leisten während 30 Tagen nach Beginn und insg. während höchstens 44 Tagen innerhalb der Rahmenfrist für den Leistungsbezug von Taggeldern.
Im vorliegenden Fall interpretiere ich aber Ihre Schilderungen so, dass eher eine bleibende und voraussichtlich unverrrückbare Arbeitsunfähigkeit vorliegt. Insoweit könnte dann noch ein weiterer Fall eine Anmeldung rechtfertigen:
b) Hat sich eine versicherte Person sowohl bei der IV als auch bei der ALV angemeldet, so besteht eine Sonderregel zur Koordination. In diesen Fällen ist ja noch unklar, ob die IV oder die ALV leistungspflichtig ist:
Wenn Ihre Klientin nicht offensichtlich vermittlungsunfähig ist so wird die Vermittlungsfähigkeit vermutet, und es sind seitens der ALV Leistungen zu gewähren, wenn auch die übrigen Voraussetzungen gegeben sind, also insb. die Beitragszeit erfüllt wurde, zumutbare und leidangepasste Kontrollvorschriften eingehalten werden etc. (vgl. Art. 15 Abs. 2 AVIG und Art. 15 Abs. 3 AVIV).
Voraussetzung ist aber praxisgemäss, dass eine Restarbeitsfähigkeit von etwa 20% besteht für eine leidangepasste Tätigkeit. Auch insoweit entscheidet also der konkrete Gesundheitszustand und dessen Beleg durch ein ärztliches Zeugnis, ob einen Anmeldung beim RAV überhaupt sinnvoll ist. Eventuell kann die Frage auch mit dem behandelnden Arzt angeschaut werden. Falls für irgend eine leidangepasste Erwerbstätigkeit eine Restarbeitsfähigkeit besteht, so müsste dies gut über ein Arztzeugnis dokumentiert werden, um die Vorleistungspflicht der ALV auszulösen.
Vgl. dazu auch BGE 136 V 95.
Ich hoffe, das dient Ihnen.
Prof. Peter Mösch Payot
Bitte prüfen Sie in Ihrem Fall unbedingt auch die Frage, ob eine Krankentaggeldversicherung des Arbeitgebers für die Klientin bestand, welche bisher ein Krankentaggeld ausbezahlt hat oder hatte. Wenn ja wäre im konkrketen Fall zu prüfen, ob bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses ein Übertritt in die Einzelversicherung angezeigt ist, damit die entsprechenden Leistungen weiter fliessen. Dafür müssten deren allgemeine Geschäftsbedingungen analysiert werden. Weitere Informationen finden Sie im Archiv früherer Forum-Anfragen zum Stichwort "Krankentaggeld".
der entsprechenden Kollektivversicherung des Arbeitgebers erhalten hat, bzw. hätte erhalten müssen .