Sachverhalt
Frau H. hat im Mai 2018 die eheliche Wohnung gemeinsam mit ihren beiden Töchtern verlassen und hat sich vorübergehend im Frauenhaus aufgehalten. Daraufhin ist sie gemeinsam mit ihren beiden Töchtern in die Gemeinde B gezogen und hat dort bis am 30. Juni 2020 WSH bezogen. Der Ehemann und Kindsvater der beiden Töchter ist während dieser Zeit stets in der ehelichen Wohnung in der Gemeinde A verblieben.
Herr H. hat bis Ende Februar 2020 WSH in der Gemeinde A. bezogen. Das Dossier wird bei uns während sechs Monaten im Status "Abschluss pendent" gehalten, folglich bis am 31. August 2020 (dies gilt auch für das Dossier der Ehefrau; dies ist bis am 31. Dezember 2020 im Status "Abschluss pendent"). Hat jemand während diesen sechs Monaten erneut Anspruch auf WSH, so können wir der Gemeinde nach Erhalt der erforderlichen Unterlagen eine Budgetanpassung zustellen, damit die WSH wieder ausbezahlt wird und müssen keinen neuen Antrag verfassen.
Frau H. ist mit ihren Töchtern per 1. Juli 2020 in die eheliche Wohnung in die Gemeinde A zurückgekehrt – es war angedacht, dass der Ehemann und Kindsvater den Lebensunterhalt finanzieren kann. Da er nun infolge verfügter Einstelltage im Juli 2020 keine Arbeitslosentaggelder beziehen kann, ist die Familie überbrückend auf WSH angewiesen (voraussichtlich nur für einen Monat).
Fragestellungen
Ist es korrekt, dass die Familie nun über den Kindsvater WSH in der Gemeinde A beantragt? Da das Dossier von Frau H. in der Gemeinde B. per Ende Juni 2020 abgeschlossen worden ist und sie nach Abschluss einen neuen Wohnsitz in der Gemeinde A. begründet hat?
Angenommen Frau H. geht erneut ins Frauenhaus, hat bislang jedoch noch keinen WSH-Antrag in der Gemeinde A gestellt. Können die Kostengutsprache für den Aufenthalt im Frauenhaus bei der Gemeinde A beantragt werden oder ist während der zweimonatigen Übergangsfrist gemäss Art. 7 Abs. 3 SHG noch die Gemeinde B zuständig?
Wir danken Ihnen bereits im Voraus für Ihre Überprüfung.
Frage beantwortet am
Ruth Schnyder
Expert*in Sozialhilferecht
Guten Abend Frau Käslin
Gerne beantworte ich Ihre Anfrage. Ich habe dazu folgende Klärungsfragen:
- Befinden sich beide Gemeinden im Kanton Nidwalden?
- Ist es richtig, dass die ganze Familie H. bis Ende Februar 2020 WSH in der Gemeinde A. bezogen hat?
- Hat Frau H. zusammen mit den Töchtern bis zum Wegzug nach B. erneut WSH in der Gemeinde A. bezogen, weshalb ihr Dossier nun bis Ende Dezember 2020 Abschluss pendent ist?
- Wollte Frau H. wirklich die Gemeinde A. verlassen und ist mit Hab und Gut von den Töchtern und ihr selbst weggezogen? Und wollte sie in B. ihren neuen Lebensmittelpunkt begründen und hat entsprechenden Wohnraum bezogen, war bei den Töchtern ein Schulwechsel geplant usw.? Oder hielt sie sich einfach mal dort auf? War die Gemeinde B. allenfalls eine Zwischenlösung, um Obdachlosigkeit zu vermeiden?
- Wie meinen Sie bei Frage 1 mit «Über-den-Kindesvater-WSH-beantragen»? Was spricht gegen das Vorgehen, dass Herr und Frau A., also beide gemeinsam WSH beantragen? Oder fragen Sie sich bei der Frage 1 bereits, ob nicht etwa Art. 7 Abs. 3 SHG NW auf Frau A. und ihre Töchter Anwendung findet?
Besten Dank für die Beantwortung der Fragen.
Freundliche Grüsse
Ruth Schnyder
Guten Abend Frau Schnyder
Gerne beantworte ich Ihnen nachfolgend Ihre Klärungsfragen:
1) Ja, beide Gemeinden befinden sich im Kanton Nidwalden.
2) Nein, das stimmt so nicht. Herr H. hat bis Ende Februar 2020 WSH in der Gemeinde A. bezogen. Da Frau H. und die beiden Kinder seit Mai 2018 die eheliche Wohnung in A. verlassen haben und in die Gemeinde B. gezogen sind, haben Frau H. und ihre beiden Töchter von Mai 2018 bis Juni 2020 WSH in der Gemeinde B. bezogen.
3) Frau H. hat in der Gemeinde A. nie WSH bezogen. Sie hat WSH von Mai 2018 bis Juni 2020 in der Gemeinde B. gezogen und ist daraufhin in die eheliche Wohnung in die Gemeinde A. zurückgekehrt.
4) Es war der Plan der Familie H., dass die ganze Familie den Lebensunterhalt mittels des Einkommens (ALV-TG) von Herrn H. finanzieren kann. Aus diesem Grund hat sie die WSH in der Gemeinde B. per Ende Juni 2020 aus eigenem Wunsch beendet und ist zu Herrn H. zurückgekehrt. Da sich die finanzielle Situation aufgrund der verfügten Einstelltage der ALK von ihrem Ehemann jedoch verändert hat, ist die Familie nun wieder auf WSH angewiesen.
Frau H. ist per 1. Juli 2020 mit der Absicht in die Gemeinde A. gezogen, um dort den neuen Lebensmittelpunkt zu begründen (nach der freiwilligen Trennung war angedacht, die Ehe wieder "in Stand zu setzen"). Die beiden Töchter sollen ab dem neuen Schuljahr 2020/21 die Schule in der Gemeinde A. besuchen und sind in der Gemeinde B. abgemeldet worden - dies war bereits so organisiert worden.
5) Da Frau H. bis Ende Juni 2020 WSH in der Gemeinde B. und Herr H. bis Februar 2020 WSH in der Gemeinde A. bezogen hat, möchten wir uns bei Ihnen vergewissern, ob es korrekt ist, dass wir im Dossier von Herrn M. für Juli 2020 eine Berechnung gemäss 4-Personen-Haushalt (für die ganze Familie H.) vornehmen können. Wie Sie erwähnen, sind wir noch etwas unsicher, ob Frau H. infolge des Art. 7 Abs. 3 SHG bis Ende August 2020 (= zwei Übergangsmonate) für sich und ihre beiden Töchter WSH in der Gemeinde B. beziehen muss oder ob sie ab Juli 2020 im Budget Ihres Ehemannes berücksichtigt werden können.
Ich hoffe, Ihre Klärungsfragen somit verständlich beantwortet zu haben und danke Ihnen bereits im Voraus für Ihre Rückmeldung.
Freundliche Grüsse
Aurea Haas
Frage beantwortet am
Ruth Schnyder
Expert*in Sozialhilferecht
Sehr geehrte Frau Haas
Die von Ihnen geschilderte Situation und hypothetische Frage für den Fall eines erneuten Frauenhausaufenthalts kann ich rechtlich wie folgt beantworten: Massgebend für die Beurteilung des Unterstützungswohnsitzes innerhalb des Kantons Nidwalden ist das Bundesgesetz über die Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger (Zuständigkeitsgesetz, ZUG), vorbehalten bleiben Bestimmungen in der eidgenössischen und kantonalen Spezialgesetzgebung, so Art. 7 Abs. 2 SHG NW. Frau H. und die Kinder haben offensichtlich bis Ende Juni 2020 Unterstützungswohnsitz in der Gemeinde B. gehabt, da sie dort doch eine relativ lange Zeit gelebt haben (seit Mai 2018). Frau H. hatte dort einen eigenen Unterstützungswohnsitz nach Art. 4 ZUG. So auch die Kinder nach Art. 7 Abs. 2 ZUG. Die Rückkehr zum Ehemann bzw. die Wiederaufnahme des Ehelebens ändert nichts an der eigenständigen Begründung des Unterstützungswohnsitzes von Frau H. Denn nach Art. 6 ZUG hat jeder Ehegatte einen eigenen Unterstützungswohnsitz. Dies bedeutet, dass Frau H. ihren Unterstützungswohnsitz nun ab Juli 2020 wieder geändert hat, indem sie in die Gemeinde A. zurückgezogen ist. Wie Sie schildern, handelt es sich nicht um einen einstweiligen Aufenthalt in der Gemeinde A., sondern es besteht die Absicht wieder in der Gemeinde A. als Familie zu leben, so werden die Kinder nach den Sommerferien nun auch in die Schule der Gemeinde A. gehen. Die Kinder haben ebenfalls neu wieder den Unterstützungswohnsitz in der Gemeinde A., nun aber abgeleitet von den Eltern (Art. 7 Abs. 1 ZUG). Nach dem Gesagten haben Frau H. und die Kinder per 1. Juli 2020 einen Wechsel des Unterstützungswohnsitzes vorgenommen, so dass meiner Meinung nach Art. 7 Abs. 3 SHG NW für sie alle drei zur Anwendung gelangt, da sie bis vor dem Wechsel des Unterstützungswohnsitzes wirtschaftliche Hilfe in der Gemeinde B. bezogen haben (vgl. Art. 7 Abs. 4 SHG NW). Jedenfalls sehe ich kein rechtliches Argument, das dagegen spricht. Es handelt sich im Übrigen um eine Sonderbestimmungen, die es im ZUG nicht gibt, somit nach Art. 7 Abs. 2 SHG NW im innerkantonalen Verhältnis vorrangig zu beachten sind. D.h. die Gemeinde B. muss für die 3 Familienmitglieder die wirtschaftliche Hilfe während den ersten 2 Monaten nach Wohnsitzwechsel finanzieren. Diese orientiert sich aber natürlich an einem 4 Personenhaushalt, also anteilsmässig davon (3-Personenhaushalt). Ob die Gemeinde B. das bisherige Dossier für Frau H. und die Kinder weiterführt oder die Gemeinde A. die Unterstützung mit einem gemeinsamen Budget und Dossier aufnimmt und die Gemeinde B. diese rückvergütet, kommt zum gleichen Ergebnis. Im letzteren Fall sollte mit der Gemeinde B. die Rückvergütung für die drei Familienmitglieder schriftlich vereinbart werden, da dafür keine rechtliche Regelung vorgesehen ist (am ehesten wäre eine derartige Regelung im Art. 50 SHG NW zu suchen, der jedoch diese Situation nicht regelt). Daraus kann abgeleitet werden, dass wohl die Weiterführung des Unterstützungsdossiers in der bisherigen Wohngemeinde, also Gemeinde B., der Regelfall ist, jedoch nach der Lebenssituation und den Ansätzen in der Gemeinde A. Die Rückvergütung oder Unterstützung durch die Gemeinde B. würde alle Kosten umfassen, die in diesen zwei Übergangsmonaten anfallen, d.h. auch ein allfälliger Frauenhausaufenthalt, wenn er in diese Zeit fällt. Denn Art. 7 Abs. 3 SHG NW schränkt die wirtschaftliche Hilfe in der Übergangszeit nicht ein, sie belässt vielmehr die volle Zuständigkeit bei der bisherigen Wohngemeinde.
Ich hoffe, Ihnen damit Ihre Fragen beantwortet zu haben.
Freundliche Grüsse
Ruth Schnyder