Guten Tag
Herr X hat Antrag auf WSH ab Dezember 2022 gestellt. Das Antragsformular ist von ihm sowie von seiner Ehefrau unterzeichnet worden, er ergänzt jedoch, dass nur er Antrag auf WSH stellt.
Seine Ehefrau hat sich per 30. November 2022 in der Wohngemeinde abgemeldet und ist in ihr Heimatland gezogen. Herr X bleibt noch bis Ende März 2023 in der aktuellen Wohngemeinde und wird anschliessend zu seiner Ehefrau ins Ausland ziehen. Sie planen nicht mehr in die Schweiz zurückzukehren.
Die Ehefrau von X hat im November 2022 ein letztes Einkommen aus ihrer Erwerbstätigkeit in der Schweiz erzielt. Im Auswanderungsland wird sie vorerst nicht arbeiten (infolge häuslicher Bindung). Herr X erzielt seit Oktober 2022 kein Einkommen mehr.
Mir ist nun nicht klar, wie ich die Berechnung erstellen soll:
1) Budget Dezember 2022: Muss für Dezember 2022 ein erweitertes SKOS-Budget erstellt werden, in welchem die Lebenshaltungskosten der Ehefrau im Ausland berücksichtigt werden? Oder kann einfach ein zweitel der Lohneinnahmen von November 2022 als Einnahme im Budget von Dezember 2022 einrechnen?
2) Januar 2023: Wenn die Ehefrau von Herrn X nicht arbeitet (oder allenfalls auch, wenn sie arbeitet), kann der GBL gemäss 1-Personenhaushalt eingerechnet werden plus die Mietkosten oder muss hier noch etwas anderes berücksichtigt werden?
Besten Dank für die Auskunft und freundliche Grüsse
Frage beantwortet am
Melanie Studer
Expert*in Sozialhilferecht
Guten Tag
Vielen Dank für die Frage. Das ist eine nicht ganz alltägliche Situation, so dass das Sozialhilfegesetz oder die Sozialhilfeverordnung des Kantons Nidwalden dazu keine spezifischen Berechnungsgrundlagen vorsehen. In den SKOS-Richtlinien und den Erläuterungen finden sich einige Hinweise, die hier jedoch hilfreich sein können. Diese Ausführungen in den SKOS-RL können mangels abweichender Vorschrift in den Grundlagen des Kantons Nidwalden herangezogen werden (vgl. § 8 SHV NW).
Zunächst ist festzuhalten, dass es sich laut geäusserter Absicht der Eheleute wohl nur um eine vorübergehende Unterstützung handeln wird. Denn grundsätzlich wird von Ehegatten erwartet und verlangt, dass sie entweder die Folgen des Getrenntlebens gerichtlich regeln lassen oder sie ihre Wohnsitze wiederum zusammenlegen. Zwei Wohnungen werden also grundsätzlich nicht unterstützt, v.a. dann nicht wenn beide Personen auf Sozialhilfe angewiesen sind (siehe dazu das Praxisbeispiel der SKOS:). Falls aber wichtige Gründe für das Führen separater Haushalte gegeben sind, können die dadurch entstehenden Auslagen von der Sozialhilfe übernommen werden (SKOS-RL D.4.1., Erläuterung c). Die Vorbereitung des Auswanderns kann unter Umständen als wichtiger Grund zählen, womit der grundsätzliche Anspruch trotz getrennter Wohnsitze bejaht werden kann. Es müsste ein gewichtiger Grund für den momentanen Verbleib des Ehemannes in der Schweiz geben, z.B. die gemeinsame Wohnung ist im Ausland noch nicht frei und die Frau geht schon mal vor. Falls ein wichtiger Grund bejaht wird, wäre die Unterstützung eines ein Personenhaushalts korrekt. Falls kein solcher Grund vorhanden ist? Dann wäre der Ehemann anteilig mit Ansatz eines 2-Personenhaushalts zu unterstützen. Vorausgesetzt ist, dass er auch noch über die erforderliche ausländerrechtliche Aufenthaltsbewilligung verfügt. Zu prüfen wäre zusätzlich, ob nicht Vermögen, z.B. aus einer 3. Säule vorhanden ist (vgl. dazu auch unten).
Bezüglich Ihrer ersten Frage: Grundsätzlich sind sich Personen in Ehe unabhängig von ihrem Wohnort gegenseitig zu Beistand und Unterhalt verpflichtet (vgl. SKOS-RL D.4.1). In diesem Fall ist nun aber m.E. eine Aufteilung des letzten Lohns zu je ½ nicht korrekt; ebenfalls handelt es sich nicht um einen Fall, der mit dem erweiterten SKOS-Budget befriedigend gelöst werden kann, respektive ist das erweiterte SKOS-Budget nicht für die Bestimmung der Unterhaltspflicht von verheirateten Ehegatten mit separatem Wohnsitz konzipiert. Vielmehr müssen Sie m.E. auf die tatsächlichen Verhältnisse abstellen: wie viel des Lohns der Ehefrau steht ihm tatsächlich zur Deckung des Lebensunterhalts zur Verfügung? Bzw. wie wurde dieser Betrag tatsächlich verwendet? Auch für die nachfolgenden Monate stellt sich dann die Frage, inwiefern Einnahmen bestehen, mit denen sich die Ehegatten gegenseitig unterstützen können. Falls keine Einnahmen bestehen, können Sie auch nichts einrechnen. Ein Überschuss wäre jedoch grundsätzlich dem Ehemann zur Verfügung zu stellen (im Rahmen der Unterhaltspflicht); um diesen festzustellen wäre nicht ein erweitertes, sondern ein gewöhnliches SKOS-Budget für die im Ausland lebende Ehefrau massgebend. In Ihrem Fall wären dabei aber die Lebenshaltungskosten im Ausland zu berücksichtigen Allenfalls können Sie sich diesbezüglich an der Weisung zur Bemessung der Sozialhilfe an Auslandschweizer*innen orientieren (https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/das_eda/organisation_deseda/direktionen-abteilungen/kd/sozialhilfe-auslandschweizerinnen-und-auslandschweizer.html ). Zu prüfen wäre zudem, ob beide Ehegatten Freizügigkeitsguthaben u./o. Säule 3a ausgelöst wurde. Ist dies der Fall, dürfte dieses m.E. rechnerisch einbezogen werden, auch bei der Bemessung der wirtschaftlichen Hilfe für den Ehemann.
In Bezug auf Ihre zweite Frage: da – ausnahmsweise, falls ein gewichtiger Grund vorliegt – die separaten Wohnsitze der verheirateten akzeptiert werden (Vorbereitung des Auswanderns als wichtiger Grund), ist Herr X. tatsächlich im Umfang eines Einpersonenhaushalts zu unterstützten. Eine Unterstützungseinheit bilden er und seine Frau ja aufgrund der getrennten Wohnsitze nicht mehr und er führt nunmehr alleine einen Haushalt. Auch die Mietkosten wären grundsätzlich für einen Einpersonenhaushalt zu berücksichtigen. Zu berücksichtigen ist jedoch auch hier, dass die Ehefrau den ungedeckten Teil noch bezahlen muss, da dazu eine vertragliche Verpflichtung besteht. Es ist demnach wohl wahrscheinlich, dass der Mietzins über den Richtlinien liegt. Allenfalls gibt es eine kurzfristige Möglichkeit, diesen zu senken, z.B. durch das Untervermieten eines Zimmers. Ein Wohnungswechsel wäre aber wohl innert der kurzen Frist in Anbetracht der Pläne nicht zumutbar.
Sollte sich die Situation wider Erwarten länger hinziehen, wäre das Getrenntleben allenfalls gerichtlich zu regeln und die Wohnsituation von Herrn X. wäre erneut abzuklären.
Ich hoffe, das hilft Ihnen weiter.
Beste Grüsse