Guten Tag
Einem Pat. von uns wurde fristlos per 14.5.2018 gekündigt, da er an seinem angestammten Arbeitsplatz ohne Erlaubnis Alkohol über mehrere Monate entwendet hatte. Am 17.05.2018 ist der Pat. für einen Alkoholentzug ins stationäre Setting eingetreten und befindet sich seitdem im Krankenstand. Eine Anmeldung bei der Arbeitslosenkasse (ALK) ist nie erfolgt was bedeutet, dass die 30 Krankentaggelder der ALK noch nicht ausgeschöpft sind. Eine IV Anmeldung ist bis dato nicht gemacht worden.
Es erfolgte jedoch ein Antrag für den Übertritt in die Einzeltaggeldversicherung (VVG) der SWICA. In der Police ist aufgeführt, dass diese, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind, Leistungen ab dem 31. Tag nach Eintritt der AUF Leistungen erbringen. Der Pat. ist seit dem 17.05.2018 bis auf Weiteres zu 100% im Krankenstand. Die aktuelle Situation zeigt sich so, dass die Krankentaggeldversicherung noch abklären muss, ob ein allfälliger Leistungsanspruch aus der Kollektivversicherung der Arbeitgeberin oder aus der Einzeltaggeldversicherung, welche beantragt wurde, besteht. Dies deshalb, da die Arbeitsunfähigkeit erst nach Auflösung des Arbeitsverhältnisses eingetreten ist bzw. ärztlich attestiert wurde, ein ärztliches Attest jedoch nicht zwingend ist für Leistungen aus der Kollektivversicherung wenn nachgewiesen werden kann, dass das Leiden bereits zu einem früheren Zeitpunkt, d.h. während dem Arbeitsverhältnis, bestanden hatte. Es geht nun darum abzuklären, ob die psychische Störung bereits vorher bzw. während dem Arbeitsverhältnis bestanden hatte. In diesem Falle würden die Leistungen über die Kollektivversicherung ausgerichtet werden. Falls die Leistungen aus der Einzeltaggeldversicherung ausgerichtet werden, zahlt diese ab dem 31. Tag seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit.
Nun meine Frage: Der Pat. verfügt aktuell über kaum finanzielle Ressourcen. Die Abklärungen der Krankentaggeldversicherung werden noch eine Weile andauern. Zudem ist bei einer allfälligen Anmeldung bei der ALK das Risiko gross, dass dem Pat. Einstelltage verfügt werden, da die fristlose Kündigung auf Selbstverschuldung zurückgeführt werden könnte. Kann die SWICA oder z.B. das Sozialamt zum jetzigen Zeitpunkt darauf bestehen bzw. sich darauf berufen, dass sich der Pat. noch bei der ALK zu melden hat, da dort noch ein Leistungsanspruch in Form von den 30 Krankentaggeldern besteht? Oder ist die SWICA nun verpflichtet bzw. sofern die Voraussetzungen erfüllt sind, so oder so Leistungen erbringen?
Für Ihre Mithilfe und Unterstützung danke ich bestens.
Frage beantwortet am
Karin Anderer
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Sehr geehrte Frau Huldi,
fehlen dem Herrn aktuell die finanziellen Mittel für seine Existenz, hat er Anspruch auf wirtschaftliche Sozialhilfe. Der in der Sozialhilfe verankerte Subsidiaritätsgrundsatz verpflichtet die Sozialhilfeorgane, den notwendigen Existenzbedarf auch dann sicherzustellen, wenn anderweitige Hilfe zwar im Prinzip beanspruchbar, aber nicht rechtzeitig verfügbar ist. Dies ist häufig bei Ansprüchen gegenüber der Sozialversicherung der Fall (vgl. SKOS F.2. und A.4.-1). Vorliegend ist es noch unklar, ob die Kollektiv- oder Einzelkrankentaggeldversicherung die Leistungen erbringen muss und ob und wie viel die ALV leisten wird.
Gestützt auf das Subsidiaritätsprinzip kann die Sozialhilfebehörde vom Herrn verlangen, dass er den Anspruch auf die Krankentaggelder der ALV geltend macht, da Leistungsverpflichtungen Dritter der Sozialhilfe vorgehen (vgl. SKOS A.4.-1). Ob und in welchem Rahmen Einstelltage verfügt werden, ist ungewiss, ebenso, ob die mögliche psychische Erkrankung auf die Beurteilung des Verschuldens Auswirkungen hat. Die Sozialhilfebehörde kann, wenn sie die möglichen Ansprüche auf das Krankentaggeld der Kollektiv- oder Einzelkrankentaggeldversicherung und der ALV bevorschusst, Nachzahlungen im Umfang der geleisteten Vorschüsse direkt an sich ausbezahlten lassen (vgl. Art. 94 Abs. 3 AVIG und Art. 13 des Sozialhilfegesetzes des Kantons St. Gallen).
Die Kollektiv- oder Einzelkrankentaggeldversicherung muss ihre Leistung erbringen, wenn die Voraussetzungen dazu gegeben sind. Art. 28 AVIG regelt die Koordination, die Taggelder von Krankenversicherungen werden von der Arbeitslosenentschädigung, soweit die Leistungen den gleichen Zeitraum decken, abgezogen.
Eine IV-Anmeldung ist spätestens 6 Monate ab Eintritt der Arbeitsunfähigkeit einzureichen, damit eine mögliche Rentenauszahlung nach dem Wartejahr erfolgen kann (vgl Art. 28 und 29 Abs. 1 IVG).
Der Pensionskasse sollte der Herr bereits jetzt schriftlich mitteilen, dass er seit dem 17.5.2018 krankgeschrieben ist. Sollte aus dem aktuellen Ereignis eine Invalidität resultieren, kann er dann auch bei der Pensionskasse die IV-Rente geltend machen. Im BVG gilt es eine 30-tägige Nachdeckungsfrist, während einem Monat ab Ende des Arbeitsverhältnisses sind die Risiken Tod und Invalidität noch versichert (Art. 10 Abs. 3 BVG).
Ich hoffe, die Angaben sind Ihnen nützlich und ich grüsse Sie freundlich.
Luzern, 29.7.2018
Karin Anderer
Grüezi Frau Anderer
Herzlichen Dank für Ihre ausführliche Rückmeldung - Ihre Informationen helfen mir sehr weiter!
Beste Grüsse
Gabriela Huldi