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Anspruch Nothilfe oder reguläre WSH in Bezug auf Arbeitnehmereigenschaft

Veröffentlicht:
16.06.2023
Kanton:
Luzern
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Guten Tag
Gerne möchte ich folgenden Sachverhalt abklären:
Herr G. und Frau C. sind ein Konkubinatspaar (nicht verheiratet) und haben einen gemeinsamen Sohn (3 J.). Sie kommen aus Italien und besitzen die Aufenthaltsbewilligung B EU/EFTA (berechtigt zur Erwerbstätigkeit), gültig noch bis 2024, resp. 2025.

Frau C. hat ihre Arbeit hat bis Mitte März 2020 gearbeitet, der Betrieb musste aufgrund der Corona-Krise schliessen. Seither hat sie nicht mehr gearbeitet und hat im Moment keine Aussicht auf eine neue Stelle. Sie ist nicht beim RAV/ALV angemeldet, die Rahmenfrist für Taggelder lief am 31.5.23 aus.

Herr G. arbeitete vom 01.2-6.2.23 immer wieder mit Lücken dazwischen und zeitweise Bezug von ALV und Sozialhilfe. Vom 19.2.-21.4.23 arbeitete er temporär angestellt. Seit 21.4.23 ist er arbeitslos. Seine Rahmenfrist für Arbeitslosentaggeld lief am 31.5.23 aus. Antrag auf Arbeitslosentaggeld ist beim RAV/ALV noch nicht eingegangen, somit konnte noch nicht geprüft werden, ob ein neuer Anspruch ab 1.6.23 gegeben ist.

Meine Frage ist nun - bedeutet das, dass die Arbeitnehmereingenschaft bei beiden nicht mehr gegeben ist und sie somit nur Anspruch auf Nothilfe haben? Ich weiss von einem anderen Sozialdienst, der jeweils reguläre Sozialhilfe ausbezahlt, solange die Aufenthaltsbewilligung nicht abgelaufen ist und nicht im Detail prüft, ob die Arbeitnehmereigenschaften noch vorhanden sind.

Vielen Dank für Ihre Rückmeldung.

Frage beantwortet am

Ruth Schnyder

Expert*in Sozialhilferecht

Guten Tag

Gerne beantworte ich Ihre Anfrage, welche die Arbeitnehmereigenschaft bei B-Bewilligung EU/EFTA betrifft nach Stellenverlust und Beendigung des Anspruchs auf Arbeitslosenentschädigung.

Solange Personen mit der erwähnten B-Bewilligung die Arbeitnehmereigenschaft erfüllen, haben sie Anspruch auf Sozialhilfe. Wird das Arbeitsverhältnis beendet, sind folgende Fälle nach Art. 61a Ausländer- und Integrationsgesetz vom 16.12.05 [AIG; SR 142.20] zu unterscheiden:

  • Endet das Arbeitsverhältnis während der ersten 12 Monate auf unfreiwillige Weise, erlischt 6 Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Aufenthaltsrecht bzw. die Arbeitnehmereigenschaft (Abs. 1). Bezieht die betroffene Person zu diesem Zeitpunkt Arbeitslosentaggelder, dann endet das Aufenthaltsrecht mit dem Ende der Entschädigung (Abs. 2). Der Anspruch auf (reguläre) Sozialhilfe besteht aber nur bis Ende des Arbeitsverhältnisses, nicht aber bis Ende des Aufenthaltsrechts. In dieser Zeit besteht demnach nur ein Anspruch auf Nothilfe (Abs. 3).
  • Endet das Arbeitsverhältnis nach den ersten 12 Monaten auf unfreiwillige Weise, erlischt 6 Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Aufenthaltsrecht bzw. die Arbeitnehmereigenschaft (Abs. 4). Bezieht die betroffene Person zu diesem Zeitpunkt Arbeitslosentaggelder, dann endet das Aufenthaltsrecht 6 Monate nach Ende der Entschädigung (Abs. 2). Währenddessen ist der Anspruch auf (reguläre) Sozialhilfe nicht ausgeschlossen.

Verlängerung des Aufenthalts und damit des Anspruchs auf (reguläre) Sozialhilfe: Dies ist dann der Fall, wenn das Arbeitsverhältnis wegen einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit, Unfall oder Invalidität beendet wurde sowie für Personen, dies auf ein Verbleiberecht nach dem FZA oder dem EFTA-Übereinkommen berufen können (Art. 61 Abs. 5 AIG). Das nach Art. 4 Anhang I FZA ein Verbleiberecht besteht, wenn eine Person unter anderem dauernd arbeitsunfähig geworden ist (und die Beschäftigung deswegen aufgegeben hat) und sich zuletzt während mehr als 2 Jahre (im Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit) ständig in der Schweiz aufgehalten haben (weitere Gründe siehe vorstehend zitierte VFP).

  • Das Aufenthaltsrecht und der Anspruch auf (reguläre) Sozialhilfe erlöschen sofort, wenn jemand freiwillig das Arbeitsverhältnis beendet hat. Sie kann ihren Aufenthalt in der Schweiz nur dann fortsetzen, wenn sie die Voraussetzungen eines anderen Status nach dem Freizügigkeitsabkommen erfüllt (Weisungen VFP, Kapitel 8.3).

Es handelt sich hierbei um die Grundregeln nach Art. 61a AIG. Weiteres dazu, insbesondere, wenn jemand nach einem Stellenverlust wieder eine Stelle findet, können sie den bereits erwähnten Weisungen VFP, Kapitel 6.3.2 ff., und dem Merkblatt der SKOS «Unterstützung von Personen aus dem EU/EFTA-Raum» (Kapitel 2.2.3) aus dem Jahr 2019 entnehmen. Dazu ist zu vermerken, dass die im Merkblatt zitierten Weisungen VEP durch die vorliegend zitierten Weisungen VFP ersetzt wurden.

Im Zweifelsfall wäre eine Rückfrage beim Migrationsamt ebenfalls ein möglicher Weg.

Ohne die Details der von Ihnen geschilderten Situationen zu kennen, kann ich Ihnen beipflichten, dass bei B-Bewilligung EU/EFTA und Stellenverlust die Prüfung der Arbeitnehmereigenschaft von Seiten Sozialhilfe angezeigt ist, damit über die Höhe der Unterstützung entschieden werden kann.

Ich hoffe, Ihnen damit Ihre Frage beantwortet zu haben.

Freundliche Grüsse

Ruth Schnyder