Zum Inhalt oder zum Footer

Anspruch KTG bei Kündigung während Probezeit

Veröffentlicht:
06.11.2018
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Arbeitsrecht

Guten Tag
Mein KL hat ab August 2018 eine Lehre als FABE in einem Altersheim gestartet. Zuvor war er im selben Betrieb fest angestellt als Prakikant. Im Lehrvertrag war eine Probezeit von 3 Monaten vereinbart. Kurz vor Ende dieser Probezeit wurde ihm gekündigt. Grund war sein inakzeptables Verhalten: er hat regelmässig unentschuldigt gefehlt, erschien alkoholisiert, hat an Gesprächen seine Situation stets verharmlost und gelogen.
Mein KL will sich nun nachträglich krankschreiben lassen um KTG-Leistungen zu erhalten. Ich habe dazu folgende Fragen:

  • hat er überhaupt Anspruch (da Kündigung noch in der Probezeit)?
  • wenn ja: kann er nachträglich seine Suchterkrankung geltend machen?
    Er hat nach der Kündigung einen Alkhol-Entzug durchgemacht und wohnt nun in einem betreuten Wohnen. Vor dort aus plant er einen stationären Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik.
    Ich bedanke mich für Ihre Rückmeldung.
    Freundliche Grüsse
    G. Nussbaumer

Frage beantwortet am

Kurt Pärli

Expert*in Arbeitsrecht

Sehr geehrte (r) Frau (Herr) G. Nussbaumer
Gerne beantworte ich Ihre Frage wie folgt: Zwischen Ihrem Klient und dem Altersgheim wurde ein Lehrvertrag nach den Art. 344 ff. OR abgeschlossen. Auf den Lehrvertrag finden grundsätzlich die Bestimmungen für die normalen Arbeitsverträge (OR 319 ff.) Anwendung. Einzelne Fragen sind jedoch für den Lehrvertrag in den Art. 344-346 gesondert geregelt, so auch die Probezeit.
Die Probezeit beträgt gemäss Art. 344a OR nicht weniger als einen und höchstens drei Monate. In ihrem Fall wurden drei Monate vereinbart.
Während der Probezeit kann das Lehrverhältnis jederzeit und ohne dass es dafür einen sachlichen Grund braucht aufgelöst werden. Nach Ablauf der Probezeit ist die fristlose Auflösung des Lehrverhältnisses möglich. Das GEsetz zählt nicht abschliessend Gründe auf, bei deren Vorleigen eine Auflösung fristlos möglich ist (Siehe Art. 346 Abs. 2 lit. a - c OR). U.a. sind für die Ausbildung hinderliche gesundheitliche Gründe des Lehrlings genannt (Art. 346 Abs. 2 lit. b OR).
Wichtig ist weiter, dass die Sperrfristen nach Art. 336c OR (Unzulässigkeit der Kündigung während bestimmter Zeiten bei Vorliegen einer Arbeitsverhinderung u.a. auch Gründen der Krankheit) während der Probezeit nicht Anwendung finden. Einzig die Vorschriften zur missbräuchlichen Kündigung (Art. 336 bis Art. 336b OR) gelten schon während der Probezeit.
Als erstes Zwischenergebnis ist festzuhalten: Während der Probezeit besteht noch kein Kündigungsschutz wegen Krankheit. Nach Ablauf der Probezeit wäre bei Alkoholabhängigkeit wohl auch eine fristlose Kündigung des Lehrverhältnisses zulässig, soweit die Erkrankung die Absolvierung der Lehre gefährdet hätte.
Das Lehrverhältnis wurde also rechtmässig aufgelöst, daran ändert auch ein nachträgliches Arztzeugnis nichts.
Nun stellt sich die Frage, ob während des Arbeitsverhältnisses und insbesondere in der Zeit danach ein Anspruch auf Lohnfortzahlung bzw. auf Leistungen der Krankentaggeldversicherung besteht.
Vorerst gilt es zu klären, wie in fraglichem Altersheim die Frage der Lohnfortzahlung für Lehrlinge geregelt ist. Dazu müsste ich den Vertrag und allfällige Reglemente des Betriebes sowie die Versicherungsbedingungen des Krankentaggeldversicherers kennen. In der Praxis kommen verschiedene Lösungen vor. Falls keine Krankentaggeldversicherung besteht, hat ihr Lehrling Anspruch auf Lohnfortzahlung des Arbeitgebers ab dem vierten Monat (Art. 324a OR), da das Lehrverhältnis bereits vorher endete, besteht folglich kein Anspruch.
Die Lohnfortzahlungspflicht der Arbeitgeberin wird regelmässig durch Taggeldversicherungslösungen erweitert., insbesondere auch dadurch, dass Taggelder nicht erst nach Ablauf der Probezeit ausgerichtet werden. Ob dies aber in fraglichem Altersheim auch so ist, weiss ich nicht.
Zu beachten ist weiter: Es gibt Versicherungsverträge, die vorsehen, dass ein Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses und weiterhin bestehender Arbeitsunfähigkeit in der Kollektivversicherung versichert bleibt und zwar bis zur Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit. Andere Versicherungen sehen vor, dass bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis auch ein Austritt aus der Kollektivversicherung erfolgt und ein Übertritt in die Einzelversicherung möglich ist.
Als zweites Zwischenergebnis ist zu vermerken, dass die konkreten Regelungen des Betriebes in Erfahrung gebracht werden müssen, um zu klären, ob Ihr Klient Chancen auf Taggeldleistungen hat.
Schliesslich bleibt noch das dritte Problem, nämlich dasjenige der rückwirkenden Krankschreibung. Die Versicherer (und die Gerichte) sind hier sehr zurückhaltend hinsichtlich der Anerkennung solcher Arztzeugnisse. Die Alkoholabhängigkeit führt ja nicht per se zur Arbeitsunfähigkeit, d.h., die rückwirkende Diagnose "Alkaholabusus" sagt noch nichts über eine allfällige Arbeitsunfähigkeit aus.
Zusammenfassendes Fazit: Die Kündigung während der Probezeit war rechtmässig, ob ein Lohn- bzw. Taggeldanspruch besteht ist sehr fraglich. Nichtsdestotrotz lohnen sich vertieftere Abkärungen bezüglich des Versicherungsschutzes bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit beim Arbeitgeber. Besondere Beachtung ist einem allfälligen Übertrittsrecht von der Kollektiv- in die Einzelversicherung zu schenken.
Genügen Ihnen diese Auskünfte?
Mit Dank für die Kenntnisnahme und freundlichen Grüssen
Kurt Pärli

Guten Tag Herr Pärli
ich danke Ihnen sehr für Ihre detaillierten Darlegungen! Diese sind sehr hilfreich für mich. Danke!
Mit freundlichen Grüssen
Frau Gwendolin Nussbaumer