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Anspruch IV-Kinderrente und IV-Taggelder

Veröffentlicht:
02.08.2022
Kanton:
Solothurn
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht

Wir sind zuständig für eine Person, welche aktuell Sozialhilfe bezieht. Sie ist 19 Jahre alt. Sie bezieht aktuell IV-Taggelder, da sie ein Arbeitstraining zu 50% besucht. Das Ziel ist, dass sie eine Ausbildung absolvieren kann. Die IV-Taggelder bezieht sie bereits seit 6 Monate. Nun melden wir die EL an. Die EL hat uns zurückgemeldet, dass der Vater von der Person die EL-Anmeldung tätigen muss. Er bezieht eine IV-Kinderrente für sie.

Meine Frage nun: Kann der Vater die IV-Kinderrente beziehen, obwohl die Tochter in keiner Ausbildung ist? Gilt das Arbeitstraining von der IV als Ausbildung?

Ich danke für die Rückmeldung. 

Frage beantwortet am

Daniel Schilliger

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Guten Tag

Bezüger einer Invalidenrente haben nach dem 18. Altersjahr des Kindes Anspruch auf eine Kinderrente, wenn sich das Kind in Ausbildung befindet und noch nicht 25 Jahre alt ist (Art. 35 Abs. 1 IVG i.V.m. Art. 25 AHVG). Art. 49bis und 49ter AHVV definieren die Ausbildung im Sinne des Anspruchs auf eine Kinderrente; weitere Präzisierungen finden sich in der Wegleitung des BSV über die Renten (RWL).

Danach ist ein Kind in Ausbildung, wenn es sich auf der Grundlage eines ordnungsgemässen, rechtlich oder zumindest faktisch anerkannten Bildungsganges systematisch und zeitlich überwiegend entweder auf einen Berufsabschluss vorbereitet oder sich eine Allgemeinausbildung erwirbt, die Grundlage bildet für den Erwerb verschiedener Berufe. Als in Ausbildung gilt ein Kind auch, wenn es Brückenangebote wahrnimmt wie Motivationssemester und Vorlehren sowie Au-pair- und Sprachaufenthalte, sofern sie einen Anteil Schulunterricht enthalten. Als Ausbildung gelten grundsätzlich auch von der IV gewährte Eingliederungsmassnahmen beruflicher Art, sofern sie, wie beispielsweise die erstmalige berufliche Ausbildung, systematisch das für eine spätere Erwerbstätigkeit nötige Wissen und Können vermitteln (Rz. 3365 RWL). Nicht als in Ausbildung gilt ein Kind, wenn es ein durchschnittliches monatliches Erwerbseinkommen erzielt, das höher ist als die maximale volle Altersrente der AHV (Stand heute: CHF 2390). Dem Erwerbseinkommen gleichgestellt sind Ersatzeinkommen wie ein IV-Taggeld (Rz. 3366 RWL).

Die Ausbildung gilt mit einem Berufs- oder Schulabschluss als beendet sowie wenn sie abgebrochen oder unterbrochen wird oder wenn ein Anspruch auf eine Invalidenrente entsteht. Gemäss Rz. 3335 und 3506 RWL besteht der Anspruch auf Kinderrente so lange der Anspruch des invaliden Kindes auf eine Invalidenrente "ruht", namentlich weil Eingliederungsmassnahmen der IV mit Unterkunft und Verpflegung gewährt werden.

Auch wenn das vorliegende IV unterstützte Arbeitstraining für sich betrachtet womöglich keine Ausbildung im Sinne des Gesetzes ist, kann die Tochter je nach dem dennoch als "in Ausbildung" begriffen werden. Von dem geht die Ausgleichskasse offenbar aus und richtet eine Kinderrente aus.

Kinder, für die eine Kinderrente ausgerichtet wird, haben keinen eigenen EL-Anspruch. Die Berücksichtigung des Kindes bei der EL-Berechnung beruht auf dem EL-Anspruch des rentenberechtigten Elternteils (Rz. 2220.01 WEL). Für Kinder, deren EL gesondert berechnet wird und die einen Ausgabenüberschuss ausweisen, wird jedoch auch dann ein jährlicher EL-Betrag ausgerichtet, wenn der EL-berechtigte Elternteil die wirtschaftliche Anspruchsvoraussetzung nicht erfüllt (Art. 7 Abs. 2 ELV, Rz. 2220.01 WEL).

Zuständig ist die EL-Stelle bzw. Ausgleichskasse, wo auch der Bezüger der IV-Stammrente wohnt (Art. 21 Abs. 1 ELG und Rz. 1250.01 WEL).

Den Anspruch auf EL kann nicht nur der Bezüger der Stammrente geltend machen, dies können auch Angehörige und unter Umständen Drittpersonen bzw. Behörden (siehe Art. 67 Abs. 1 AHVV und Rz. 1120 WEL). Die EL-Anmeldung muss also nicht zwingend durch den Vater erfolgen; die Tochter ist zur Anmeldung ebenfalls berechtigt.

Im Übrigen kann das volljährige Kind in Ausbildung die Auszahlung der Kinderrente sowie eines allfällig gesondert berechneten EL-Anteils an sich selber verlangen (Art. 82 IVV i.V.m. Art. 71ter Abs. 3 AHV, Rz. 4250.02 WEL).

Bezieht die Tochter ununterbrochen während mindestens sechs Monaten ein Taggeld der IV, hat sie einen eigenen Anspruch auf EL (Art. 4 Abs. 1 Bst. c ELG). Vor diesem Hintergrund ist die Rückmeldung der EL-Stelle noch weniger nachvollziehbar.
 
Verlangen Sie eine anfechtbare Verfügung, falls Sie in einem aufklärenden Gespräch nicht weiter kommen. Ich hoffe, die Antwort ist erhellend und Sie kommen einen Schritt weiter.

freundlicher Gruss

Daniel Schilliger