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Anspruch auf Krankentaggeld

Veröffentlicht:
04.01.2021
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht

Frau X. (1997 Jg) hatte einen befristeten Arbeitsvertrag bei einem Pflegezentrum vom 01.09.2019 - 29.02.2020. Vom 24.01.2020 bis 29.02.2020 war sie 100% AUF, dem Arbeitgeber liegen die Zeugnisse vor.

Danach war Frau X. weiterhin 100% arbeitsunfähig, es liegen jedoch keine Arbeitsunfähigkeitszeugnisse vor. Vom 22.05.2020 - 17.07.2020 befand sie sich in stationärer Behandlung und wurde vom 22.05.2020 - 31.07.2020 zu 100% AUF geschrieben. 

Auf Rückfrage vom Sozialdienst, ob Frau X. Anspruch auf Leistungen der Krankentaggeldversicherung hat, antwortete der Arbeitgeber, dass sie keine Anmeldung beim der Versicherung gemacht haben, weil der Arbeitsvertrag sowieso per 29.02.2020 ausgelaufen sei. 

Ist das Vorgehen des Arbeitgebers rechtlich korrekt? Hätte Frau X. die Möglichkeit gehabt, in eine Einzeltaggeldversicherung einzutreten?
Sollte das Vorgehen vom Arbeitgeber nicht korrekt sein: Gibt es zum heutigen Zeitpunkt noch Möglichkeiten, rückwirkend Ansprüche geltend zu machen?

Besten Dank für Ihre Rückmeldung.
Freundliche Grüsse
Tamara Cortés 

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Liebe Frau Cortés

In einem ersten Schritt müsste in diesem Fall das Reglement der Krankentaggeldversicherung analysert werden. Ev. sind dort befristete Arbeitsverhältnisse vom Leistungsanspruch ausgeschlossen.

Wenn dies aber nicht der Fall ist und ein reglementarischer Anspruch bestanden hätte, so hätte damals eine rechtzeitige Anmeldung zu einem Leistungsanspruch, ev. auch über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus geführt. Für die bei Beendigung bestehend AUF je nach Regelmentsbestimmung ev. sogar ohne Übertritt in die Einzelversicherung. Für nachher auftretende AUF wären ein Übertritt in die Einzelversicherung und so ein Versicherungsschutz möglich gewesen.

Soweit das Reglement solche Leistungen und Möglichkeiten der KTV vorsieht, so hat die fehlende Anmeldung des Arbeitgebers zu einer Schädigung geführt. Und es wären, Schadenersatzansprüche zu prüfen.

Solche Ansprüche verjähren erst nach fünf Jahren. Soweit eine Erstkonsultation des Reglementes der KTV entsprechende Ansprüche beinhaltet, rate ich mögliche Schadenersatzansprüche über einen Berufsverband oder einen auf Arbeitsrecht spezialisierte Anwaltsperson abklären zu lassen und dann geltend zu machen.

Ich hoffe, das dient.

Prof. Peter Mösch Payot

Hallo Peter

Danke für deine Rückmeldung. Ich habe die AVB der Krankentaggeldversicherung (Swica) geprüft. Gemäss Art. 12 Abs. 2 der AVB muss die ausscheidende versicherte Person innert 90 Tagen vom Übertrittsrecht in die Einzeltaggeldversicherung schriftlich informiert werden. Der Arbeitgeber hat mir eine solche Bestätigung geschickt, jedoch fehlt darauf die Unterschrift der Klientin. Im Gespräch habe ich die Klientin gefragt, ob sie dieses Schreiben erhalten habe. Sie verneinte.

Nun ist die Frage: Ist das Informationsschreiben zum Übertritt in die Einzeltaggeldversicherung ohne Unterschrift der ausscheidenden versicherten Person (also unserer Klientin) gültig? 

Hätte Frau X. eine Einzeltaggeldversicherung abgeschlossen, wäre sie mit dem Rückfall nach 83 Tagen wieder in die Kollektivversicherung aufgenommen worden und hätte Anspruch gehabt auf Krankentaggeld (Art. 12 Abs. 6 AVB).

Lohnt es sich, mit dieser Ausgangslage Schadenersatz einzuklagen? 

Lieben Dank für deine Rückmeldung und lieben Gruss
Tamara

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Liebe Tamara

Entscheidend ist die Frage, ob der Arbeitgeber belegen kann (Beweismass überwiegende Wahrscheinlichkeit), dass das Informationsschreiben der Arbeitnehmerin zukam.

Wenn die Arbeitnehmerin weiter behauptet, sie habe ein solches Schreiben nicht erhalten, so wäre es am Arbeitgeber die Indizien zu nennen, die für eine entsprechende Information sprechen. Z.B. ein eingeschriebenes Schreiben etc.

Da im vorliegenden Fall nach deinen Angaben tatsächlich durch die fehlende Anmeldung ein Schaden entstanden ist - und prima vista durchaus wirschaftlich relevant ist - wäre hier tatsächlich aus meiner Sicht ein arbeitsrechtliches Verfahren zu prüfen. Dieses kann über die Arbeitnehmerin mit eurer Unterstützung geführt werden. Ihr könnt euch den Anspruch auch abtreten lassen und den Prozess dann, unter Beiladung der Arbeitnehmerin, selber führen.

In einem ersten Schreiben wäre die Arbeitgeberin zu informieren, dass dieses Schreiben der Arbeitnehmenden nie zukam und deswegen ein erheblicher Schaden entstand. 

Ev. lässt sich dieser auch überschlagmässig berechnen und ein entsprechender Betrag geltend machen unpräjudiziell. 

Ich würde das wie geschrieben juristisch genauer prüfen lassen. Ein arbeitsgerichtliches Verfahren ist bis zu einem Streitwert von CHF 30`000 kostenlos (Art. 113 Abs. 2 lit. d ZPO).

Beste Grüsse

Peter Mösch Payot