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Anspruch auf Behandlung im Spital wenn Rechnungen nicht bezahlt werden können

Veröffentlicht:
12.05.2020
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht

Der Klient ist verheiratet und hat ein Kind und wohnt im Kanton Aargau. Er lebt schon seit einigen Jahren auf dem betreibungsrechtlichen Existenzminimum. Im September 2019 wurde bei ihm ein bösartiger Hirntumor entdeckt und sofort operiert. Er ist weiter regelmässig in Behandlung und ist auf Therapien angewiesen wie auch auf die Unterstützung der Spitex etc. Der Klient ist er zu 100% arbeitsunfähig. Die Anmeldung für eine IV-Rente ist erfolgt. Der Arbeitsvertrag wurde per Ende Februar 2020 gekündigt. Seither erhält der Klient ein Krankentaggeld (gepfändet). Aufgrund der jahrelangen Pfändung hat der Klient vor Mandatserrichtung jeweils die Leistungsabrechnung der Krankenkasse nicht bezahlt. Dies hat zur Folge, dass das Spital die Rechnungen nicht mehr direkt an die KK zur Direktbezahlung einreichen kann/konnte. Die Rechnungen des Spitals gingen an den Klienten und wurden durch ihn bei der KK eingereicht, die Rückerstattung jedoch zweckentfremdet. Bei Mandatserrichtung waren somit einige Spitalrechnungen offen und es kamen noch weitere dazu. Mit dem gepfändeten Einkommen ist es nicht möglich, diese Ausstände zu begleichen. Für mich stellt sich nun die Frage, was passiert, wenn ich als BB die Spitalrechnungen (stationäre und ambulante Behandlungen) nicht mehr bezahlen kann und diese in die Betreibung gehen. Auf welche Behandlungen hat der Klient noch Anspruch ? Nur noch Notfallbehandlung oder wird die begonnene Krebsbehandlung weiter geführt ungeachtet der offenen Rechnungen ? Was sind allenfalls notwendige Schritte, welche ich einleiten muss?

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Ich habe eine Rückfrage, bevor ich Ihre Frage beantworten kann: Bezieht der Betroffene Sozialhilfe im Sinne des SPG?  Besten Dank für eine kurze Rückmeldung. Peter Mösch Payot

Guten Tag Herr Mösch 

Der KL bezieht keine Sozialhilfe. Das Krankentaggeld und das Einkommen der Ehefrau decken das Existenzminimum. Auch wenn das Einkommen der Ehefrau aktuell coronabedingt tiefer ausfällt. 

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Sehr geehrte Frau Wyss

Ich gehe davon aus, dass der Fall im Kanton Aargau spielt.

 

Wenn ich die Situation richtig interpretiere, so werden in Ihrem Fall aktuell die Prämien bezahlt und die betroffene Person ist nicht auf der Liste der Prämiensäumigen gemäss Art. 64a Abs. 7 KVG.

 

a) Falls aber hier die Person auf dieser Liste ist gilt Folgendes:

Esist im Kanton Aargau vorgesehen, dass die Kostenübernahme für ZahlungsUNWILLIGE (nicht Zahlungsunfähige) auf Notbehandlung reduziert wird bei Prämiensäumigen, welche trotz Betreibung ihrer Prämienpflicht nicht nachkommen. Vgl. Art. 22 Abs. 1 lit. a Gesetz zum Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVGG) des Kantons Aargau. Entscheidend ist dabei die Abklärung der Gemeinden.

Falls die Person zu Unrecht auf dieser Liste ist, soll beantragt werden, dass ein Eintrag gestrichen wird.

 

Was genau insoweit unter Notbehandlung verstanden wird, die trotz Ausständen bei der Krankenversicherung zu gewähren sind, ist nicht ganz klar. Aber einige kantonale Gerichtsurteile und auch der empfehlende Leitfaden im Aargau konkretisiert, dass wohl medizinisch notwendig Behandlungen, auch etwa bei chronischen Erkrankungen, übernommen werden müssen.

 

Siehe dazu https://www.ag.ch/de/dgs/gesundheit/gesundheitsversorgung/praemienverbilligung_und_krankenkassenausstaende/departement_detailseite_360.jsp

 

b) Falls die Person nicht auf der Liste ist, sondern aktuell die Prämien bezahlt werden, so dürfte auf der Basis der kantonalen Gesundheitsgesetzgebung und dem entsprechenden Versorgungsauftrag ein kantonales Spital seine Behandlung nicht davon abhängig machen, ob offene Rechnungen bezahlt werden. Immerhin könnten aber wohl Sicherstellungen verlangt werden, etwa in dem Sinne, dass seitens der Krankenversicherung eine Direktzahlung an den Spital vorgenommen wird (was heute auch die Regel ist bei Spitalbehandlungen). Eine entsprechende Sicherung der Leistungen kann auch über die Funktion der Beiständin ermöglicht werden.

Ich hoffe, das dient Ihnen.

Prof. Peter Mösch Payot