Guten Abend Herr Pärli
Bei der Firma X gab es während der letzten 16 Jahre für alle Mitarbeitenden eine zusätzliche Gratifikation. Diese bezieht sich auf den Geschäftsabschluss und wird neu Mitte April ausbezahlt. (Früher Mitte März). Der Klientin (zuständig für Telefon und Empfang) wurde aus wirtschaftlichen Gründen gekündigt, sie hat am 31.3.2018 ihren letzten Arbeitstag. Hat sie trotz Kündigung Anrecht auf die Gratifikation. Zählt das Geschäftsjahr in diesem Fall von Januar bis Dezember, oder von April bis April?
Besten Dank für Ihre Antwort
Eva Sacchi
Frage beantwortet am
Kurt Pärli
Expert*in Arbeitsrecht
Sehr geehrte Frau Sacchi
Gerne beantworte ich Ihre Fragen wie folgt:
Es gilt zu unterscheiden, ob die Gratifikation als vertraglich vereinbart oder als freiwillige Leistung gilt.
Sofern die Gratifikation während der vergangenen 16 Jahren jeweils ohne Vorbehalt seitens der Geschäftsführung ausgerichtet wurde, gilt der Anspruch auf die Gratifikation als vertraglich vereinbart und ob auch der pro rata temporis -Anspruch ausdrücklich vereinbart wurde oder zumindest gängige Praxis im Betrieb ist. Wenn dem so ist, hat dies zur Folge, dass der Anspruch bei einem Austritt aus der Firma vor Ablauf der Berechnungsperiode anteilsmässig besteht. Konkret kommt es darauf an, wann Ihre Klientin das letzte Mal eine Gratifikation erhalten hat und für welchen Zeitraum die Gratifikation gedacht war. Möglich ist auch, dass die Gratifikation im März 2017 für das Geschäftsjahr Januar bis Dezember 2016 ausgerichtet wurde, März ist diesfalls einfach der Zahlungstermin. Wenn nun im 2018 der Zahlungstermin erst im April ist, ändert das am Anspruch auf Gratifikation ihrer Klientin für das Jahr 2017 nichts. Bei dieser Betrachtungsweise hätte ihre Klientin zudem im April 2019 noch Anspruch auf eine anteilmässige Gratifikation für die Monate Januar bis März 2018. Jetzt steht ja noch nicht fest, ob der Betrieb im 2019 überhaupt eine Gratifikation ausrichten wird.
Wenn jedoch die Arbeitgeberin die Gratifikation während der letzten 16 Jahre immer unter Vorbehalt ausgerichtet hat und jedes Mal erwähnt hat, dass auf die Gratifikation kein Rechtsanspruch besteht, so liegt keine vertragliche Abrede sondern eine freiwillige Leistung der Arbeitgeberin vor. Es steht diesfalls im Ermessen der Arbeitgeberin, ob sie überhaupt eine Gratifikation ausrichten will und ob ein Anspruch auch dann besteht, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem Gratifikationstermin gekündigt wird. Die einzige Schranke der Ermessensausübung der Arbeitgeberin besteht im arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Ohne sachlichen Grund, darf die Arbeitgeberin einzelne Arbeitnehmer/innen Gratifikationszahlungen nicht schlechter behandeln als die Mehrheit.
Sie sehen, die Gratifikationsthematik ist ziemlich komplex und wie so oft bei juristischen Fragen kommt es auf den konkreten Sachverhalt an. Näher in Erfahrung zu bringen ist im vorliegenden Fall die Praxis der Grati-Zahlungen der letzten Jahre und auch, welche schriftlichen Informationen die Arbeitgeberin jeweils bei der Zahlung abgegeben hat.
Genügen Ihnen diese Auskünfte?
Mit Dank für die Kenntnisnahme und freundlichen Grüssen
Kurt Pärli
Herzlicher Dank, Herr Pärli für Ihre sehr hilfreiche Antwort.
Beste Grüsse
Eva Sacchi