Guten Tag
ich gelange mit folgender Anfrage unseres Sozialdienstes (Kanton Bern) an Sie:
Eine alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern, die seit kurzem eine Ausbildung absolvieren, hat während 15 Jahre des Sozialhilfebezuges, ein Vermögen von Fr. 28.000.- auf ihrem Konto angespart. Sie hat es für einen möglichen Bedarf an die Ausbildung der Kinder angespart.
Wäre es eine Option, einen Teil des Guthabens den Kindern zu überweisen, damit diese von der Sozialhilfe abgelöst werden könnten? Ein Teil der Sozialhilfe war ja für die Kinder bestimmt.
Müsste die Klientin das Guthaben, abzüglich Freibetrag, dem Sozialdienst überweisen? Die Kinder könnten jedoch so nicht abgelöst werden, da das Vermögen bei den Stipendien einberechnet wird.
Würde sich die Sachlage anders verhalten, wenn das Geld auf einem Sperrkonto für die Kinder angespart worden wäre? In dem Sinne würde es sich um Kindsvermögen handeln, welches durch das ZGB geschützt wäre.
Wie ist mit sogenannten „Geschenkkontis“ von Klienten zu verfahren? Müssten diese auch als Vermögen für den Klienten angesehen werden? Würden in der Sozialhilfe nur Sperrkonti akzeptiert werden, damit das Vermögen nicht eingerechnet wird?
Besten Dank.
Sabine Bauer
Frage beantwortet am
Ruth Schnyder
Expert*in Sozialhilferecht
Guten Tag Frau Bauer
Gerne beantworte ich Ihre Anfrage. Im Wesentlichen stellt sich die Frage, wie mit Vermögen umzugehen ist, das aus Unterstützungsleistungen der Sozialhilfe angespart wurde. Dazu hat sich das Verwaltungsgericht des Kantons Bern in einem konkreten Fall geäussert (Urteil Nr. 100.2010.164U vom 22.12.2010). Im Zentrum stand Art. 30 Abs. 3 SHG, wonach eigene Mittel angemessen anzurechnen sind. Auf diesem Weg werden u.a. Eigenmittel mit affektivem Wert (konkretisiert in Art. 34 SHG) oder der Beitreibung entzogene Vermögenswerte der bedürftigen Person belassen. Der angemessenen Anrechnung von Eigenmitteln wird auch mit der Einräumung eines Vermögensfreibetrages Rechnung getragen. Im damals zu beurteilenden Fall wollte der betroffene Sozialhilfebezüger mit dem Angesparten u.a. ein Sportgerät sowie Rücklagen für die Steuern finanzieren. Das Verwaltungsgericht stellte in diesem Urteil klar, dass die Bildung von Ersparnissen aus bezogenen Unterstützungsleistungen der Sozialhilfe zulässig sei, sofern diese nicht den Vermögensfreibetrag übersteigen (Erw. 4.2). Im Grundsatz sowie im konkreten Fall bejahte es auch, dass der den Vermögensfreibetrag übersteigende Teil als Vermögen anzurechnen sei (Erw. 4.3 f.). Es liess aber dabei offen, ob in Einzelfällen anders zu entscheiden wäre, soweit besondere Umstände gegen eine Anrechnung sprechen würden. Dabei könnte u.a. eine Ausnahme die beabsichtigte Vermögensverwendung darstellen. Es machte diesbezüglich keine näheren Ausführungen, wohl muss aber die beabsichtigte Vermögensverwendung vom Zweck her die unmittelbare Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips überwiegen.
Aus diesem Urteil kann Folgendes zu Ihrer Frage abgeleitet werden:
Der betreffenden Klientin ist das Angesparte im Umfang des für ihre Unterstützungseinheit zutreffenden Vermögensfreibetrages zu belassen. Der den Freibetrag übersteigenden Vermögensanteil ist anzurechnen, d.h. sie bzw. die Unterstützungseinheit ist grundsätzlich damit abzulösen. Jedenfalls hat das Vermögen meiner Auffassung nach solange nicht die Qualität des zivilrechtlich geschützten Kindesvermögens (Art. 318 ZGB) erreicht, solange es auf dem Konto der Klientin lag bzw. liegt. So befindet es sich nach wie vor in der Dispositionshoheit der Klientin und könnte letztlich auch für andere Vorhaben eingesetzt werden . Anders wäre es zu betrachten, hätte sie das Geld auf Konten einbezahlt, die auf die Namen der Kinder lauten. Gegen die Auffassung, wonach es sich bei der aktuellen Sachlage nicht um Kindesvermögen handelt, könnte man ins Feld führen, dass das Vermögen zumindest zu einem gewissen Teil mit Hilfe des Anteils, welcher für die Kinder gedacht war, erspart werden konnte. Bei einer grosszügigeren Betrachtung könnte man also sagen, dass immerhin der auf die Kinder entfallende Anteil Kindesvermögen darstellt, obschon das Vermögen auf dem Konto der Klientin liegt. Falls die Klientin regelmässig Einkommensfreibeträge, Integrationszulagen generieren konnte, fällt der Anteil der Kinder konsequenterweise tiefer aus. Bei dieser Betrachtung müsste man vom angesparten Vermögen den Anteil der Kinder im Sinne des Kindesvermögens abziehen (und einem separaten Konto zuführen). Vom verbleibenden Betrag würde dann der den Vermögensfreibetrag übersteigende Betrag als anrechenbares Vermögen gelten, welches zur Ablösung führen würde.
Kommen Sie jedoch zum Ergebnis, im vorliegenden Fall eine Ausnahme zu machen, können Sie diese Frage offen lassen. Dazu Folgendes:
Nach dem dargelegten Urteil des Berner Verwaltungsgerichts steht es in Ihrem Ermessen, im konkreten Fall in Bezug auf die Anrechnung dennoch eine Ausnahme zu machen. Die Ermessensausübung hat dabei rechtmässig zu erfolgen und den Zielsetzungen der Sozialhilfe angemessenen Rechnung zu tragen (vgl. Art. 30 Abs. 3 SHG). Das Ansparen für die Ausbildung der Kinder kann durchaus als sinnvolles Ziel betrachtet werden, das letztendlich auch die Sozialhilfe entlasten kann, da die Stipendien nicht immer sämtliche Ausbildungskosten zu decken vermögen. Würden Sie eine Ausnahme beschliessen, sollte aber sichergestellt werden, dass das Geld vom Vermögen der Klientin getrennt und auf Konten lautend auf die Kinder transferiert würde. Solange die Kinder minderjährig sind, könnte dieses Geld für Ausbildungszwecke angetastet werden, wobei die Genehmigung der KESB eingeholt werden müsste (Art. 320 ZGB; hier lohnt sich allenfalls eine vorgängige Rücksprache mit der KESB). Bei Volljährigkeit der Kinder geht es in das Eigentum der Kinder über und stellt insoweit anrechenbares Vermögen dar im Sinne von Art. 30 SHG, soweit dies angemessen ist.
Ich hoffe, Ihnen mit dieser Antwort eine Basis für die richtige Entscheidung gegeben haben. Wie sie den Ausführungen entnehmen können, gibt es rechtlich verschiedene, vertretbare Möglichkeiten, wobei eine grosszügigere Betrachtung aus meiner Sicht legitim wäre, da es sich immerhin um Vermögen handelt, welches mit rechtmässig erhaltenen Unterstützungsleistungen, angespart wurde, die mit einer Anrechnung nachträglich wieder abgeschöpft würden.
In Bezug auf Ihre abschliessende Frage zu Geschenkkonten kann ich auf das BKSE-Handbuch verweisen, das unter dem Stichwort «freiwillige Leistungen Dritter» dazu Ausführungen macht. Bei Sperrkonten hängt es davon ab, ob es im Machtbereich der Klientin bzw. des Klienten liegt, dieses aufzulösen. Falls nicht, dann käme Art. 34 SHG zur Anwendung.
Freundliche Grüsse, Ruth Schnyder
Guten Tag Frau Schnyder
wir bedanken uns herzlich für Ihre sehr ausführliche und geschickt formulierte Antwort. Wir haben uns im Entscheid Ihren Ausführungen angeschlossen und waren froh um eine neutrale Meinung.
Besten Dank.
Sabine Bauer