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Anrechnung Rückzahlung Mietkaution

Veröffentlicht:
27.04.2022
Kanton:
Graubünden
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Meine Klienten mussten ihre Wohnung aufgrund einer Gesamtrenovation der Liegenschaft verlassen. Für die Mietkaution von CHF 4'455.- im Jahr 2017 ist das Sozialamt Graubünden aufgekommen.  Meine Klienten  haben mit dem Sozialamt Graubünden eine Abzahlungsvereinbarung getroffen. 
Die Familie war verpflichtet CHF 50.- monatlich von ihrem Unterhalt für die Mietkaution dem Sozialamt Graubünden abzubezahlen. Mit dem Auszug aus der jetztigen Wohnung sowie Auflösung der Mieterkaution wurde der Gesamtbetrag von CHF 4'455.- von der Verwaltung direkt dem Sozialamt Graubünden ausbezahlt. Meinen Klienten steht davon CHF 1'805.- zu. Dieses Geld haben sie von ihrem Unterhalt über die Jahre selbst angespart und monatlich zurückbezahlt. Die Auszahlung in dieser Höhe wird auch erfolgen. 
Nun wollen die Sozialen Dienste die CHF 1'805.- als Einnahme anrechnen und entsprechend weniger Unterhalt bezahlen. Ist dies rechtlich korrekt?

Ich bin der Auffassung, dass die CHF 1'805.- nicht angerechnet werden dürfen, da es sich dabei um Unterhalt handelt, welchen ihnen zusteht. Sie hatten über die letzten Jahre monatlich CHF 50.- weniger auszugeben, da sie die Mietkaution von ihrem Unterhalt zurückbezahlen mussten.   

Frage beantwortet am

Ruth Schnyder

Expert*in Sozialhilferecht

Sehr geehrte Frau Caduff

Gerne beantworte ich Ihre Anfrage. Dem für Ihre Anfrage massgebenden ABzUG / GR ist zur Frage der Mietkaution keine Regelung zu entnehmen. Die SKOS-RL (Stand April 2005), worauf in Art. 1 ABzUG verwiesen wird, sieht die Möglichkeit vor, dass eine Sicherheitsleistung im Sinne einer Kaution gewährt wird, wenn eine Garantieerklärung nicht ausreicht (Kap. B.3-2 SKOS-RL, seit 1.1.21 C.4.3).  Wenn die Sozialhilfe die Kaution vorschiesst, ist es zweifellos so, dass im Falle der Rückerstattung im Zeitpunkt der Auflösung des Mietverhältnisses die Kaution der Sozialhilfe zusteht.

Ihre Frage betrifft aber nun die Situation, dass die Klienten die Mietkaution durch einen monatlichen Abzug von Fr. 50 vom Grundbedarf nach und nach der Sozialhilfe zurückerstattet haben, bevor sie zur Auszahlung gelangte. Zweifellos ist es so, dass die Sozialhilfe dann keinen Rückerstattungsanspruch erheben darf. Wären die Klienten also finanziell unabhängig, dürfte die Sozialhilfe keine Rückforderung stellen. Nun sind die Klienten aber nach wie vor bedürftig und beziehen wirtschaftliche Hilfe. Es stellt sich daher die Frage, ob die Rückzahlung am künftigen Bedarf angerechnet werden darf. Dabei spielt es eine Rolle, ob die Rückzahlung als Einnahme oder Vermögen eingestuft wird. Generell herrschen unterschiedliche Auffassungen dazu. Grundsätzlich kann es voll anrechenbares Einkommen darstellen (so die Praxishilfe der SKOS zur Thematik aus dem Jahr 2014) – wobei es erlaubt werden sollte, die rückbezahlte Mietkaution für eine neue Mietkaution zu verwenden -  oder Vermögen, wie das Berner Verwaltungsgericht im beiliegenden Urteil Erw. 4.2 befand, in dessen Rahmen sich das Gericht auch mit der Praxishilfe auseinandergesetzt hat. Auch Wizent (Guido Wizent, Sozialhilferecht, alphaius, Dike 2020, Rz. 619) stuft die Rückzahlung des Mietzinsdepots als Vermögen ein.

Während bei der Qualifizierung als Einnahme die volle Anrechnung beim künftigen Bedarf erlaubt wäre (so wie in Ihrem Fall gehandhabt) – abgesehen für die Finanzierung einer neuen Mietkaution -, ist bei der Qualifizierung als Vermögen weniger klar, inwieweit das Vermögen berücksichtigt werden darf. Nach dem zitierten Berner Urteil ist ein Vermögen unterhalb des Vermögensfreibetrags unbeachtlich (E. 4.3). In dieser Frage kann aber auch die Meinung vertreten werden, dass die ausbezahlte Mietkaution nur soweit nicht beachtet wird, als der Vermögensfreibetrag zu Unterstützungsbeginn nicht ausgeschöpft wurde – falls das Mietzinsdepot bereits zu Unterstützungsbeginn bestanden hat.

Im vorliegenden Fall kommt aber hinzu, dass die Mietkaution während der Unterstützung angespart wurde. Dazu gibt es auch Urteile aus dem Kanton Bern (siehe Beilage in der separaten Antwort, da nur 1 Anhang möglich ist) und dem Kanton Zürich mit konträren Auffassungen wie mit während (und mit) der Sozialhilfe angespartem Vermögen zu verfahren ist. Im Berner Urteil hatte der Klient freiwillig Vermögen angespart und das Gericht bestätigte den Entscheid der Sozialhilfe, das Vermögen anzurechnen, soweit es den Vermögensfreibetrag übersteigt (E. 4.4). Das Zürcher Gericht kam in einem ähnlichen Fall zu einem anderen Schluss. Das Gericht befand, dass die Sozialhilfe das angesparte Vermögen für den regelmässigen Bedarf nicht berücksichtigen dürfe, allenfalls aber für situationsbedingte Leistungen (E. 5). 

Insgesamt spricht meiner Meinung nach einiges dafür, dass es sich bei der von Ihnen geschilderten Mietkaution aus dem Grundbedarf angespartes Vermögen handelt. Gestützt auf die vorerwähnte Rechtsprechung kann die Meinung vertreten werden, dass die Rückzahlung in Ihrem Fall nicht als Einnahmen angerechnet wird, ebensowenig als Vermögen, zumindest soweit der Vermögensfreibetrag nicht überschritten ist.

Ich hoffe, Ihnen damit Ihre Frage beantwortet zu haben.

Freundliche Grüsse

Ruth Schnyder

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Frage beantwortet am

Ruth Schnyder

Expert*in Sozialhilferecht

Das zweite o.e. Berner Urteil siehe Anhang.

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