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Anrechnung Mietkosten bei jungen Erwachsenen

Veröffentlicht:
21.01.2021
Kanton:
Luzern
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Guten Tag

Ich bin Beiständin eines 21-jährigen jungen Mannes, welcher mithilfe der IV eine Erstausbildung absolvieren konnte und dafür ein IV-Taggeld erhalten hat. Da er die Auflagen nicht mehr erfüllen konnte, wurde die Ausbildung im April 2020 abgebrochen (bereits in den Vormonaten erhielt er aufgrund von vielen Fehltagen nicht mehr das ganze Taggeld der IV). Aktuell ist eine Weiterführung der Erstausbildung nicht absehbar.

Im Juli 2019 schloss mein Klient zusammen mit seiner Mutter einen Mietvertrag per 15. September 2019 für eine gemeinsame Wohnung ab. Der Mietvertrag wurde von beiden unterzeichnet und die Miete beträgt Fr. 1800.-. Mein Klient konnte bis im Februar 2020 seinen Anteil an die Miete (1/2) bezahlen, seitdem übernimmt die Mutter die Mietkosten. Die Mutter erklärte, dass die Wohnung für sie alleine zu teuer wäre und sie ohne ihren Sohn in eine andere Wohnung ziehen würde. Das Einkommen der Mutter hat sich in den letzten Monaten aufgrund der Corona-Massnahmen verringert, sie hat aktuell noch rund Fr. 3500.- zur Verfügung und kann ihre Rechnungen kaum mehr begleichen.

Seit Mai 2020 wird der junge Mann von der WSH unterstützt. Im Budget werden keine Mietkosten angerechnet mit Verweis darauf, dass die Mietkosten bei jungen Erwachsenen von den Eltern zu tragen seien. Es wird auch keine Haushaltsführungsentschädigung eingerechnet mit der Begründung, mein Klient sei gesundheitlich nicht in der Lage den Haushalt zu führen.

Meine Fragen:

- Darf das Sozialamt einfach keine Mietksoten im Budget einrechnen, obwohl der Mietvertrag von Mutter und Sohn unterzeichnet wurde? Es handelt sich nicht um die elterliche Wohnung sondern diese wurde explizit von Mutter und Sohn zusammen gemietet, als beide noch ein Einkommen hatten.

- Ist es zulässig von dem jungen Mann zu verlangen, dass er bei den Eltern wohnen muss und diese für die Wohnkosten aufkommen müssen, wenn er vorher selber mit dem IV-Taggeld für seinen Haushalt und die Miete aufgekommen ist?

- Wie sieht das Vorgehen aus? Mein Klient hat seit Mai 2020 Anspruch auf WSH und die Verfügung ist rechtskräftig. Muss ich eine neue Verfügung verlangen um Einsprache machen zu können?

Frage beantwortet am

Ruth Schnyder

Expert*in Sozialhilferecht

Guten Tag Frau Häfliger

Gerne beantworte ich Ihre Anfrage. In dieser Frage der Wohnkosten für junge Erwachsene gelten für den Kanton Luzern die SKOS-Richtlinien, und zwar C.4.2 Abs. 4 – 6 (bzw. Kap. B.4 in den bis 31.12.20 gültigen SKOS-Richtlinien). Der Verweis auf die SKOS-RL ist in § 31 Abs. 1 SHG LU verankert. Zwar können im SHG selber oder in der SHV LU Abweichungen geregelt werden, was aber bei Wohnkosten junge Erwachsene nicht der Fall ist. Zu beachten ist, dass die Gemeinden eine Regelungskompetenz im Bereich Wohnkosten haben, diese betrifft im Wesentlichen aber die Höhe der Wohnkosten (Mietzinsrichtlinien o.ä.). Bei Ihrer Frage geht es aber vielmehr um die Anwendung von SKOS-RL C.4.2 Abs. 4 – 6, vormals Kap B.4, das heisst die besonderen Grundregeln zu den Wohnkosten junge Erwachsene. In der vorliegenden Frage bringen die neuen SKOS-Richtlinien keine Änderung gegenüber Kap. B.4, so dass ich für meine Beantwortung lediglich die neuen SKOS-Richtlinien zitiere.

Nach SKOS-RL C.4.2 Abs. 5 werden die anteilsmässigen Wohnkosten bei jungen Erwachsenen, die im Haushalt der Eltern leben, nur dann angerechnet, wenn den Eltern die Übernahme der vollen Wohnkosten nach den gesamten Umständen (wie persönliche Beziehung, finanzielle Verhältnisse) nicht zugemutet werden kann.

Dies bedeutet, dass die Sozialhilfe stets zu prüfen hat, ob die Übernahme des Wohnkostenanteils den Eltern  oder dem betreffenden Elternteil zugemutet werden kann. In Ihrem Fall scheint mir nicht nur die Zumutbarkeit fraglich zu sein, schon ob überhaupt die zitierte Bestimmung zur Anwendung gelangt. Denn Mutter und Sohn haben gemeinsam die Wohnung gemeinsam bezogen, der Vertrag lautet auf sie beide, und haben sich über längere Zeit die Kosten geteilt. Die Mutter ist denn auch nur in die Bresche gesprungen, als er im Februar 2020 seinen Anteil nicht mehr bezahlen konnte. Muss man bei Mutter und Sohn von gleichberechtigten Wohnpartnern ausgehen, dann kann der Mutter nicht mehr die Kosten überbunden werden, da der Sohn nicht «im Haushalt der Eltern» lebt, so wie es in den SKOS-RL C.4.3 Abs. 5 als Ausgangslage beschrieben wird. Die Idee von dieser Bestimmung ist vielmehr, dass der Sohn zur Mutter (zurück-)zieht, die ihm ein Zimmer von ihrer Wohnung (vielleicht sogar sein Zimmer, das er als Kind bewohnt hatte) im Regelfall unentgeltlich überlässt. In Ihrem Fall verhält es sich aber nicht so und die von Ihnen angegebenen Umstände sprechen für ein gleichberechtigtes Wohnen von Mutter und Sohn und gegen ein Zur-Verfügung-Stellen eines Zimmers durch die Mutter.

D.h. von Beginn weg hätte die Sozialhilfe den Wohnkostenanteil des Sohnes übernehmen müssen.

Nun kommt noch dazu, dass sich die finanziellen Verhältnisse der Mutter verändert haben, so dass das Weiterführen des bisherigen Budgets stossend wäre.

 

Ich empfehle Ihnen Folgendes:

Beantragen Sie die sofortige Übernahme des Wohnkostenanteils, insbesondere wegen der veränderten finanziellen Situation der Mutter und beantragen Sie rückwirkend (ab Mai 2020) die Übernahme des Wohnkostenanteils, da das Budget offensichtlich unrichtig war. Sie können meine Antwort auch Ihren Anträgen beilegen.

Die Sozialhilfe muss stets das Budget für die Zukunft überprüfen, wenn sich die Situation verändert hat. D.h. hier sehen ich keine verfahrensrechtlichen Probleme.

Die rückwirkende Änderung kommt einer Wiedererwägung gleich, wo die Voraussetzungen erhöht sind. Jedenfalls ist die offensichtliche Unrichtigkeit mit den obigen Ausführungen zu begründen. Falls die Sozialhilfe damals sogar ohne weitere Prüfung der Mutter das Finanzieren des Wohnkostenanteils überliess, dann hat sie auch die Zumutbarkeit nicht geklärt – entgegen der Vorgaben der SKOS-RL. Aber wie gesagt, ich bin sogar der Meinung, dass in Ihrem Fall die Bestimmung von den SKOS-RL C.4.3. Abs. 5 (d.h. auch Kap. B.4 der SKOS-Richtlinien gültig bis 31.12.21) nicht zur Anwendung gelangt, da der Sohn nicht im Haushalt der Mutter lebt, sondern sie gleichberechtigt diesen führen.

Angesichts dessen, dass es sich nicht mehr um den elterlichen Haushalt handelt mit den besonderen Rahmenbedingungen von SKOS-RL C.4.3 Abs. 5, kann man durchaus die Ansicht vertreten, dass er auch ausziehen dürfte. Auch steht SKOS-RL C.4.2 Abs. 4 in Ihrem Fall nicht entgegen, da der Sohn ja nicht «bei» der Mutter lebt, sondern gleichberechtigt mit ihr zusammen.  

Noch eine abschliessende Bemerkung: Die Sozialhilfe muss bei gleichberechtigtem Wohnen auch prüfen, ob es sich um eine Zweck-WG handelt, oder um eine familienähnliche Wohn- und Lebensgemeinschaft, dazu SKOS-RL C.3.2 Erl. b) und C.3.1 Erl. b). Dies wirkt sich u.a. auf den Grundbedarf und die Wohnkosten aus.

Ich hoffe, Ihnen damit Ihre Frage beantwortet zu haben.

Freundliche Grüsse

Ruth Schnyder